Ömer Güneys Komplize ist immer noch bei DITIB aktiv

Ömer Güney, der Auftragsmörder von Paris, hatte enge Verbindungen nach Deutschland. Wie sich herausgestellt hat, ist sein Komplize Ruhi Semen ist weiterhin bei DITIB in Deutschland aktiv.

Am 9. Januar 2013 wurden Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez in Paris ermordet. Der Auftragsmörder Ömer Güney wurde mit kurdischer Hilfe gefasst. Er starb am 17. Dezember 2016, zwei Wochen vor Prozessbeginn, unter dubiosen Umständen in französischer Untersuchungshaft.

Obwohl seit den Morden acht Jahre vergangen sind, ist die Rolle von Ömer Güneys Komplize in Deutschland, Ruhi Semen, immer noch nicht vollständig aufgeklärt. Güney ist 2003 über eine Heirat nach Deutschland gekommen und hat sich in Bad Tölz in Bayern niedergelassen. Seitdem pflegte er engen Kontakt mit Semen. Güney arbeitete bis 2009 in der Kinshofer GmbH, in der Semen als Meister tätig war. Semen war bereits zu diesem Zeitpunkt in der türkisch-faschistischen Szene in Bayern vernetzt und arbeitete für diverse Einrichtungen des AKP-Regimes in Deutschland. Unter anderem beteiligte er sich am Aufbau türkisch-nationalistischer Gruppen in Bayern.

Güneys einziger Besucher im Gefängnis

Ende Januar 2013, als die Identität Güneys bekannt wurde, wiesen Arbeitskollegen gegenüber ANF auf die enge Verbindung zwischen Güney und Semen hin. Trotzdem ermittelten weder deutsche noch französische Behörden gegen Semen. Er war später der einzige Besucher von Ömer Güney im Gefängnis.

Semen sollte Güneys Fluchtplan an den MIT weiterleiten

Ruhi Semen beantragte im November 2013 beim französischen Richter eine Besuchserlaubnis und begründete diese mit der Tatsache, dass er ein enger Freund des Mordverdächtigen sei und ihn sehen wolle. Bis dahin hatten nicht einmal Familienangehörige Güney besucht. Die Besuchsgenehmigung wurde bewusst genehmigt und das Gespräch wurde abgehört. Güney gab seinen Fluchtplan an Semen weiter, dieser sollte an den MIT weitergeleitet werden. Der Plan scheiterte an der Aufmerksamkeit der französischen Sicherheitskräfte.

Nach Jahren wieder aufgetaucht

Obwohl festgestellt wurde, dass Semen bei seinem Gespräch am 4. Januar 2014 für Güney als Kurier zum MIT tätig war, wurde weiterhin kein Ermittlungsverfahren in Deutschland eingeleitet und Ruhi Semen konnte sich ohne Probleme in die Türkei zurückziehen. Anlässlich des Jahrestages der Morde von Paris angestellte ANF-Recherchen haben ergeben, dass Semen Jahre später nach Deutschland nach Deutschland zurückgekehrt ist und weiter für DITIB, die eng mit dem MIT verbundene Vertretung der türkischen Religionsbehörde DIYANET in Deutschland, tätig ist.

Semen war lange Jahre in der DITIB-Moschee und dem angebundenen Verein in Miesbach aktiv. Miesbach liegt in der Nähe von Bad Tölz. Auf einem ANF vorliegenden Foto ist Semen auf einer DITIB-Veranstaltung im Sommer 2013 mit einem DITIB-Funktionär zu sehen. Auffällig ist die vertraute Pose der beiden. Semen ist im Sommer 2020 aus der Türkei zurück nach Deutschland gekommen und wieder für DITIB aktiv.

Beileidsbekundung für Semen von DITIB

Wurde Güney in Bayern als Attentäter ausgebildet?

Semen postet häufig auf einem Account namens „DITIB Miesbach“ in digitalen Netzwerken. Er ist außerdem als Kassenwart im Vorstand des von türkischen Faschisten durchsetzten Sportvereins „Türkspor Hausham“ tätig. Ömer Güney hat von 2009 bis zu seinem Umzug nach Paris im Jahr 2011 für einen Verein gearbeitet, der zu diesem Club gehört. Schliersee, der letzte Wohnort von Güney in Deutschland, liegt etwa drei Kilometer vom Türkspor-Verein entfernt.

Es wird vermutet, dass Güney während seiner Tätigkeit für diesen Verein von Ruhi Semen und anderen MIT-Mitarbeitern ausgebildet worden ist, um Anschläge gegen kurdische Politiker zu verüben. Die Bundesregierung teilte später in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei mit, dass Güney zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwei Mal von der Polizei kontrolliert worden war. Am 7. November 2005 wurde bei einer Verkehrskontrolle eine nicht zugelassene Waffe, die häufig von Sportschützen benutzt wird, in Güneys Auto gefunden. Am 4. Februar 2011 wurden bei einer erneuten Verkehrskontrolle Tränengas und ein Messer entdeckt.

Wird Semen von Deutschland geschützt?

Es ist auffällig, dass die deutschen Sicherheitsbehörden, die es nicht für notwendig erachteten, gegen Güney zu ermitteln oder ihn zu observieren, auch seinen mutmaßlichen Komplizen Ruhi Semen gewähren lassen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ihm vor seiner Rückkehr nach ungefähr sechs Jahren nach Deutschland die Garantie gegeben wurde, dass trotz seiner belegten Beziehungen zu Güney und des laufenden Verfahrens in Frankreich kein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wird. Möglich ist außerdem, dass die AKP/MHP-Regierung Semen mit neuen Aufträgen nach Deutschland geschickt hat.

DITIB stellt mit seinen fast 900 Moscheen in Deutschland den wichtigsten Teil der türkischen Geheimdienstarbeit in Deutschland. Während die Erdogan-Regierung nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 viele Imame als mutmaßliche Anhänger der Gülen-Gemeinde entlassen hat, wurden in den letzten Jahren speziell ausgesuchte DITIB-Funktionäre und Imame nach Deutschland entsandt. Denn neben dem sogenannten religiösen Dienst ist die wichtigste Aufgabe der Imame die Spionage und Propaganda.

MIT-Aktivitäten werden geduldet

Dass DITIB wie ein Nachrichtendienst für das Erdogan-Regime arbeitet, ist in den letzten Jahren mehrfach belegt worden. Die Imame von DITIB verfügen über einen Beamtenstatus in der Türkei und sind Ankara gegenüber weisungsgebunden. Sie leiten die von ihnen gesammelten Informationen über Oppositionelle über die Konsulate und den Religionsattaché der türkischen Botschaft in Berlin an den MIT weiter. Als 2017 Konflikte zwischen der Merkel-Regierung und dem Erdogan-Regime auftraten, wurden Ermittlungen von der Generalbundesanwaltschaft gegen 19 DITIB-Funktionäre eingeleitet. Das Verfahren wurde später eingestellt.

Zweifelsohne ist die Organisation des MIT in Deutschland nicht auf DITIB beschränkt. Die Bundesrepublik stellt das wichtigste Standbein für den MIT im Ausland dar. Der Geheimdienst organisiert sich über Konsulate, Lobbyorganisationen, Vereine, Banken und Reisebüros. In der Nachrichtensendung „Zoom“, die im vergangenen Juni im ZDF ausgestrahlt wurde, wurde ausführlich über die Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes MIT in Deutschland berichtet und festgestellt, dass 8.000 Personen in Deutschland für den MIT arbeiten.