Eine Delegation der Demokratischen Partei der Völker (HDP) ist in Straßburg mit Vertretern des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) zusammengetroffen. Teil der HDP-Delegation waren die außenpolitischen Sprecher:innen Feleknas Uca und Hişyar Özsoy, der Europaratsvertreter Faik Yağızay und die ehemalige Oberbürgermeisterin von Wan, Bedia Özgökçe Ertan. Das CPT wurde von Generalsekretär Régis Brillat und Elvin Aliyev von der Türkei-Abteilung des Komitees vertreten.
„Mit allen Imrali-Gefangenen einzeln gesprochen"
Wie Faik Yağızay gegenüber ANF erklärte, ging es in dem Gespräch um die Rechtsverletzungen in türkischen Gefängnissen und insbesondere um die Isolation von Abdullah Öcalan: „Wir haben über die Lage politischer Gefangener und kranker Gefangener und die zunehmend schlechter werdenden Haftbedingungen gesprochen. Natürlich sind wir auch auf die Isolation von Herrn Öcalan und den letzten Besuch des CPT auf Imrali eingegangen. Wir haben über die Zustände in den Gefängnissen berichtet und das CPT sagte, dass es in Kontakt mit den Behörden in der Türkei steht. Hinsichtlich der kranken Gefangenen haben wir das CPT zum sofortigen Handeln aufgefordert. Darüber hinaus haben wir mitgeteilt, dass das kurdische Volk sowohl in der Diaspora als auch im Land selbst in großer Sorge aufgrund der Isolation von Herrn Öcalan ist. Dass das CPT keine Erklärung zu den Geschehnissen auf Imrali abgibt, verstärkt diese Besorgnis. Sie sagten uns, dass sie sich über die bereits abgegebene Erklärung hinaus nicht äußern können, aber dass sie mit allen vier Gefangenen auf Imrali einzeln gesprochen haben.“
Nur der CPT-Bericht von 2019 wurde veröffentlicht
Faik Yağızay ist Vertreter der HDP im Europarat und fordert die Veröffentlichung der CPT-Berichte über die Gefängnisinsel Imrali. Bisher sei nur der Bericht zu einem Besuch im Jahr 2019 veröffentlicht worden, die von 2016, 2018, 2021 und der letzte vom September 2022 wurden nicht zugänglich gemacht, sagte Yağızay: „Das CPT hat leider nicht die Befugnis, Druck auf die Türkei auszuüben, damit die Berichte öffentlich gemacht werden. Uns wurde gesagt, dass unsere Bemühungen für eine Unterstützung der Berichte durch politische Institutionen wichtig sind und fortgesetzt werden sollten. Die Unterstützung der CPT-Berichte und der Druck auf die Türkei, um diese zum Handeln zu bewegen, ist Aufgabe politischer Institutionen. Wir werden unsere Bemühungen auf dieser Ebene fortsetzen.“
Hintergrund: CPT-Besuch in der Türkei
Das Antifolterkomitee des Europarates (CPT) hat im September einen Ad-hoc-Besuch in der Türkei absolviert. Das gab die Einrichtung am 3. Oktober auf ihrer Internetseite bekannt. Demnach wurden in der Zeit vom 20. bis 29. September mehrere Haftanstalten von einer fünfköpfigen Delegation des CPT inspiziert, unter anderem auch das Hochsicherheitsgefängnis Imrali im Marmarameer. Das Inselgefängnis bei Bursa beherbergt nur vier Gefangene – der wohl bekannteste von ihnen ist Abdullah Öcalan, Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung. Der 73-Jährige wird seit seiner Verschleppung 1999 in die Türkei auf Imrali in politischer Geiselhaft gehalten.
Hauptziel des CPT-Besuchs in der Türkei war es, die Behandlung von Personen mit fremder Staatszugehörigkeit, die nach dem türkischen Ausländerrecht inhaftiert sind, zu untersuchen. Ein Augenmerk galt hierbei den Bestimmungen und dem Vollzugsverlauf in Abschiebungshaftverfahren, erklärte das Komitee. In diesem Rahmen wurden Haftzentren in Edirne, Istanbul und Dîlok (tr. Gaziantep) inspiziert, aber auch Zweigstellen des Istanbuler Dezernats für die Bekämpfung von Menschenhandel sowie das Transitzentrum des Flughafens der Bosporus-Metropole. In den genannten Einrichtungen werden vor allem Migrant:innen festgehalten.
Bei der Inspektion im Imrali-Gefängnis ging es nach CPT-Angaben darum, die allgemeine Behandlung und Haftbedingungen von Abdullah Öcalan und seinen Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş zu überprüfen. „In diesem Zusammenhang wurde den Gemeinschaftsaktivitäten, die den Gefangenen angeboten werden, und ihren Kontakten mit der Außenwelt besondere Aufmerksamkeit geschenkt“, so das Komitee.
Letzter Anwaltsbesuch über drei Jahre her
Abdullah Öcalan und seine drei Mitgefangenen werden seit Jahren in Totalisolation gehalten. Seit 2019 gilt auf Imrali wieder ein striktes Anwaltsverbot, der letzte Besuch des Verteidigungsteams von Öcalan fand im August 2019 statt. Konar, Yıldırım und Aktaş haben seit ihrer Verlegung in das Inselgefängnis 2015 noch nie von ihrem Recht auf anwaltliche Vertretung Gebrauch machen können. Ein letztes Lebenszeichen aus Imrali gab es in Form eines Telefonats Öcalans mit seinem Bruder im März 2021, das aus unbekannten Gründen nach wenigen Minuten abbrach. Die Istanbuler Anwaltskanzlei Asrin, die alle vier Imrali-Gefangenen vertritt, stellt zwar regelmäßig Besuchsanträge, um ihre Mandanten zu sehen. Die türkischen Behörden lehnen diese Ersuchen jedoch ab oder ignorieren sie. Ähnlich verhält es sich bei Besuchsanträgen von Familienangehörigen. Seit Juni haben etwa 2000 Anwältinnen und Anwälte aus Dutzenden Ländern beim türkischen Justizministerium eine Erlaubnis für einen Besuch bei Abdullah Öcalan beantragt, um die Isolation auf Imrali zu durchbrechen. Auf diese Initiativen folgten ebenfalls keine Reaktionen.