Öcalan: Appell aus Frankreich fordert CPT zum Handeln auf

Das Antifolterkomitee des Europarates soll die Haftbedingungen des PKK-Gründers Abdullah Öcalan in der Türkei überprüfen. Das fordern 61 Persönlichkeiten aus der französischen Politik und Zivilgesellschaft in einem offenen Brief an das CPT.

Drei Jahre kein Kontakt zu Öcalan

Seit mehr als 25 Jahren sitzt der Begründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Abdullah Öcalan unter entwürdigenden Bedingungen in türkischer Geiselhaft. Am Freitag haben daher 61 Persönlichkeiten aus der französischen Politik, Gewerkschaften, Verbänden und Universitäten das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) in einem offenen Brief zum sofortigen Handeln aufgefordert. Der Einrichtung obliegt die Untersuchung der Haftbedingungen in den Gefängnissen der Mitgliedstaaten des Europarates, darunter der Türkei. Die Unterzeichnenden des Appells bewerten die „unmenschlichen und rechtswidrigen“ Bedingungen, unter denen Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali gefangen gehalten wird, als Isolationshaft. Sie führe zum „faktischen Verschwinden“ des von „Millionen von Kurdinnen und Kurden als legitimer politischer Repräsentant anerkannten“ PKK-Begründers, da ihm jeglicher Kontakt zur Außenwelt, einschließlich seiner Rechtsvertretung und engsten Familienmitgliedern, verwehrt werde. Dies sei eindeutig Folter, die gegen den 75-Jährigen seit nunmehr einem Vierteljahrhundert kontinuierlich angewendet werde.

Öcalan seit 25 Jahren grundlegender Menschenrechte beraubt

„In den letzten drei Jahren wurden darüber hinaus keinerlei Informationen über Öcalans Gesundheitszustand übermittelt, was Anlass zu berechtigter Sorge gibt. Bis heute können wir nicht einmal seinen Haftort bestätigen, was zu ernsten Bedenken hinsichtlich seines körperlichen Zustands führt - ein hochsensibles Thema für die Kurdinnen und Kurden, die ihn als Stimme ihrer Nation betrachten. Aus diesen zwingenden Gründen fordern wir das CPT auf, sofortige Maßnahmen zu ergreifen.“

Das Komitee müsse sich dafür einsetzen, dass die grundlegenden Rechte Öcalans garantiert werden, denen er seit zweieinhalb Jahrzehnten beraubt werde, und den Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung, der schließlich Bürger eines Mitgliedsstaates des Europarates sei, auf Imrali besuchen, sein Wohlergehen überprüfen und die Türkei „ermutigen“, Anwalts- und Familienbesuche auf Imrali zuzulassen, damit diese ihren Verpflichtungen nachkommt, die sich aus ihrer Mitgliedschaft beim Europarat ergeben. „Dies würde zur Lösung eines menschenrechtlichen Notfalls beitragen und der Sorge von Millionen von Kurdinnen und Kurden entgegenwirken, während es den Geist der Versöhnung erneuert, der für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage in der Türkei notwendig ist.“

Appell schließt sich an internationale Öcalan-Kampagne an

Die Petition schließt an die im Oktober begonnene Kampagne „Freiheit für Öcalan – eine politische Lösung für die kurdische Frage“ an. Bei den Unterzeichnenden handelt es sich unter anderem um die Sozialanthropologin und Femizid-Forscherin Carol Mann, der Ehrenvorsitzenden der Bewegung gegen Rassismus und für Freundschaft zwischen den Völkern (MRAP), Renée Le Mignot, den Nationalsekretär der Parti communiste français, Fabien Roussel, die Parlamentsabgeordneten Anne Stambach-Terrenoir (La France Insoumise) und Olivier Faure (Parti Socialiste) sowie den Ko-Vorsitzenden des Rates der armenischen Verbände in Frankreich, Ara Toranian.

Zuvor hatten sich in Deutschland, Österreich, Spanien, Italien, der Schweiz und Großbritannien zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen an das CPT gewandt und die Institution aufgefordert, sich für eine Klärung der Haftbedingungen Öcalans einzusetzen. CPT-Exekutivsekretär Hugh Chetwynd hatte im April bei der Vorstellung des Jahresberichts 2023 des Antifolterkomitees erklärt, man habe im Sommer 2022 mit Abdullah Öcalan sprechen können. Die Veröffentlichung des Berichtes werde allerdings von der Türkei verhindert.

Völkerrechtswidrig verschleppt

Abdullah Öcalan führte von der Gründung der PKK 1978 bis zu seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung aus Kenias Hauptstadt Nairobi auf die türkische Gefängnisinsel Imrali am 15. Februar 1999 den kurdischen Befreiungskampf an. Er gilt nach wie vor als führender Stratege und wichtigster politischer Repräsentant der kurdischen Freiheitsbewegung. Seine in Isolationshaft verfassten Gefängnisschriften, in denen er den Paradigmenwechsel der PKK von einer nationalen Befreiungspartei hin zu einer radikaldemokratischen, multiethnischen und politisch offenen Basisbewegung für den gesamten Nahen und Mittleren Osten anstieß und die politische Philosophie des Demokratischen Konföderalismus begründete, haben seit 1999 weltweit große Beachtung gefunden. Mehrfach initiierte Öcalan einseitige Waffenstillstände der Guerilla und lieferte konstruktive Vorschläge für eine demokratische und politische Lösung der kurdischen Frage. Der letzte Dialog staatlicher Stellen mit ihm wurde 2015 einseitig von der türkischen Regierung beendet. Seitdem befindet sich Öcalan in nahezu vollständiger Isolation. Schon seit 2011 verwehrt die Regierung seinem Verteidigungsteam einen regelmäßigen und geordneten Zugang auf Imrali. Der letzte Anwaltsbesuch fand 2019 statt. Nach einem kurzen und aus unbekannten Gründen unterbrochenen Telefonat mit seinem Bruder Mehmet Öcalan am 25. März 2021 hatte Abdullah Öcalan gar keinen Kontakt mehr zur Außenwelt.