Tunç: Keine Sonderregelungen für Öcalan
In der Türkei werden schon länger Forderungen nach einer Video-Botschaft des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan anlässlich des kurdischen Neujahrsfests Newroz laut. Der türkische Justizminister Yılmaz Tunç hat eine solche Möglichkeit nun ausgeschlossen.
Bei einem Pressegespräch in Ankara erklärte Tunç am Dienstag, dass das geltende Strafvollzugsrecht keine Videobotschaften oder Live-Übertragungen von Gefangenen an die Öffentlichkeit erlaube. „Unsere Gesetze sehen vor, dass Häftlinge unter bestimmten Bedingungen Briefe schreiben und telefonieren können. Eine Kommunikation über Video oder eine Live-Verbindung ist jedoch nicht vorgesehen“, betonte Tunç. Eine schriftliche Botschaft hingegen sei möglich. Sollte ein entsprechender Antrag gestellt werden, würde er entsprechend geprüft.
Keine Sonderregelungen für Öcalan
In Bezug auf die Haftbedingungen auf der Gefängnisinsel Imrali, auf der sich Öcalan seit seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung aus Kenia im Jahr 1999 in politischer Geiselhaft befindet, behauptete der Justizminister, es gäbe keine Isolationshaft. „Es gibt keine Sonderregelungen für einzelne Häftlinge. Die Haftbedingungen, einschließlich Versorgung und Unterbringung, entsprechen den gesetzlichen Vorgaben“, so Tunç.
Debatte um „Recht auf Hoffnung“ und schwerkranke Gefangene
Tunç äußerte sich auch zur Diskussion um das sogenannte Recht auf Hoffnung, das sich auf die Möglichkeit einer Begnadigung oder vorzeitigen Entlassung von Gefangenen mit lebenslanger Haft bezieht. Laut dem AKP-Politiker sei nicht vorgesehen, dass ein solches Recht in der türkischen Gesetzgebung verankert wird. Für lebenslängliche Freiheitsstrafen gelte eine Mindesthaftdauer von 24 Jahren und für verschärfte lebenslange Haftstrafen von 30 Jahren. Für Strafen, die aus Todesurteilen in lebenslange Haft umgewandelt wurden, sei hingegen keine bedingte Entlassung vorgesehen, so Tunç.
Auch die Situation schwerkranker Gefangener wurde angesprochen. Der Minister erklärte, die Regierung hätte sich das Ziel gesetzt, dass niemand im Gefängnis sterben soll, und arbeite an einer entsprechenden Regelung. Dies solle jedoch nicht als allgemeine Amnestie verstanden werden. Diskussionen über eine mögliche Sonderregelung im Zusammenhang mit COVID-19 etwa hätten in der Vergangenheit zu Missverständnissen geführt, sagte Tunç.
Öcalan-Video bleibt unter Verschluss
Zur Veröffentlichung eines Videos, das Ende Februar bei einem Besuch der Imrali-Delegation der DEM-Partei bei Öcalan entstanden war – der „Aufruf zu Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ wurde von staatlicher Seite aufgezeichnet – erklärte Tunç, dass es sich dabei um eine „Aufzeichnung aus Sicherheitsgründen und für geheimdienstliche Aktivitäten“ handele. Eine Veröffentlichung sei nicht geplant.
Recht auf Hoffnung
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat schon 2014 festgestellt, dass die Türkei mit der Verhängung einer nicht reduzierbaren lebenslangen Freiheitsstrafe gegen Abdullah Öcalan und weitere Gefangene gegen das Verbot einer unmenschlichen und erniedrigen Behandlung und damit gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen hat. Öcalan, der 1978 die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gründete, war im Juni 1999, nur vier Monate nach seiner Verschleppung in die Türkei, wegen „Hochverrats“ zum Tode verurteilt worden. Da die Türkei 2002 die Todesstrafe abgeschafft hat, muss Öcalan nun eine verschärfte lebenslange Freiheitsstrafe absitzen, ohne jegliche Aussicht auf vorzeitige Entlassung. Laut dem EGMR müssen lebenslänglich Verurteilte aber zumindest Aussicht auf eine vorzeitige Haftentlassung haben, das sogenannte „Recht auf Hoffnung“. Das Ministerkomitee des Europarats hatte der Türkei im September ein weiteres Jahr Zeit gegeben, verpflichtende Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs in Sachen Abdullah Öcalan und weiterer Gefangener umzusetzen. Bisher ist dergleichen aber nicht geschehen.