Türkische Fußball-Ultras haben Fans aufgefordert, im Berliner Olympiastadion beim EM-Viertelfinale Türkei - Niederlande den faschistischen „Wolfsgruß“ zu zeigen. Alle Anhänger auf der Tribüne seien eingeladen, die Geste während der Nationalhymne zu machen, hieß es in einem auf Onlinenetzwerken verbreiteten Aufruf.
Der türkische Nationalspieler Merih Demiral hatte sein zweites Tor im EM-Achtelfinale gegen Österreich mit der umstrittenen Geste der rechtsextremen und ultranationalistischen Bewegung „Graue Wölfe“ gezeigt und dazu in den sozialen Medien auch noch ein Bild mit seinem „Torjubel“ veröffentlicht. Die UEFA hatte in der Folge eine Untersuchung aufgrund eines „mutmaßlich unangemessenen Verhaltens“ eingeleitet. Wie die „Bild" am Donnerstagabend berichtete, wurde Demiral offenbar für zwei Spiele gesperrt.
Während der EM sind politische Botschaften verboten, sowohl auf dem Spielfeld als auch auf der Tribüne. Bestätigt sich die Sperre für Demiral, fehlt der Abwehrspieler im Viertelfinale am Samstag gegen die Niederlande und bei einem Weiterkommen der Türkei auch im möglichen Halbfinale. Von der UEFA gab es noch keine Reaktion auf die Meldung der „Sport Bild“. Der türkische Fußballverband sprach indes von einer Falschmeldung. Bis zum Freitagmorgen hätte man Zeit, das Verteidigungs-Plädoyer einzureichen.
Politischer Eklat nach Wolfsgruß
Der Wolfsgruß auf dem Rasen löste einen politischen Konflikt zwischen Deutschland und der Türkei aus, die Botschafter beider Länder wurden einbestellt. Das türkische Außenministerium bezeichnete die UEFA-Untersuchung gegen Demiral als inakzeptabel und warf der Bundesregierung „Fremdenfeindlichkeit“ vor, nachdem Innenministerin Nancy Faeser den Verband zu entsprechenden Schritten aufgefordert hatte und es als „völlig inakzeptabel“ bezeichnete, die Fußball-Europameisterschaft als „Plattform für Rassismus“ zu nutzen. Zahlreiche Organisationen, NGOs und Parteien forderten die SPD-Politikerin auf, ein Verbot der „Grauen Wölfe“ zu prüfen.
Handzeichen der „Grauen Wölfe“
Der Wolfsgruß ist ein Handzeichen und Symbol der Bewegung „Graue Wölfe“, auch Ülkücü – Idealisten – genannt. Es handelt sich um eine rechtsextreme und rassistische Organisation, die in den 1960er Jahren von Hitler-Verehrer Alparslan Türkeş gegründet wurde und bis in die 1990er hunderte politische Morde an Kurd:innen, Alevit:innen, Linken, Sozialist:innen und Gewerkschafter:innen in der Türkei verübte. Sie steht für eine rassistisch-nationalistische Ideologie, die von der historischen und moralischen Überlegenheit der Turkvölker ausgeht und Abweichungen davon diskriminiert. Zu der Bewegung zählt die ultranationalistische Partei MHP, die Regierungspartnerin von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und seiner islamistischen AKP ist.
Die Ableger der „Grauen Wölfe“ in Deutschland werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Der stuft die Gruppierung als eine „erhebliche Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ ein. Der Ideologie der „Ülkücü“-Bewegung wird im Verfassungsschutzbericht 2023 ein „übersteigerter Nationalismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ wie Rassismus und Antisemitismus attestiert. Mit mehr als 12.000 Anhänger:innen ist sie eine der größten rechtsextremen Gruppen in Deutschland.
Polizei: „Nonplusultra-Hochrisikospiel“
Die Gewerkschaft der Berliner Polizei stufte das EM-Viertelfinale zwischen der Türkei und den Niederlanden derweil als „Nonplusultra-Hochrisikospiel“ ein. „Beim Blick auf die große türkische Community in unserer Stadt verstärken sich die Sorgen bei der Einsatzbewältigung nochmal zusätzlich“, sagte Gewerkschaftssprecher Benjamin Jendro dem Nachrichtenportal watson. Er nannte die Partie in diesem Zusammenhang ein „Nonplusultra-Hochrisikospiel“. Rund 3.000 Beamt:innen würden rund um das Spiel im Einsatz sein. „Es wird alles in den Dienst alarmiert, was irgendwie möglich ist, und wir hoffen natürlich auf Unterstützung von Bund und Ländern“, sagte Jendro.
„Bei uns gilt der Wolfsgruß als rechtsextremes Symbol“
Das Einsatzgebiet beschränke sich nicht nur auf die „vier Hotspots“ am Olympiastadion, Fanmeile und die Fantreffs am Breitscheidplatz und Hammerskjöldplatz, „sondern eben auch über den Ku’damm, Neukölln, Kreuzberg, wo Fußballfans auf die Straße gehen oder eben fahren werden“. Der Erdoğan-Besuch ändere an der Einsatzplanung nichts. Man erwarte, dass er sich an den „rechtsstaatlichen Rahmen“ halte, sagte Jendro und ergänzte: „Bei uns gilt der Wolfsgruß als rechtsextremes Symbol.“
Demiral leugnet, Fußball-Ultras wollen Straßen voller Türken
Merih Demiral selbst leugnete auf der Pressekonferenz nach dem Spiel, dass der Wolfsgruß ein Handzeichen der „Grauen Wölfe“ ist und behauptete, es sei nur ein Ausdruck seiner türkischen Identität. Auch die türkische Ultra-Gruppierung gab vor, der Wolfsgruß sei nicht rassistisch zu verstehen, sondern „das nationale Symbol des Türkentums“. Sie forderte Fans zudem auf, Aufmärsche rund um das Berliner Olympiastadion zu organisieren, damit alle Straßen der deutschen Hauptstadt „türkisch werden“.