Früherer Ditib-Vorsitzender wegen Volksverhetzung angeklagt

Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat Anklage gegen den früheren Göttinger Ditib-Vorsitzenden Mustafa Keskin erhoben. Der Ex-Stadtvorsitzende des Moscheeverbands soll Hassbotschaften gegen armenische und jüdische Menschen verbreitet haben.

Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat Anklage gegen den früheren Göttinger Ditib-Vorsitzenden Mustafa Keskin erhoben. Sie wirft dem ehemaligen Funktionär des Moscheeverbands Volksverhetzung in vier Fällen sowie das Billigen von Straftaten in einem Fall vor, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Andreas Buick, am Mittwoch.

Keskin soll zwischen Mai 2015 und Februar dieses Jahres insgesamt vier Nachrichten auf Facebook und WhatsApp verbreitet haben, die Beleidigungen von Armenier:innen und Personen jüdischen Glaubens sowie Verschwörungsmythen enthalten. Das Billigen von Straftaten bezieht sich auf einen Beitrag, in dem Papst Franziskus und der türkische Rechtsextremist Mehmet Ali Agca zu sehen sind, der 1981 bei einem Attentat Johannes Paul II. schwer verletzt hatte. Weil Franziskus den Völkermord an den Armenier:innen als historische Realität anerkenne, müsse sich dieser nicht wundern, wenn man ihm in den Kopf schießt, heißt es in dem Beitrag sinngemäß.

Die Ermittlungen ins Rollen brachte die linke Jugendorganisation Sozialistische Jugend Deutschlands (SDJ) / Die Falken. Hintergrund der Recherche war ein Antrag der Ditib-Jugend auf Vollmitgliedschaft im Landesjugendring. Als die Ergebnisse öffentlicht gemacht wurden, sind die Postings von Keskin aus dem Türkischen übersetzt worden, wie Buick sagte. Der 53-Jährige war im März, als die Ermittlungen begannen, von seinem Posten zurückgetreten. Nach Medienberichten bestreitet Keskin die Antisemitismus-Vorwürfe. Er habe nur die israelische Politik kritisieren wollen.

Keskin in interreligiösen Arbeitskreisen

Die Göttinger „Falken“ hatten damals auf die Janusköpfigkeit von Keskins Auftreten hingewiesen. Der Ditib-Funktionär habe sich in interreligiösen Arbeitskreisen in Göttingen als offen und tolerant ausgegeben, während er im Digitalen antisemitische und rassistische Hassbotschaften verbreitet habe. In der Mitteilung vom 5. Februar heißt es: „Keskins aktuelles Whats-App-Profil zeigt ein Bild, das Donald Trump und Joe Biden als ‚alte‘ bzw. ‚neue‘ Marionette des Investmentbankers und im Bild als ‚Puppet Master‘ bezeichneten Jacob Rothschild darstellt. Die Familie Rothschild fungiert in antisemitischen Verschwörungsmythen und Weltbildern seit langer Zeit als Platzhalter für ‚die Juden‘, die über die Finanzmärkte die Regierungen und die Welt beherrschen würden.

Falken: Türkisch-nationalistischer Grundtenor und positiver Bezug auf Groß-Osmanentum

Auf einer seiner Facebook-Seite finden sich seit 2013 weitere antisemitische und antiisraelische Posts und Bilder. In einem persönlichen Post werden israelische Soldaten etwa als ‚jüdische Hunde‘ bezeichnet, andere Bilder und Posts suggerieren, dass Juden und Israelis gezielt Kinder töten würden. Darüber hinaus verwendet Keskin wiederholt Erkennungszeichen der islamistischen Muslimbruderschaft. Auch gegenüber Armeniern und Kurden äußert sich Keskin abfällig. Das Ganze vermengt sich mit einem türkisch-nationalistischen Grundtenor und einem positiven Bezug auf ein Groß-Osmanentum. Eine zusätzlich bedrohliche Note bekommt das Ganze dadurch, dass Keskin eine Zeitlang eine Beretta mit Munition als Profilbild nutzte.“

Verlängerter Arm des Erdogan-Regimes

Ditib steht für „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.“ Der Verband ist der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara unterstellt und gilt als verlängerter Arm von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in Deutschland.