Im türkischen Parlament ist der Antrag zur Aufhebung der Immunität des HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu eingetroffen. Das teilte der Präsident der türkischen Nationalversammlung, Mustafa Şentop, am Freitag in Ankara mit. Noch ist unklar, wann der zuständige Parlamentsausschuss dem Plenum den Antrag auf Immunitätsentzug vorlegen wird. Lange dürfte es wohl nicht mehr dauern. „Erst werde ich den Antrag prüfen und dann an die zuständigen Kollegen weiterleiten“, so Şentop.
Im Februar hatte der türkische Kassationshof eine zweieinhalbjährige Haftstrafe gegen Ömer Faruk Gergerlioğlu wegen seiner sowohl an den türkischen Staat als auch die kurdische Bewegung gerichteten Friedensappelle bestätigt. Von der Justiz wird der Einsatz des 55-Jährigen für Frieden als Terrorpropaganda ausgelegt. Der Politiker, der von Beruf eigentlich Arzt ist und sich als Menschenrechtsverteidiger einen Namen gemacht hat, setzt sich mit einer Verfassungsklage gegen das Urteil zur Wehr. Über Twitter mahnte Gergerlioğlu, Şentop als Parlamentspräsident und „erster Hüter der Verfassung“ solle den Willen der Nation respektieren. Das Urteil gegen ihn sei grob „unfair“. Obwohl die Entscheidung des obersten Gerichts über seinen Fall noch aussteht, hat die Generalstaatsanwaltschaft Ankara ihre Anfrage für eine Untersuchung zum Immunitätsentzug beim Parlament eingereicht.
Die Zustimmung der Regierungskoalition aus der islamistischen AKP und der faschistischen MHP gilt als sicher. Auch die MHP-Abspaltung IYI will dem Antrag im Fall von Gergerlioğlu zustimmen. Aus dem Lager der CHP und ihres Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu gab es zwar harsche Kritik. Allerdings war es auch die CHP, die noch vor fünf Jahren für den Entzug der Immunität von HDP-Abgeordneten votierte und so den Weg für die Inhaftierung der damaligen HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş freimachte.