Ömer Faruk Gergerlioğlu vertritt seit 2018 seine Wählerinnen und Wähler in der westtürkischen Provinz Kocaeli für die Demokratischen Partei der Völker (HDP) im Parlament. Immer wieder legt er seinen Finger in die Wunden der gravierenden Menschenrechtsverletzungen des Erdoğan-Regimes. Nun soll ihm aufgrund einer Verurteilung aus dem Jahr 2018 das Mandat entzogen werden. Gergerlioğlu war aufgrund eines regimekritischen Beitrags in den „sozialen Medien” wegen „Verbreitung von Terrorpropaganda“ verurteilt worden. In dem Beitrag hatte Gergerlioğlu dazu aufgerufen, dass die Regierung den Friedensappell der PKK ernst nehmen und einen Friedensprozess einleiten sollte.
Mandatsentzug trotz ausstehender Verfassungsbeschwerde
Das oberste Berufungsgericht der Türkei bestätigte Gergerlioğlus Verurteilung zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis am 19. Februar 2021. Obwohl er sich mit einer Verfassungsklage gegen das Urteil zur Wehr setzt, kündigte der Präsident der türkischen Nationalversammlung Ende letzter Woche an, dass die Schritte zur Aberkennung des Mandats von Gergerlioğlu unmittelbar bevorstehen.
Verletzung des Rechts auf freie Wahl
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisiert den drohenden Mandatsentzug gegenüber dem HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu scharf. „Jeder Schritt des türkischen Parlaments, die unrechtmäßige Verurteilung eines Oppositionspolitikers für einen Social-Media-Beitrag als Vorwand zu benutzen, um ihn seines Parlamentssitzes zu berauben und ihn ins Gefängnis zu stecken, stellt die schwerwiegende Verletzung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung dar. Es verletzt das Recht der Wählerinnen und Wähler, ihre Vertreter*innen zu wählen“, heißt es in einer Stellungnahme.
Eklatante Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung
„Jeder Schritt, Ömer Faruk Gergerlioğlu als Vorspiel zu seiner Inhaftierung den Parlamentssitz zu entziehen, würde wie eine Repressalie der Erdoğan-Regierung für seine mutige und lautstarke Haltung in der Unterstützung tausender Opfer von Menschenrechtsverletzungen aussehen“, sagte Hugh Williamson, Direktor für Europa und Zentralasien bei HRW. „Gergerlioğlus Verurteilung ist eine eklatante Verletzung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung. Sie als Vorwand zu benutzen, um ihn aus dem Parlament auszuschließen, würde eine tiefe Verachtung für demokratische Normen und das Recht auf politische Vereinigung zeigen.“
Regierung soll sich mit Menschenrechtssituation auseinandersetzen
Die zutiefst fehlerhafte Verurteilung von Gergerlioğlu wegen eines Social-Media-Postings sollte nicht zum Vorwand gemacht werden, ihn aus dem Parlament zu verweisen und ins Gefängnis zu stecken, fordert Williamson. „Eine Entscheidung des Verfassungsgerichts zu seinem Fall steht noch aus. In der Zwischenzeit täte die Regierung besser daran, die von Gergerlioğlu vorgebrachten Menschenrechtsbedenken ernsthaft anzugehen und ihn seine legitime parlamentarische Arbeit als gewählter Abgeordneter fortsetzen zu lassen.“