Sitzstreik für Abdullah Öcalan vor dem Europarat

Verschiedene kurdische Verbände haben vor dem Europarat in Straßburg einen Sitzstreik begonnen, um die Staatenorganisation zum Handeln für die Freiheit Abdullah Öcalans aufzufordern.

Aus Protest gegen das internationale Komplott gegen den kurdischen Vordenker Abdullah Öcalan, das am 9. Oktober 1998 mit seiner erzwungenen Ausreise aus Syrien seinen Anfang nahm und am 15. Februar 1999 in seine völkerrechtswidrige Verschleppung in die Türkei mündete, haben kurdische Verbände am Montag vor dem Europarat im französischen Straßburg einen Sitzstreik begonnen. Die mehrtägige Initiative des kurdischen Europadachverbands KCDK-E hat zum Ziel, den Europarat als „Bastion für die Menschenrechte“ zum Handeln zu bewegen. Es geht um die Forderungen, die Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali aufzuheben, die Freilassung des dort in politischer Geiselhaft gehaltenen Abdullah Öcalan zu erwirken, die Türkei zu ermahnen, das „Recht auf Hoffnung“ für sogenannte Lebenslängliche nicht länger außer Kraft zu setzen, die systematische Repression gegen die HDP zu beenden und die kranken Gefangenen zu entlassen.

Verbände und Einzelpersonen sind beteiligt

Die Mahnwache soll vorerst bis Donnerstag andauern und wird jeden Tag von einer anderen Organisation ausgerichtet, die Dossiers zur Lage in der Türkei erarbeitet haben und diese dem Europarat übergeben. Unter den Beteiligten sind neben diversen Verbänden auch zahlreiche Einzelpersonen, darunter namhafte Politikerinnen und Politiker aus Kurdistan und der Türkei, Kunstschaffende und Mitglieder der kurdischen Exil-Zivilgesellschaft. Den Auftakt des Sitzstreiks machte heute der Dachverband der kurdischen Gemeinde in der Schweiz (CDK-S), der mit rund hundert Mitgliedern angereist war. Der Ko-Vorsitzende Ismail Kardaş betonte, dass Kurdinnen und Kurden weltweit sich seit bald zweieinhalb Jahrzehnten überall dafür einsetzten, damit die Isolationspolitik gegen Öcalan beendet wird und Wege und Möglichkeiten für den PKK-Begründer für die Lösung der kurdischen Frage geschaffen werden. „Doch leider spielt die internationale Gemeinschaft, sobald es um Kurdistan und Abdullah Öcalan geht, die drei Affen und tritt damit rechtliche Standards und Werte der Menschheit mit Füßen.“

Göksungur: Isolation hat die Grenzen Kurdistans gesprengt

Fatoş Göksungur als Ko-Vorsitzende des KCDK-E sagte, die kurdische Community werde nicht müde werden, ihre Forderungen auf die Straße zu tragen. Denn: „Wir sind heute an einem Punkt, an dem sich das Isolationssystem auf Imrali von der Insel aus auf alle Teile der Gesellschaft ausgebreitet hat und die Krisen, die auf die ungelöste kurdische Frage zurückzuführen sind, weiter vertieft. Damit betrifft die Isolation längst nicht mehr nur die Türkei beziehungsweise Kurdistan, sondern weite Teile der gesamten Region. Das internationale Komplott hat sich zu einer internationalen Isolation entwickelt, die es gilt zu durchbrechen.“

Gespräch zwischen HDP-Delegation und Europarat-Verantwortlichen

Im Rahmen der Aktionstage ist auch ein Gespräch zwischen einer Delegation und Verantwortlichen des Europarats über die Situation von Öcalan geplant. Die kurdische Seite soll unter anderem durch vier ehemalige Abgeordnete der HDP vertreten werden: Ertuğrul Kürkçü, Faysal Sarıyıldız, Dilek Öcalan und Nursel Aydoğan. Kürkçü, der außerdem Ehrenvorsitzender seiner Partei ist, fasste in kurzen Worten den Entstehungsprozess der HDP zusammen, die als Motor der Demokratisierung in der Türkei begriffen wird. Geformt durch die Idee einer „demokratischen Nation“, nahm das von Öcalan bis ins Detail durchdachte Projekt eine basisorientierte Struktur zur Grundlage und statt der klassischen Organisierung als Partei wurde eine Rätestruktur als Teil eines Dachverbands zum Ausgangpunkt genommen: Der HDK. So konnte eine neue Form des Widerstandes entwickelt werden, die den kurdischen Freiheitskampf mit dem Kampf der Linken, Sozialisten, Revolutionäre und Werktätigen in der Türkei vereinte. „Dieses von Abdullah Öcalan erdachte Projekt ist ein Hoffnungsschimmer und ist Inspiration für alle fortschrittlich und revolutionär denkenden Menschen, die für eine gleichberechtigte, freie Gesellschaft ohne Unterdrückung stehen“, sagte Kürkçü. Und eben aus diesem Grund werde der Ideengeber auf Imrali von der Außenwelt abgeschottet. „Sie haben Angst vor seinen Gedanken und der Hoffnung auf Freiheit, Frieden und Gleichberechtigung“, sagte der Politiker und gedachte der Opfer des Anschlags auf die unter anderem von der HDP mitorganisierte Friedenskundgebung in Ankara, der sich am heutigen 10. Oktober zum siebten Mal jährte.

Hatip Dicle und Selim Sadak unterstützen Mahnwache

Weitere Redebeiträge gab es von den politischen Urgesteinen Hatip Dicle und Selim Sadak. Beide würdigten den weltweiten kurdischen Widerstand für Freiheit und einen würdevollen Frieden und kündigten an, sich jeden Tag an der Mahnwache beteiligen zu wollen.