Knapp zwei Jahre nach Prozessauftakt vor dem Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim hat die Generalstaatsanwaltschaft hohe Haftstrafen für die fünf kurdischen Angeklagten gefordert. Veysel S. soll als führendes Mitglied der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) fünf Jahre und vier Monate im Gefängnis bleiben. Er wurde im Juni 2018 festgenommen und ist seitdem in Untersuchungshaft.
Den anderen Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft Unterstützung der PKK vor. Für Özkan T. wurden drei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe beantragt, für Agit K. drei Jahre und zehn Monate. Beide sind ebenfalls in Untersuchungshaft. Cihan A. soll für ein Jahr und zehn Monate ins Gefängnis, Evrim A. für zwei Jahre und sechs Monate.
Die Anklage der Bundesanwaltschaft basiert maßgeblich auf den Aussagen eines Kronzeugen, der seinen Angaben zufolge für die PKK tätig gewesen sein soll. Während dieser Zeit hat er teilweise für die deutsche Polizei gearbeitet und sein Wissen über die Organisation offenbart. Ridvan Özdemir hatte im Prozess umfänglich ausgesagt und die Angeklagten belastet. Dabei hatte sich jedoch herausgestellt, dass der Zeuge größtenteils unglaubhafte Angaben gemacht und in wesentlichen Anklagepunkten gelogen hat. Nicht zuletzt hatte dies dazu geführt, dass der Haftbefehl gegen Evrim A. im Dezember 2019 außer Vollzug gesetzt wurde.
Befragungen des Kronzeugen durch die Verteidiger*innen waren nicht möglich, weil dieser von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch gemacht hatte. Sie hatten bereits zu Prozessbeginn kritisiert, „dass das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an der Kriminalisierung kurdischer Aktivisten“ dazu führe, dass sie sich für die „Rachegelüste eines abgewiesenen Liebhabers instrumentalisieren“ lasse. Im August 2020 ist in einem gesonderten Verfahren auch gegen den Kronzeugen Anklage erhoben worden.
Rechtsanwalt Dr. Björn Elberling, der gemeinsam mit Rechtsanwältin Antonia von der Behrens den Angeklagten Özkan Taş vertritt, hatte vergangenen Monat in einem Interview auf die politische Dimension des Verfahrens hingewiesen: „Letztlich handelt die Strafjustiz – allen voran die politische Behörde Bundesanwaltschaft – hier nach dem allgemeinen politischen Zeitgeist. Strafverfolgung wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft etwa setzt ja immer eine Verfolgungsermächtigung des Justizministeriums voraus. Die Regierung hat es also weiter in der Hand, mit einem Federstrich einen großen Teil dieser Repression zu beenden. Wir führen den Kampf im Gerichtssaal und für die einzelnen Angeklagten, aber gewonnen werden kann die Auseinandersetzung nur über massiven Druck auf die Regierung, den außenpolitischen Kurs der Kooperation mit dem Erdoğan-Regime und der Repression gegen kurdische und andere Oppositionelle hierzulande zu beenden.“
Der Prozess wird am 15. April mit den Plädoyers der Verteidigung fortgesetzt.