Gedenken an Sara, Rojbîn und Ronahî in Jena und Halle

In Jena haben Aktivistinnen an verschiedenen Orten in der Innenstadt Kerzen und Gedenkzettel für Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez niedergelegt, um ihrer zu erinnern. Auch in Halle (Saale) wurde den Revolutionärinnen gedacht.

Die vom türkischen Geheimdienst am 9. Januar 2013 in Paris ermordeten Revolutionärinnen Sakine Cansız (Sara), Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî) sind unvergessen. Weltweit ist den drei Kurdinnen am Wochenende aus Anlass des neunten Jahrestages ihrer Ermordung gedacht worden und Frankreich wurde aufgefordert, den Weg zu Gerechtigkeit nicht länger zu blockieren. Obwohl zahlreiche Erkenntnisse belegen, dass der Befehl für die tödlichen Schüsse auf die drei Frauen aus Ankara kam, stockt das in Frankreich wieder aufgenommene Verfahren auf politischen Druck. Die Informationen sind als Staatsgeheimnis eingestuft worden.

In Jena versammelten sich Aktivistinnen am Sonntag und legten an acht verschiedenen Orten in der Innenstadt Kerzen und Gedenkzettel für Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez nieder, um das Schweigen zu brechen und zu erinnern. Bei jeder Station wurde etwas aus dem Leben der Revolutionärinnen miteinander geteilt. Eine Aktivistin sagte dazu: „Es war ein nasser und trüber Tag, aber die Worte, die wir über die Gefallenen gehört haben, haben uns von innen gewärmt.“

Veranstaltung in Halle

In Halle (Saale) kamen trotz Regen und Kälte mehr als 70 Menschen auf dem Markt zusammen, um gemeinsam zu gedenken. Organisiert wurde die Kundgebung vom Rojava-Solibündnis Halle. Mit einem Redebeitrag machten die Aktivist:innen deutlich:

„Sakine Cansız, Fidan Doğan, Leyla Şaylemez

Dies sind die Namen der Frauen, welche heute vor neun Jahren in Paris ermordet wurden. Wir haben uns heute hier versammelt, um diesen Persönlichkeiten des kurdischen Befreiungskampfes zu gedenken. Wir sind traurig. Wir sind wütend. Traurig sind wir, weil uns drei strahlende, inspirierende Frauen genommen worden sind. Wütend sind wir, weil dieses entsetzliche Verbrechen im Herzen Europas möglich war. Weil unserem allzu demokratischen Vater Staat nichts an der Aufklärung dieser Verbrechen liegt. […] Der heutige Tag gilt voll und ganz den drei kurdischen Frauen, die sich dem Kampf für Rojava und damit dem Versuch einer besseren Gesellschaft hingegeben haben. […]

Alle drei waren mutige Menschen die für die Befreiung der Frauen und des kurdischen Volkes gekämpft haben. Ihr Tod war kein Versehen: Ihr Tod beruhte auch auf keiner persönlichen Fehde oder ‚innerparteilicher Abrechnungen der PKK‘, wie es erst ein Sprecher der AKP-Regierung und später neben Erdogan auch europaweite Medien erzählten. Sie wurden gezielt erschossen von einem verdeckten Ultranationalisten, der seine Tat vom MIT, dem türkischen Geheimdienst, vordiktiert bekam. […] Statt die Morde zu verurteilen und konsequent aufzuklären ist die EU lieber damit beschäftigt, weiter zu diskutieren, ob die Türkei EU-Mitglied wird oder nicht. Wie weltfremd kann man sein? Dass die EU keine Wertegemeinschaft ist, sollte uns allen klar sein, aber der türkische Staat hat den Boden der Demokratie schon längst verlassen. Verhaftungen von Journalist:innen, Verhaftungen von Studierenden, Scheinputsch zur Staatslegitimation, die andauernde Bombardierung von kurdischen Gebieten, Einsatz chemischer Waffen. Die Türkei schreckt vor keinem noch so grausamen Mittel zurück. Obwohl die letzte Offensive in den Gare-Bergen ein Desaster für die Türkei gewesen ist, stehen die Pläne für eine neue Offensive bereits.

Mehr als einen tadelnden Zeigefinger haben europäische Politiker:innen da nicht entgegenzusetzen, man möchte es sich schließlich nicht mit seinem Puffer gegen die asylsuchenden Geflüchteten verspielen. Und es ist nicht nur das Verschließen der Augen vor den faschistischen Tendenzen in der Türkei, es sind deutsche Panzer, die in Rojava einrollen, deutsche Drohnen, die in den Bergen gezielt Menschen erschießen. Deutschland ist wichtigster Handelspartner und größter ausländischer Investor in der Türkei. Wer die Türkei kritisiert, darf vor deutscher Mittäterschaft nicht schweigen!

Wir sind traurig, weil diese drei wunderbaren Frauen viel zu früh aus dem Leben gerissen wurden. Trotzdem darf unsere Trauer uns nicht lähmen. Wir werden nicht ruhen, bis den Hintermännern des Mordes das Handwerk gelegt ist!“

Dieser Redebeitrag wurde durch Redebeiträge aus Leipzig, Jena und der kurdischen Community ergänzt. Ein besonderes Augenmerk lag dabei darauf, an Leyla Şaylemez zu erinnern, die in Halle (Saale) lebte. Sie wurde als entschlossene Frau beschrieben. „Weder in der Türkei, noch in Deutschland wurde ihr Kurdischsein anerkannt und sie war auf der Suche nach ihrer Identität und nach Freiheit“, hieß es.

Neben Sara, Rojbîn und Ronahî wurde auch an weitere getötete kurdische Frauen und Rosa Luxemburg erinnert, die im Januar 1919 zusammen mit Karl Liebknecht von Freikorps-Soldaten ermordet wurde. Zwischen den Redebeiträgen wurde Musik gespielt und Parolen gerufen. Immer wieder tönte „Şehîd namirin“ (Gefallene sind unsterblich) und „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frauen, Leben, Freiheit) über den Marktplatz in Halle. Es wurden Flugblätter verteilt, um die Passant:innen über die Ermordung der drei Revolutionärinnen zu informieren. Beendet wurde die Kundgebung mit einer Schweigeminute. Anschließend zündeten die Teilnehmenden Kerzen an und legten Blume nieder.