DEM beantragt Besuchserlaubnis für Öcalan zu Newroz
Mit Blick auf das in der Türkei verweigerte Recht auf Hoffnung für Lebenslängliche hat der Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tuncer Bakırhan, dem türkischen Justizminister Yılmaz Tunç Ahnungslosigkeit vorgeworfen. Dieser hatte auf Forderungen von Opposition und Zivilgesellschaft, ein entsprechendes Gesetz zu formulieren, am Dienstag entgegnet, es sei nicht vorgesehen, das Recht auf Hoffnung gesetzlich zu verankern. Das Thema ist auch eine immer wiederkehrende Forderung der kurdischen Bewegung.
Recht auf Hoffnung kein DEM-Konzept
„Entweder ist der Justizminister ahnungslos, oder diese Causa übersteigt seinen Zuständigkeitsbereich“, sagte Bakırhan vor Presseleuten in Ankara. Der kurdische Politiker verwies dabei auf internationale Gerichtsentscheidungen, insbesondere die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Das Recht auf Hoffnung sei kein von der DEM-Partei erfundenes Konzept, sondern stelle eine international anerkannte Rechtsnorm dar. „Wenn es eine Lösung geben soll, wenn Frieden entstehen soll, wenn eine neue und demokratische Grundlage geschaffen werden soll, dann muss auch das Recht auf Hoffnung berücksichtigt werden“, so Bakırhan weiter.
EGMR-Urteil: Türkei muss Gefangenen Aussicht auf Freilassung einräumen
Die Debatte um das Recht auf Hoffnung ist im Hinblick auf die Haftsituation von dem PKK-Begründer Abdullah Öcalan und anderen Gefangenen, die zu erschwerter langjähriger Haft verurteilt sind, entbrannt. Der EGMR in Straßburg hatte bereits 2014 festgestellt, dass die Türkei mit der Verhängung einer nicht reduzierbaren lebenslangen Freiheitsstrafe gegen Öcalan und weitere Gefangene gegen das Verbot einer unmenschlichen und erniedrigen Behandlung und damit gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen hat. Öcalan, der 1978 die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gründete, war im Juni 1999, nur vier Monate nach seiner Verschleppung in die Türkei, wegen „Hochverrats“ zum Tode verurteilt worden.
Hunderte Gefangene seit Jahrzehnten im Knast
Da die Türkei 2002 die Todesstrafe abgeschafft hat, muss Öcalan eine verschärfte lebenslange Freiheitsstrafe absitzen, ohne jegliche Aussicht auf vorzeitige Entlassung. Laut dem EGMR müssen lebenslänglich Verurteilte aber zumindest Aussicht auf eine vorzeitige Haftentlassung haben, das sogenannte Recht auf Hoffnung. Das Ministerkomitee des Europarats hat Ankara in den letzten Jahren mehrfach ermahnt, verpflichtende Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs in Sachen Abdullah Öcalan und weiterer Gefangener umzusetzen, zuletzt im vergangenen September. Bisher ist dergleichen aber nicht geschehen. Laut dem Menschenrechtsverein IHD befinden sich in der Türkei mehrere hundert Gefangene seit über 30 Jahren im Gefängnis.
Bakırhan kritisiert Leugnung von Isolation
Tuncer Bakırhan stellte auch die Aussage des Justizministers in Frage, dass es auf der Gefängnisinsel Imrali, auf der Öcalan seit 1999 in politischer Geiselhaft sitzt, keine Isolation gebe. „Glauben wir das? Hat Herr Öcalan in den letzten vier Jahren mit seinem Rechtsbeistand oder seiner Familie gesprochen? Diese Tatsachenleugnung ist eine Schande“, kritisierte Bakırhan und forderte eine klarere Haltung der Regierung zu diesem Thema. Der DEM-Vorsitzende kündigte darüber hinaus an, dass seine Partei beim Justizminister einen Antrag für einen Besuch bei Öcalan noch vor dem kurdischen Neujahrsfest Newroz am 21. März gestellt habe. „Solch eine Begegnung und eine mögliche Botschaft Abdullah Öcalans anlässlich Newroz wäre von großer Bedeutung für die öffentliche Wahrnehmung“, sagte Bakırhan.
Newroz-Botschaft wäre wertvoll für Frieden
„Jede positive Botschaft für den Frieden, unabhängig von ihrer Form, ist wichtig. Wir verfolgen diesen Prozess aufmerksam und halten eine Botschaft zu Newroz für wertvoll“, erklärte er. Die Öffentlichkeit warte gespannt darauf, wie sich Öcalan nach seinem „Aufruf zu Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ Ende Februar und zur aktuellen Lage äußern werde. Eine Newroz-Botschaft würde daher „mit Sicherheit“ eine entscheidende Bedeutung für die kurdische Bevölkerung und die politische Landschaft in der Türkei haben.