Die niederländische Rechtsanwaltsorganisation Lawyers for Lawyers hat die türkische Regierung aufgefordert, dem Istanbuler Rechtsbüro Asrin Zugang zur Gefängnisinsel Imrali zu ermöglichen. Auf der Insel im Marmarameer befinden sich der kurdische Vordenker Abdullah Öcalan und seine Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Veysi Aktaş sowie Hamili Yıldırım in politischer Geiselhaft, die meiste Zeit in Totalisolation. Die türkische Justiz erteilt in regelmäßigen Abständen willkürliche Besuchsverbote gegen die Imrali-Gefangenen, um ihren Kontakt zur Außenwelt zu unterbinden. Das letzte Mandantengespräch fand im Sommer 2019 statt, seitdem herrscht wieder Funkstille.
Lawyers for Lawyers kritisiert, dass durch die bisherige Verbotshaltung der Führung in Ankara gegen die Richtlinien hinsichtlich der Rolle von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten der Vereinten Nationen verstoßen wird. Dies betreffe insbesondere die Grundprinzipien 8, 16 und 21, erklärt die Organisation. Die Richtlinien garantieren Inhaftierten angemessene Möglichkeiten für Zugang zu einem Rechtsbeistand, eine anwaltliche Vertretung ohne Einschüchterung, Behinderung oder unzulässige Einmischung, sowie Zugang von Anwältinnen und Anwälten zu den Informationen, Akten und Unterlagen.
Im Fall der Kanzlei Asrin kommt zusätzlich zum verweigerten Kontakt zu den Mandanten hinzu, dass seit 2016 kein Zugang zu den Akten der Imrali-Gefangenen besteht, obwohl kein offizieller Gerichtsbeschluss über eine Geheimhaltungsverfügung vorliegt. Darüber hinaus werden dutzende Mitglieder des Büros seit 2011 unter fadenscheinigen Terrorismusvorwürfen von der Justiz verfolgt. Einige von ihnen befinden sich sogar seit knapp zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Lawyers for Lawyers und viele andere Rechtsanwaltsorganisationen glauben, dass die Verfolgung dieser Anwält:innen mit ihrer beruflichen Tätigkeit für Abdullah Öcalan und seine Mitgefangenen zusammenhängt.
„In Anbetracht dessen fordert Lawyers for Lawyers die türkischen Behörden dringend auf:
Den Anwält:innen von Asrin und Anwält:innen im Allgemeinen angemessene Möglichkeiten, Zeit und Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Mandant:innen, insbesondere die auf der Insel Imrali, ohne Verzögerung, ohne Abhörungsmechanismen und unter Wahrung der Vertraulichkeit besuchen und mit ihnen kommunizieren können.
Beendigung jeglicher Beeinträchtigung von Rechtsanwält:innen, die ihre Mandant:innen gemäß ihren beruflichen Pflichten, Normen und ethischen Grundsätzen unterstützen, durch Strafverfolgung oder andere Mittel.
Gewährleistung, dass Anwält:innen unter allen Umständen innerhalb einer angemessenen Frist Zugang zu geeigneten Informationen, Akten und Dokumenten erhalten, damit sie wirksamen Rechtsbeistand leisten können.
Treue Erfüllung der internationalen Vertragsverpflichtungen der Türkei und Befolgung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), insbesondere derjenigen, die den Zugang zu Anwält:innen garantieren.
Alle festgenommenen oder in Haft oder Strafhaft gehaltenen Personen müssen angemessene Möglichkeiten, Zeit und Erleichterungen erhalten, damit sie ohne Verzögerung, Kontrolle oder Zensur und in strenger Vertraulichkeit von einem Rechtsanwalt beziehungweise einer Rechtsanwältin besucht werden, mit ihm oder ihr Kontakt unterhalten und sich beraten können. Solche Beratungen dürfen von Vollzugsbeamt:innen beobachtet, aber nicht abgehört werden.“
Gemeinsamer Appell internationaler Anwaltsorganisationen
Am 5. April, dem Tag der Rechtsanwälte in der Türkei, hatte sich Lawyers for Lawyers zusammen mit anderen Organisationen bereits an das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) gewandt, um einen Folgebesuch im türkischen Inselgefängnis Imrali zu erwirken. Insbesondere solle das Kontaktverbot von Abdullah Öcalan und seinen drei Mitgefangenen zu ihrem Rechtsbeistand untersucht werden.