CPT-Delegation inspiziert Imrali

Das Antifolterkomitee des Europarates hat einen Ad-hoc-Besuch in der Türkei absolviert. Unter den inspizierten Hafteinrichtungen befindet sich auch das Inselgefängnis Imrali, in dem Abdullah Öcalan seit 1999 als politische Geisel festgehalten wird.

Das Antifolterkomitee des Europarates (CPT) hat im September einen Ad-hoc-Besuch in der Türkei absolviert. Das gab die Einrichtung am Montag auf ihrer Internetseite bekannt. Demnach wurden in der Zeit vom 20. bis 29. September mehrere Haftanstalten von einer fünfköpfigen Delegation des CPT inspiziert, unter anderem auch das Hochsicherheitsgefängnis Imrali im Marmarameer. Das Inselgefängnis bei Bursa beherbergt nur vier Gefangene – der wohl bekannteste von ihnen ist Abdullah Öcalan, Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung. Der 73-Jährige wird seit seiner Verschleppung 1999 in die Türkei auf Imrali in politischer Geiselhaft gehalten.

Hauptziel des CPT-Besuchs in der Türkei war es, die Behandlung von Personen mit fremder Staatszugehörigkeit, die nach dem türkischen Ausländerrecht inhaftiert sind, zu untersuchen. Ein Augenmerk galt hierbei den Bestimmungen und dem Vollzugsverlauf in Abschiebungshaftverfahren, erklärte das Komitee. In diesem Rahmen wurden Haftzentren in Edirne, Istanbul und Dîlok (tr. Gaziantep) inspiziert, aber auch Zweigstellen des Istanbuler Dezernats für die Bekämpfung von Menschenhandel sowie das Transitzentrum des Flughafens der Bosporus-Metropole. In den genannten Einrichtungen werden vor allem Migrant:innen festgehalten.

Bei der Inspektion im Imrali-Gefängnis ging es nach CPT-Angaben darum, die allgemeine Behandlung und Haftbedingungen von Abdullah Öcalan und seinen Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş zu überprüfen. „In diesem Zusammenhang wurde den Gemeinschaftsaktivitäten, die den Gefangenen angeboten werden, und ihren Kontakten mit der Außenwelt besondere Aufmerksamkeit geschenkt“, so das Komitee.

Letzter Anwaltsbesuch über drei Jahre her

Abdullah Öcalan und seine drei Mitgefangenen werden seit Jahren in Totalisolation gehalten. Seit 2019 gilt auf Imrali wieder ein striktes Anwaltsverbot, der letzte Besuch des Verteidigungsteams von Öcalan fand im August 2019 statt. Konar, Yıldırım und Aktaş haben seit ihrer Verlegung in das Inselgefängnis 2015 noch nie von ihrem Recht auf anwaltliche Vertretung Gebrauch machen können. Ein letztes Lebenszeichen aus Imrali gab es in Form eines Telefonats Öcalans mit seinem Bruder im März 2021, das aus unbekannten Gründen nach wenigen Minuten abbrach. Die Istanbuler Anwaltskanzlei Asrin, die alle vier Imrali-Gefangenen vertritt, stellt zwar regelmäßig Besuchsanträge, um ihre Mandanten zu sehen. Die türkischen Behörden lehnen diese Ersuchen jedoch ab oder ignorieren sie. Ähnlich verhält es sich bei Besuchsanträgen von Familienangehörigen. Seit Juni haben etwa 2000 Anwältinnen und Anwälte aus Dutzenden Ländern beim türkischen Justizministerium eine Erlaubnis für einen Besuch bei Abdullah Öcalan beantragt, um die Isolation auf Imrali zu durchbrechen. Auf diese Initiativen folgten ebenfalls keine Reaktionen.

Gespräche mit Staatsvertretern, Militär und Küstenwache

Die Delegation des CPT traf im Rahmen des Ad-hoc-Besuchs in der Türkei auch mit Staatsvertretern zusammen, darunter mit dem Innenminister, dem Leiter der Migrationsbehörde sowie hochrangigen Verantwortlichen von Gendarmerie und Küstenwache. Auch seien Gespräche mit dem stellvertretenden Justizminister und dem Generaldirektor für Gefängnisse und Haftanstalten sowie mit anderen Beamten des Justiz- und des Außenministeriums geführt worden, unter anderem zur Umsetzung der seit Langem bestehenden Empfehlungen des CPT zum Imralı-Gefängnis. Darüber hinaus sprach die Delegation mit dem Präsidenten der türkischen Menschenrechts- und Gleichstellungsbehörde und mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, „die in Bereichen tätig sind, die dem CPT am Herzen liegen.“ Am Ende des Besuchs legte die Delegation den türkischen Behörden ihre vorläufigen Beobachtungen vor. Nähere Angaben machte das Gremium nicht.

Funktion des CPT

Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) ist ein Mechanismus, das Hafteinrichtungen besucht, um zu prüfen, wie Menschen behandelt werden, denen die Freiheit entzogen ist. Beispiele für solche Einrichtungen sind Gefängnisse, Jugendhaftanstalten, Polizeireviere, Abschiebehafteinrichtungen und psychiatrische Kliniken.

Delegationen des CPT haben – als einzige – unbeschränkten Zugang zu diesen Hafteinrichtungen, einschließlich des Rechts, sich innerhalb dieser Orte ungehindert zu bewegen. Sie befragen Personen, denen die Freiheit entzogen ist, ohne Zeugen und können sich ungehindert mit jeder Person in Verbindung setzen, die ihnen sachdienliche Auskünfte geben kann. Nach jedem Besuch übermittelt das CPT einen detaillierten Bericht an den betroffenen Staat. Dieser Bericht beinhaltet die festgestellten Tatsachen, sowie Empfehlungen, Kommentare und Auskunftsersuche. Das CPT fordert darüber hinaus die Regierung auf, eine ausführliche Antwort auf seinen Bericht zu übermitteln. Die Berichte und Antworten sind die zentralen Elemente für einen kontinuierlichen Dialog mit dem betroffenen Staat. Das Komitee ist daher in erster Linie dafür verantwortlich, Probleme wie die Isolationsfolter zu lösen.

Seit Abdullah Öcalan auf Imrali inhaftiert ist, hat das CPT zehn Besuche in dem Hochsicherheitsgefängnis durchgeführt, zuletzt im Mai 2019. Erst knapp eineinhalb Jahre später wurde der dazugehörige Bericht veröffentlicht. Darin hat das CPT die türkischen Behörden nachdrücklich auffordert, den Gefangenen auf Imrali Besuche von ihren Angehörigen und Anwält:innen zu ermöglichen. Zu diesem Zweck sollte der Praxis ein Ende gesetzt werden, Familienbesuche aus „disziplinarischen" Gründen zu verbieten. Zudem forderte das CPT die türkischen Behörden auf, monatlich einen Bericht über erfolgte Besuche vorzulegen. Bisher ist dergleichen nicht geschehen.