Rote Karte für Faschisten
Der „Wolfsgruß“ eines türkischen Nationalspielers bei der Fußball-Europameisterschaft sorgt weiter für Kritik. Die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert nun erneut ein Verbot der „Grauen Wölfe“, deren Symbolik die Geste ist. Die Hamburger Landesregierung solle sich auf Bundesebene für die Einleitung eines Verbotsverfahren gegen die Grauen Wölfe und ihre Vereinigungen einsetzen und das Zeigen ihrer Symbole unter Strafe stellen, forderte die Linke am Freitag in einem Antrag an den Senat. „Zudem muss die Waffenbehörde angewiesen werden, Mitglieder der Grauen Wölfe zu entwaffnen.“
Als „Graue Wölfe“ werden die Anhänger der faschistischen „Ülkücü-Bewegung“ (zu Deutsch: „Idealisten“) bezeichnet. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamistischen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Ihr Erkennungszeichen ist der sogenannte Wolfsgruß – zwei Finger als Ohren abgespreizt und die anderen drei zur Schnauze geformt. Er drückt in der Regel die Zugehörigkeit und das Sympathisieren mit der Bewegung und ihrer Ideologie aus. Diese Geste hatte der türkische Nationalkicker Merih Demiral am Dienstag beim 2:1 im Achtelfinale gegen Österreich nach seinem zweiten Treffer mit beiden Händen gezeigt.
Vorwurf an Faeser: „Unerträgliche Hinhaltetaktik“
Bundesweit war die Empörung groß. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte von der UEFA Konsequenzen (Demiral wurde inzwischen für zwei Spiele gesperrt). Cansu Özdemir, die Ko-Vorsitzende der Hamburger Linksfraktion ist, reicht das nicht. Sie wirft Faeser eine „unerträgliche Hinhaltetaktik“ vor. „Die Bundesinnenministerin verkennt, dass nicht nur die UEFA, sondern auch sie selbst in der Verantwortung ist“, sagte die Tochter kurdischer Eltern, die selbst schon Morddrohungen von türkischen „Idealisten“ erhielt. Faeser könne und müsse endlich handeln. Seit fast vier Jahren werde bereits ein Verbot der Grauen Wölfe in Deutschland verschleppt, kritisierte Özdemir. Das mache es erst möglich, dass ein türkischer Nationalspieler vor einem Millionenpublikum den „Wolfsgruß“ zeigen kann, ohne juristische Konsequenzen befürchten zu müssen.
Bundesregierung ignoriert Gefahr durch Graue Wölfe
Die „Ülkücü-Bewegung“ ist eine ultrafaschistische Bewegung, die als Feindbilder Armenier:innen, Kurd:innen, Jüd:innen, Ezid:innen, Alevit:innen, Christ:innen, Griech:innen und linke Türk:innen auserkoren hat. „Ihr Hass und ihre Gewalt richtet sich auch gegen queere Personen und feministische Bewegungen“, heißt es in dem Antrag der Hamburgischen Linksfraktion an den Senat. Sie seien verantwortlich für Hunderte politischer Morde in der Türkei, aber auch für Morde in Deutschland und Europa und für die Verfolgung der genannten Oppositionellen. In Deutschland etwa konnten die Täter, die 1993 am anti-alevitischen Pogrom in Sivas beteiligt waren, bei dem 35 Menschen ums Leben kamen, jahrelang völlig unbehelligt leben. Durch ihre ultranationalistische und faschistische Positionierung würden die „Grauen Wölfe” aber auch den ideologischen Nährboden für Dschihadist:innen in Deutschland bieten. Dennoch werde die Gefahr, die von dieser Bewegung ausgeht, von der Bundesregierung „komplett ignoriert“, betonte Özdemir.
Ableger in Deutschland unter Beobachtung
Die Ableger der „Grauen Wölfe“ in Deutschland – die „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.“ (ADÜTDF ), die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V.“ (ATİB ) und die „Föderation der Weltordnung in Europa“ – werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Der stuft die Gruppierung als eine „erhebliche Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung“ ein. Der Ideologie der „Ülkücü“-Bewegung wird im Verfassungsschutzbericht 2023 ein „übersteigerter Nationalismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ wie Rassismus und Antisemitismus attestiert. Mit mehr als 12.000 Anhängern, teilweise bewaffnet, ist sie eine der größten rechtsextremen Gruppen in Deutschland – die durch das AKP/MHP-Bündnis weiter gestärkt und vor allem radikalisiert wird. Und dieses Phänomen geht einher mit einer stärkeren Verfolgung und Einschüchterung von Kritiker:innen des türkischen Präsidenten Erdoğan, betonte auch Özdemir. Sie sagte: „Es reicht, wir dürfen nicht länger schweigen, es muss dringend Konsequenzen geben - auf Bundesebene sowie auf der Hamburger Landesebene.“ Denn die Grauen Wölfe heulten auch in Hamburg – mit eigenem Verein, eigenem Netzwerk, eigenen politischen Aktivitäten. Die Linksfraktion fordert daher eine dringende Prüfung, welche Vereinsstrukturen nach dem Vereinsgesetz verboten werden können und dann auch entsprechende Verbotsverfahren.“