Seit fast 26 Jahren sitzt der Begründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Abdullah Öcalan unter schwierigsten Bedingungen in türkischer Haft. Knapp 90 Personen des öffentlichen Lebens in verschiedenen Ländern haben daher einen offenen Brief an den Vorsitzenden des Ministerkomitee des Europarates Xavier Bettel gesandt. Darin fordern sie den luxemburgischen Politiker zum Handeln auf. Es brauche konkrete rechtliche, diplomatische und politische Schritte für Öcalans Freilassung, um eine friedliche Lösung für die kurdische Frage zu erreichen.
In dem Brief heißt es: „Am 15. Februar 2025 jährt sich zum 26. Mal die Entführung des kurdischen Volksrepräsentanten Abdullah Öcalan. Seitdem wird er auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali festgehalten. Besuche seiner Familie und seiner Anwälte unterliegen der politischen Willkür der türkischen Regierungen.
Im Jahr 2014 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass Öcalans verschärfte lebenslange Haftstrafe, die die Möglichkeit einer Bewährung ausschließt, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt. Das Gericht empfahl der Türkei, ihre Gesetze zu ändern, um zu gewährleisten, dass die Gefangenen eine Aussicht auf Entlassung haben - das sogenannte Recht auf Hoffnung.
Auf der Sitzung des Ministerkomitees des Europarates vom 17. bis 19. September 2024 drängte das Ministerkomitee des Europarates die Türkei erneut, unverzüglich Schritte zur Einhaltung des EGMR-Urteils von 2014 zu unternehmen. Das Komitee warnte, dass es die Ausarbeitung einer Interims-Entschließung in Betracht ziehen würde, wenn bis zum 20. September 2025 keine Fortschritte erzielt würden.
Seit dem 10. Oktober 2023 haben sich Millionen von Menschen in Kurdistan und auf der ganzen Welt an der Kampagne „Freiheit für Abdullah Öcalan und eine politische Lösung für die kurdische Frage“ beteiligt, um auf die Lage von Herrn Öcalan aufmerksam zu machen und die Aufmerksamkeit der Welt auf den Weg zum Frieden zu lenken. Die politische Bedeutung Öcalans für den türkisch-kurdischen Konflikt kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, und eine Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts, der inzwischen über die Grenzen der Türkei hinausgeht, da das türkische Militär in Nordsyrien und im Nordirak einmarschiert, Gebiete angreift und besetzt, könnte den Frieden auch in den Nahen Osten bringen.
Neben 69 Nobelpreisträger:innen haben 1.500 Anwält:innen aus aller Welt, Menschen verschiedener Disziplinen, Gewerkschaften, soziale Bewegungen, politische Parteien, gewählte Mandatsträger:innen, Kunstschaffende, Intellektuelle, Aktivist:innen sowie Millionen von Kurd:innen und ihre Unterstützer:innen an den Europarat und den Präsidenten der Republik Türkei appelliert, die Isolationshaft von Herrn Öcalan zu beenden und ihn freizulassen. Darüber hinaus haben sich zahlreiche internationale Netzwerke gegründet, um sich für seine Freilassung einzusetzen, und ihre Bemühungen dauern bis heute an.
Die Tatsache, dass eine Delegation der DEM-Partei aufgrund des Drucks des Europarats und globaler politischer und zivilgesellschaftlicher Organisationen nun eingeschränkte Erlaubnis erhalten, Herrn Öcalan im Gefängnis zu besuchen, mag eine positive Entwicklung sein. Dennoch ist Herr Öcalan immer noch ein politischer Gefangener, der unter Missachtung verschiedener Gesetze und Menschenrechtskonventionen festgehalten wird. Die gegenwärtige Situation zeigt, wie wenig die türkische Führung und Regierung an den Frieden glauben, und wie sehr die Aussage von Nelson Mandela, dass „nur ein freier Mann verhandeln kann“, zutreffend ist. Angesichts der jüngsten Entwicklungen ist es nun an der Zeit, dass das Ministerkomitee eine proaktive Haltung einnimmt, um eine endgültige Lösung für dieses Problem zu finden. Herr Öcalan hat seine Bereitschaft zu einer friedlichen Lösung trotz der ungleichen Bedingungen zum Ausdruck gebracht. Der kurdische Vordenker Abdullah Öcalan muss die Möglichkeit erhalten, sich mit seinen Anwälten und seiner Familie zu treffen und schließlich unter Bedingungen freigelassen werden, die es ihm ermöglichen, eine Rolle bei der Suche nach einer gerechten und demokratischen politischen Lösung für die jahrzehntelange kurdische Frage in der Türkei zu spielen.
Es ist nun Aufgabe des Ministerkomitees, konkrete rechtliche, diplomatische und politische Schritte zur Freilassung von Herrn Öcalan zu unternehmen, um eine friedliche politische Lösung der kurdischen Frage zu erreichen.“
Absenderin des Briefs: Kariane Westrheim
Der Brief an Xavir Bettel wurde für das Netzwerk „Freiheit für Abdullah Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage“ sowie die Nobel-Initiative für Öcalan von Kariane Westrheim verfasst und versandt. Die Norwegerin ist emeritierte Professorin für Erziehungswissenschaften, Vorstandsmitglied der Menschenrechtsstiftung Rafto sowie Vorsitzende der EU Turkey Civic Commission (EUTCC). Die Liste der Unterzeichner:innen des Briefes, darunter auch Persönlichkeiten aus Deutschland, kann auf der folgenden Webseite eingesehen werden: https://anfenglishmobile.com/news/international-personalities-urge-the-committee-of-ministers-to-take-action-for-the-release-of-Ocalan-77544