Rechtsanwältin Raziye Öztürk, die ehemalige HDP-Abgeordnete Dilek Öcalan und der isländische Politiker Ögmundur Jónasson haben im Europarat in Straßburg über die Situation von Abdullah Öcalan informiert und sofortiges Handeln gefordert.
Ögmundur Jónasson, der von 2011 bis 2013 Innenminister von Island war, erklärte zum rechtlichen und politischen Hintergrund, dass die seit über 23 Jahren andauernde Isolation von Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali nicht mit den Menschenrechten und der europäischen Gesetzgebung vereinbar ist. Die Freiheit von Öcalan stehe in direktem Zusammenhang mit einem Friedensprozess in Kurdistan, beides könne nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. In Zeiten, in denen das Gefängnis erreichbar gewesen sei, habe ein erfolgversprechender Friedensprozess stattgefunden, auch die Botschaft von Öcalan zu Newroz 2013 habe Anlass zur Hoffnung gegeben. „Dann sind die Tore von Imrali wieder geschlossen worden“, sagte Jónasson.
Nach Beendigung der Verhandlungen auf Imrali habe der türkische Staat erneut auf Krieg gesetzt und ganze Städte in Kurdistan zerstört. Jónasson benannte mehrere Kriegsverbrechen und äußerte den Wunsch, dass die Tore von Imrali wieder geöffnet werden und ein bleibender Frieden in der Türkei etabliert werden kann.
„Die Türkei muss sich als Mitglied des Europarats an EGMR-Urteile halten“
Raziye Öztürk aus dem Anwaltsteam von Abdullah Öcalan erklärte, dass die Türkei Mitglied des Europarats ist und sich an die in diesem Rahmen unterzeichneten Abkommen halten muss. Trotzdem herrsche auf Imrali ein Foltersystem, was auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und das Antifolterkomitee des Europarats (CPT) in Urteilen und Berichten festgestellt hätten. Zur Haftsituation von Öcalan und seinen drei Mitgefangenen erläuterte die Anwältin, dass diesen grundlegende Rechte vorenthalten werden. So habe Öcalan seit 2011 lediglich im Jahr 2019 fünf Anwaltsgespräche führen können. Hamili Yıldırım, Ömer Hayri Konar und Veysi Aktaş, die 2015 nach Imrali verlegt wurden, haben seitdem gar keinen Kontakt zu ihrem Rechtsbeistand und konnten im gesamten Zeitraum nur drei Mal mit Familienangehörigen sprechen.
Das letzte Lebenszeichen von Öcalan war ein Telefonat mit seinem Bruder am 25. März 2021. Das Gespräch wurde aus unbekannten Gründen nach wenigen Minuten unterbrochen. Raziye Öztürk betonte, dass sie nichts über den Zustand ihrer Mandanten auf Imrali weiß und alle juristischen Initiativen des Anwaltsteams auf eine Blockade stoßen. Zu dieser Rechtlosigkeit trage auch die Untätigkeit des Europarats bei, führte die Anwältin aus. Die 2011 beim EGMR eingereichte Klage gegen die Isolation sei immer noch anhängig, der Menschenrechtsgerichtshof habe erst nach acht Jahren eine Stellungnahme der Türkei eingefordert. Der Europarat komme seiner Kontrollfunktion nicht nach, daher sei auf Imrali ein dauerhaftes Foltersystem entstanden. Raziye Öztürk forderte im Namen des Anwaltsteams, dass der Europarat seiner Verantwortung nachkommt und Druck auf die Türkei ausübe, damit diese sich an EGMR-Entscheidungen und die Empfehlungen des CPT halte.
„Öcalan und das kurdische Volk sind keine Terroristen“
Zuletzt ergriff die ehemalige HDP-Abgeordnete Dilek Öcalan das Wort: „Wir fordern, dass Abdullah Öcalan endlich freigelassen wird. Das kurdische Volk und sein Anführer sind keine Terroristen. Terroristen sind diejenigen, die dieses Volk unterdrücken, ins Gefängnis stecken und ermorden.“ Europa mache sich am Terror gegen das kurdische Volk mitschuldig, weil es die Türkei gewähren lassen.
Nach dem Briefing wurden Informationsdossiers der Initiative „Freiheit für Abdullah Öcalan“ zur Isolation auf Imrali an die Mitglieder der parlamentarischen Versammlung des Europarats verteilt.