Vor dem Oberlandesgerichts Stuttgart ist am 27. August Anklage gegen einen 36 Jahre alten türkischen Staatsangehörigen nach den Terrorparagrafen 129a/b wegen Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) erhoben worden. Das teilte die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart knapp einen Monat später mit. Gemäß der Anklage soll der Angeschuldigte von Oktober 2016 bis Januar 2018 als sogenannter „Raumverantwortlicher der PKK“ für die Stadt Bruchsal und Umgebung zuständig gewesen sein.
Wie in den politisch motivierten PKK-Verfahren werden dem Beschuldigten keine individuellen Straftaten vorgeworfen. Er soll den Verkauf von Eintrittskarten und Bustickets für Fahrten zu legalen Kundgebungen, Demonstrationen oder Festivals organisiert, Spenden gesammelt und Zeitschriften verkauft haben. Laut Generalstaatsanwaltschaft befindet sich der Angeschuldigte nicht in Untersuchungshaft. Das Verfahren wurde vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof eingeleitet und im April 2018 an die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart abgegeben.
Wie der Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. mitteilt, handelt es sich bei dem „mutmaßlichen Mitglied“ der PKK um Ridvan Ö., der sich in dem §§129a/b-Verfahren gegen fünf kurdische Aktivist*innen vor dem Oberlandesgericht Stuttgart als Kronzeuge der Anklage zur Verfügung gestellt hat. „In diesem Prozess, der seit dem 16. April 2019 läuft, hat er einerseits umfängliche, die Angeklagten belastende Aussagen gemacht, andererseits unglaubwürdige und wirre Geschichten erzählt, die auch vonseiten des Gerichts in Zweifel gezogen wurden. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Aussagen dieses Kronzeugen bei der Urteilsfindung zu Ungunsten der Angeklagten berücksichtigt werden", erklärte AZADÎ auf Anfrage gegenüber ANF. „Warum die Generalstaatsanwaltschaft die Medien erst am 25. September 2020 über die Anklageerhebung vom 27. August vor dem OLG Stuttgart informiert hat, bleibt deren Geheimnis. Über die Rolle von Ridvan Ö. in dem laufenden Prozess wird selbstredend nicht informiert."
Nach Angaben von AZADÎ laufen momentan Gerichtsverfahren gegen sieben Kurdinnen und Kurden in Hamburg, Stuttgart und München. Am 10. September wurde der in Augsburg lebende Yilmaz Acil aus Amed (türk. Diyarbakir) verhaftet.