Die Rechtsbüro Asrin hat in Istanbul einen Jahresbericht zur Lage im Sondergefängnis Imrali vorgestellt. Der Bericht enthält neben einer Beurteilung der allgemeinen Situation in der Vollzugsanstalt im Marmarameer eine detaillierte Übersicht über die systematischen Menschenrechtsverletzungen an den Mandanten Abdullah Öcalan, Ömer Hayri Konar, Veysi Aktaş und Hamili Yıldırım.
Der 16 Seiten umfassende Bericht wurde auf einer Pressekonferenz in den Räumlichkeiten der Vereinigung freiheitlicher Juristinnen und Juristen (ÖHD) vorgestellt. Erläutert wurden dabei auch die im vergangenen Jahr auf juristischer und zivilrechtlicher Ebene ergriffenen Initiativen der Kanzlei Asrin zur Durchsetzung der Rechte der Imrali-Gefangenen. An der Pressekonferenz nahmen neben den Anwält:innen auch Vertreter:innen der ÖHD, des Menschenrechtsvereins IHD und der Menschenrechtsstiftung TIHV teil.
Im „Bewertungsbericht 2021 über Rechtsverletzungen und die derzeitigen Bedingungen im Gefängnis von Imrali“ stellt das Rechtsbüro Asrin fest, dass das dortige Isolationssystem auf einer völligen Missachtung der in der türkischen Verfassung und der europäischen Menschenrechtskonvention festgelegten Verpflichtungen beruht und zum Aufbau einer Gesellschaft außerhalb von Recht und Demokratie in der Türkei führt. Über den rechtlichen Aspekt hinaus wird in dem Bericht die politische Bedeutung von Abdullah Öcalan für Frieden und eine Demokratisierung der Türkei und des Nahen Ostens betont.
Feststellungen und Schlussfolgerungen
Der vollständige Bericht kann in englischer Fassung hier nachgelesen werden. In der Zusammenfassung des Berichts heißt es, dass das Isolationssystem auf Imrali „gegen das Folterverbot, die Grundrechte und -freiheiten, die universellen Grundsätze und Regeln sowie die demokratischen Werte verstößt. Abdullah Öcalan ist seit 23 Jahren der Folter ausgesetzt, wobei die schwersten Bedingungen heute herrschen. Herr Konar, Herr Aktaş und Herr Yıldırım wurden in dieses System einbezogen und waren während der sieben Jahre, die sie im Gefängnis auf der Insel Imrali festgehalten wurden, Folter und unmenschlichen Praktiken ausgesetzt.
Im Jahr 2021 hörten wir nichts mehr von Herrn Öcalan und den anderen Mandanten. Der Zustand der Isolation erreichte die schlimmste Stufe. Seit dem 25. März 2021 haben wir keine Nachrichten mehr von den Mandanten erhalten. Seitdem sind alle ihre Verbindungen zur Außenwelt vollständig abgebrochen. Alle Anträge ihrer Familienangehörigen und Anwälte sind ergebnislos geblieben. Nicht ein einziger Besuch wurde gestattet. Auch telefonisch und brieflich waren sie nicht zu erreichen.
Während des gesamten Jahres 2021 wurden das Folterverbot nach Artikel 3, das Recht auf ein faires Verfahren nach Artikel 6, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und der Kommunikation nach Artikel 8, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Artikel 13 und Artikel 18 der EMRK, der die Grenzen für die Anwendung von Einschränkungen der Rechte und Freiheiten festlegt, verletzt. Durch die Nichterfüllung ihrer negativen und positiven Verpflichtungen haben die zuständigen Behörden des Isolationssystems auf Imrali Straftaten begangen.
Die 23-jährige Geschichte von Imrali hat deutlich gezeigt, dass immer dann, wenn die Sicherheitspolitik als dominanter Ansatz in der kurdischen Frage in den Vordergrund gerückt wurde, dies mit einer Verschärfung der Isolation der Gefangenen im Inselgefängnis Imrali einherging. Dies war im Laufe der letzten sechs bis sieben Jahre besonders ausgeprägt.
Ebenso führt die Verschärfung der Isolation auf Imrali zur Abschaffung der Rechte und Freiheiten in der Türkei. Heute besteht eine Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen den abschreckenden Bedingungen im Land und der absoluten Isolation auf Imrali. Da wir keinerlei Nachrichten von unseren Mandanten auf Imrali erhalten und ihnen jeglicher Kontakt zur Außenwelt verwehrt wird, befindet sich das Land in einer vielschichtigen sozialen, kulturellen, politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Krise.
So führt das Imrali-Isolationssystem, das auf einer völligen Missachtung der in der Verfassung, der EMRK und anderen Rechtsinstrumenten festgelegten Verpflichtungen beruht, zum Aufbau einer Gesellschaft außerhalb von Recht und Demokratie in der Türkei. Andererseits waren die Momente, in denen Herr Öcalan am Dialog mit der Gesellschaft teilnahm, Momente der Hoffnung und der Erleichterung für alle Menschen in der Türkei.
Herr Öcalan hat immer erklärt, dass er für eine demokratische, rechtsstaatliche und friedliche Lösung der kurdischen Frage eintritt. Während des 23-jährigen Imrali-Prozesses spielte Öcalan eine historische Rolle, indem er eine bemerkenswerte Politik des Friedens und des Lebens gegen die Gegner des Dialogs und der Lösung aufbaute. Gegen diese Kräfte wird ein würdevoller Frieden, wie er von Öcalan angestrebt wird, den Weg für die Demokratisierung der Türkei ebnen und den Nahen Osten zu einer lebenswerteren Region machen.
Alle politischen, sozialen und rechtlichen Parameter erfordern, dass Familien- und Anwaltsbesuche bei Herrn Öcalan und den anderen Mandanten stattfinden, wir sofort Nachricht von ihnen erhalten, Bedingungen für Freiheit und Sicherheit geschaffen werden und eine Politik des Dialogs und der Verhandlungen über die kurdische Frage verfolgt wird.“