Besuchsgenehmigung anlässlich des Zuckerfests
Nach jahrelanger Kommunikationssperre ist es im Hochsicherheitsgefängnis auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali zu einem seltenen Familienbesuch gekommen. Neben Abdullah Öcalan, der als führende Persönlichkeit der kurdischen Freiheitsbewegung gilt, empfingen auch seine Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş Besuch von ihren Angehörigen.
Anlass der Genehmigung ist das muslimische Zuckerfest. Öcalan traf seinen Neffen, den Parlamentsabgeordneten der DEM-Partei Ömer Öcalan, sowie seinen Bruder Mehmet Öcalan. Sein Neffe veröffentlichte auf X eine Botschaft des PKK-Begründers: „Ich begrüße es, dass unser Volk an Newroz mit großem Enthusiasmus den Ruf nach Frieden und einer demokratischen Gesellschaft aufgenommen hat. Ich gratuliere unserem Volk erneut zu Newroz und wünsche ein frohes Zuckerfest.“
Ömer Hayri Konar und Hamili Yıldırım erhielten ebenfalls Besuch von ihren Brüdern und Veysi Aktaş konnte seine Schwester sehen.
Seltene Ausnahme in langjähriger Isolationspolitik
Seit Jahren kritisieren Menschenrechtsorganisationen, Anwält:innen und internationale Gremien die vollständige Isolierung Öcalans und seiner Mitgefangenen. So konnte Abdullah Öcalan seit 2014 nur sieben Mal mit seiner Familie sprechen. Der letzte Kontakt vor dem jetzigen Besuch fand im Oktober 2024 statt – nach über 44 Monaten kompletter Kommunikationssperre. Auch damals durfte er ausschließlich seinen Neffen Ömer Öcalan im Rahmen eines Familienbesuchs treffen.
Die Gefangenen Konar und Aktaş, die seit März 2015 auf Imrali inhaftiert sind, konnten insgesamt lediglich vier Familienbesuche wahrnehmen – einschließlich des heutigen Tages. Yıldırım wurde in dieser Zeit sogar nur dreimal der Kontakt zu Angehörigen erlaubt.
Noch gravierender ist die Situation im Hinblick auf anwaltliche Unterstützung: Während Öcalan innerhalb von 14 Jahren nur fünf Mal von seinen Anwält:innen besucht werden durfte (zuletzt im August 2019), wurden Konar, Yıldırım und Aktaş seit ihrer Inhaftierung überhaupt kein einziger Anwaltsbesuch gewährt.
Juristische Kritik und internationale Appelle
Die Istanbuler Anwaltskanzlei Asrin, die Öcalan und seine drei Mitgefangenen juristisch vertritt, veröffentlichte vergangene Woche einen umfassenden Bericht zur Situation im Hochsicherheitsgefängnis auf Imrali in den letzten vier Monaten. Demnach seien allein in diesem Zeitraum 52 Anträge auf Familien- und Anwaltsbesuche unbeantwortet geblieben. In den Report, der auch an das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) ging, wurde eine sofortige Untersuchung der Zustände auf Imrali gefordert.
Aufruf zu Frieden und demokratischer Lösung
Der Besuch fällt in eine Zeit erneuter politischer Bewegung rund um die kurdische Frage. Die Imrali-Delegation der DEM-Partei hatte am 28. Dezember 2024, am 22. Januar sowie am 27. Februar die Insel besucht. Beim letzten dieser Treffen veröffentlichte Abdullah Öcalan gemeinsam mit seinen Mitgefangenen einen Appell für „Frieden und eine demokratische Gesellschaft“. Die Delegation betonte, dass eine politische Lösung der kurdischen Frage nicht ohne die Einbindung Öcalans und der kurdischen Bevölkerung möglich sei. Seither wartet die kurdische Seite auf entsprechende Schritte der Regierung.
Ein Besuch mit Signalwirkung?
Beobachter:innen werten die Genehmigung des Besuchs als ungewöhnliches politisches Signal – möglicherweise im Kontext internationaler Kritik an der Menschenrechtslage in der Türkei und wachsender innenpolitischer Spannungen. Ob der Besuch ein Einzelfall bleibt oder eine Wende in der Imrali-Politik der Regierung hin zu einem möglichen Dialogprozess darstellt, bleibt offen.