Bakırhan fordert mutige Schritte für Frieden und „Recht auf Hoffnung“
In seiner Rede auf der wöchentlichen Fraktionssitzung der DEM-Partei hat der Ko-Vorsitzende Tuncer Bakırhan erneut betont, dass ein dauerhafter gesellschaftlicher Frieden in der Türkei nur durch konkrete und mutige politische Maßnahmen möglich sei. Besonders rief er dazu auf, das sogenannte „Recht auf Hoffnung“ für Abdullah Öcalan auf die politische Tagesordnung zu setzen.
Bakırhan kritisierte, dass trotz der breiten Unterstützung für Öcalans Friedensaufruf vom 27. Februar bisher keine konkreten Schritte seitens der Regierung erfolgt seien. Über 40 Tage seien seither vergangen, die Stimmung im Land sei jedoch weiterhin von Repression und Stillstand geprägt: „Wir sagen ganz klar: Frieden kommt nicht durch Abwarten. Wenn man ein Beispiel dafür kennt, dass Frieden einfach durch Zeitablauf entstanden ist – dann sollen sie es uns nennen. Wir kennen keines“, sagte Bakırhan im Hinblick auf die AKP-Regierung.
Der kurdische Politiker verwies auf die kraftvollen Signale aus der Bevölkerung, insbesondere während der diesjährigen Newroz-Feiern, bei denen der Aufruf Öcalans zu Demokratie und Frieden eine zentrale Rolle spielte. Die Gesellschaft sei bereit, der Staat müsse nun nachziehen, betonte Bakırhan.
Protest ist ein Recht – keine Straftat
Der DEM-Vorsitzende äußerte auch scharfe Kritik an der Polizeigewalt bei Protesten gegen die Verhaftung und Absetzung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem Imamoğlu sowie die Inhaftierung hunderter Studierender. Besonders empört zeigte er sich über Berichte über entwürdigende Leibesvisitationen von Frauen in Polizeigewahrsam: „Das ist Folter. Das ist sexualisierte Gewalt. Wir werden das nicht hinnehmen und fordern sofortige Aufklärung.“ Zugleich verteidigte Bakırhan das Demonstrations- und Boykottrecht als grundlegende demokratische Freiheiten, die auch in der Türkei gelten müssten.
Fraktionssitzung der DEM-Partei (Foto: Handout)
„Barriere für Frieden: das Schweigen“
Der Politiker warf der Regierung im weiteren Verlauf seiner Rede Passivität und Doppelzüngigkeit vor – insbesondere im Umgang mit Öcalan. Einerseits werde öffentlich von Frieden gesprochen, andererseits werde der Vordenker der kurdischen Bewegung seit Jahren isoliert: „Wenn jemand wie Abdullah Öcalan, der aktiv nach einer Lösung sucht, ignoriert und isoliert wird, entsteht Misstrauen – nicht nur bei Kurd:innen, sondern bei allen, die an einen gerechten Frieden glauben.“
Bakırhan forderte, dass Öcalan das Recht auf Kommunikation, politische Betätigung und faire Haftbedingungen zugestanden werden müsse. Das „Recht auf Hoffnung“, also eine Perspektive auf Freilassung bei guter Führung, müsse für alle Gefangenen gelten – auch für politische.
Aufruf zu gesetzlicher Reform und Verantwortung
Der DEM-Vorsitzende forderte auch eine Überarbeitung repressiver Gesetze wie des Anti-Terror-Gesetzes, das regelmäßig gegen Regierungskritiker:innen eingesetzt wird. Das Parlament müsse rasch handeln, die demokratische Opposition stehe mit konkreten Vorschlägen bereit. „Sowohl im Parlament als auch in der Gesellschaft müssen wir jetzt gemeinsam an einer demokratischen Zukunft arbeiten. Denn Regierungen kommen und gehen – aber die Völker, ihre Würde und ihre Sehnsucht nach Frieden bleiben.“
„Die Türkei steht an einem historischen Wendepunkt“
Am Ende seiner Rede unterstrich Bakırhan die Dringlichkeit, in der aktuellen politischen Phase verantwortungsbewusst zu handeln: „Wir sind nicht gelassen wie die Regierung. Wir machen Druck, weil wir nicht wollen, dass dieses Land weitere hundert Jahre mit ungelösten Konflikten lebt. Die Türkei steht an einem Scheideweg. Sie kann sich für Demokratie, Frieden und Gerechtigkeit entscheiden – oder diesen Moment verstreichen lassen.“
Imrali-Delegation trifft Erdoğan
Im Vorfeld der Fraktionssitzung hatte Bakırhan bekannt gegeben, dass in dieser Woche möglicherweise ein Treffen zwischen der Imrali-Delegation der DEM-Partei und dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan stattfindet. Ein Gespräch der Delegation mit dem AKP-Chef über den Aufruf Abdullah Öcalans wird insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Wiederaufnahme des kurdisch-türkischen Dialogs schon länger erwartet.