Initiative gegen Isolation
Der französische Senator Pascal Savoldelli hat beim türkischen Justizministerium einen Antrag auf Erteilung einer Besuchserlaubnis bei Abdullah Öcalan gestellt. Er wolle sich ein persönliches Bild vom Gesundheitszustand des kurdischen Vordenkers und seiner Haftbedingungen im Inselgefängnis Imrali machen, schrieb der Politiker in seinem Ersuchen an das Ministerium, berichtete die Nachrichtenagentur Mezopotamya am Dienstag. In dem Antrag wies Savoldelli demnach auf „schwerwiegende Einschränkungen“ von Öcalans Gefangenenrechten hin, insbesondere im Hinblick auf die seit Jahren andauernde Isolation. Menschenrechtsorganisationen hätten wiederholt von „extrem harten“ Haftzuständen auf Imrali berichtet, die gegen internationale Verträge und Standards für Gefangene verstoßen.
In dem Antrag Savoldellis heißt es: „Abdullah Öcalan war einer der Hauptakteure bei den Friedensverhandlungen zwischen der türkischen Regierung und den Kurden. Während der Friedensgespräche 2013 spielte er die Rolle des Vermittlers und forderte einen Waffenstillstand und ein Ende der Feindseligkeiten. Dennoch haben die Anwälte und die Familie von Abdullah Öcalan seit fünf Jahren keinen persönlichen Kontakt zu ihm – mit Ausnahme eines Telefonats mit einem Angehörigen im März 2021. Dieses Gespräch dauerte nur vier Minuten und wurde mittendrin unterbrochen. Dies gibt Anlass zu großer Besorgnis über Öcalans Grundrechte, insbesondere über sein Recht auf Kommunikation mit seinen Angehörigen und Rechtsvertretern.
Öcalan und seine Katze in Damaskus © Serxwebûn
Im Namen des Völkerrechts, insbesondere des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) und der Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung der Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), bitte ich um Informationen über den Gesundheitszustand und die Haftbedingungen von Abdullah Öcalan. Die Achtung der Menschenrechte, einschließlich des Rechts aller Gefangenen auf Besuche und Kommunikation mit der Außenwelt, ist ein von der internationalen Gemeinschaft anerkanntes Grundprinzip, dem sich auch die Republik Türkei angeschlossen hat. Ich möchte daher von meinem Recht als Parlamentarier Gebrauch machen, Abdullah Öcalan in Anwesenheit seiner Anwälte zu treffen. Diese Initiative fällt in den Rahmen meiner Mission, die Menschenrechte im Einklang mit den Werten und Verpflichtungen des Europarats und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die die Türkei unterzeichnet hat, zu überwachen und zu fördern.“
Pascal Savoldelli ist Politiker der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) und setzt sich seit Jahren für die Aufhebung der Isolationshaft Abdullah Öcalans auf Imrali ein. Er gehört zu den Unterzeichnenden einer Petition, die das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) zum Handeln für den PKK-Begründer auffordert. Der Anfang Juni veröffentlichte Appell war von mehr als 60 Persönlichkeiten aus der französischen Politik, Gewerkschaften, Verbänden und Universitäten unterzeichnet worden. Sie fordern eine Überprüfung der Haftbedingungen Öcalans auf Imrali und die Einräumung seines Rechts auf Besuche. „Dies würde zur Lösung eines menschenrechtlichen Notfalls beitragen und der Sorge von Millionen von Kurdinnen und Kurden entgegenwirken, während es den Geist der Versöhnung erneuert, der für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage in der Türkei notwendig ist“, hieß es in dem Brief.
Völkerrechtswidrig verschleppt
Abdullah Öcalan führte von der Gründung der PKK 1978 bis zu seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung aus Kenias Hauptstadt Nairobi auf die türkische Gefängnisinsel Imrali am 15. Februar 1999 den kurdischen Befreiungskampf an. Er gilt nach wie vor als führender Stratege und wichtigster politischer Repräsentant der kurdischen Freiheitsbewegung. Seine in Isolationshaft verfassten Gefängnisschriften, in denen er den Paradigmenwechsel der PKK von einer nationalen Befreiungspartei hin zu einer radikaldemokratischen, multiethnischen und politisch offenen Basisbewegung für den gesamten Nahen und Mittleren Osten anstieß und die politische Philosophie des Demokratischen Konföderalismus begründete, haben seit 1999 weltweit große Beachtung gefunden. Mehrfach initiierte Öcalan einseitige Waffenstillstände der Guerilla und lieferte konstruktive Vorschläge für eine demokratische und politische Lösung der kurdischen Frage. Der letzte Dialog staatlicher Stellen mit ihm wurde 2015 einseitig von der türkischen Regierung beendet. Seitdem befindet sich Öcalan in nahezu vollständiger Isolation. Schon seit 2011 verwehrt die Regierung seinem Verteidigungsteam einen regelmäßigen und geordneten Zugang auf Imrali. Der letzte Anwaltsbesuch fand 2019 statt. Nach einem kurzen und aus unbekannten Gründen unterbrochenen Telefonat mit seinem Bruder Mehmet Öcalan am 25. März 2021 hatte Abdullah Öcalan gar keinen Kontakt mehr zur Außenwelt.