An diesem Mittwoch zog anlässlich des feministischen Streiks (ehemals Frauenstreik) eine violette Welle durch die Schweiz. Überall im Land fanden und finden Workshops, Demonstrationen und Performances statt, allein in Zürich sind zur Stunde noch Zehntausende auf der Straße. Ihre Forderungen:
• Umsetzung der Lohngleichheit. Gezielte Lohnerhöhung in Branchen mit tiefen und mittleren Löhnen und hohem Frauenanteil. Flächendeckende monatliche Mindestlöhne von 4500 Franken und von 5000 Franken bei abgeschlossener Berufslehre. Anständige, existenzsichernde Renten ohne weitere Rentenaltererhöhung: Es brauche Rentenverbesserungen statt -kürzungen.
• Planbare und familienkompatible Arbeitszeiten statt Arbeit auf Abruf und ständige Erreichbarkeit. Kürzere Arbeitszeit: Vollzeit von 30 bis max. 35 Stunden pro Woche statt Teilzeitfalle und Unterbeschäftigung. Die Kinderbetreuung soll als Service public organisiert werden, die Finanzierung der Care-Angebote durch die öffentliche Hand erfolgen.
• Nulltoleranz bei sexualisierter Gewalt. Und es brauche Sanktionen für die Täter und Täterinnen. Prävention von sexueller Belästigung und Sexismus am Arbeitsplatz. Das müsse auch im GAV abgesichert werden. Die ILO-Konvention 190 gegen sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz soll durch die Schweiz ratifiziert und umgesetzt werden.
Einige Gemeindebehörden wie etwa in Genf gaben ihren Mitarbeiterinnen für die Teilnahme am feministischen Streik heute frei. Mehrere Streikaktivistinnen beteiligten sich im Rahmen ihrer Aktionen in Genf an der jeden Mittwoch vor dem Sitz der Vereinten Nationen durchgeführten Mahnwache der kurdischen Community für die physische Freiheit von Abdullah Öcalan. Das Sit-in wurde mit einer Schweigeminute für Hüseyin Arasan eingeleitet. Der im westtürkischen Izmir aufgewachsene Kurde war nach mehrjährigen Gefängnisaufenthalten vor weiterer politischer Verfolgung nach Südkurdistan geflohen und wurde vor wenigen Tagen in Silêmanî Opfer eines tödlichen Anschlags, der dem türkischen Geheimdienst MIT zugerechnet wird.
Mehmet Latif Çelebi, der Ko-Vorsitzende des CDK-Gemeindezentrums in Genf ist, verurteilte das Attentat. „Die Kollaboration der PDK mit dem türkischen Staat und ihr Verrat an den Werten des kurdischen Volkes sind wieder einmal deutlich geworden”, sagte er. Anschließend thematisierte Çelebi die Haftbedingungen von Öcalan im Inselgefängnis Imrali und kritisierte die Isolation des kurdischen Vordenkers, die seit nunmehr 27 Monaten ununterbrochen andauert. Den Vereinten Nationen, dem Europarat und dem Antifolterkomitee (CPT) warf er eine Mitschuld an der Situation auf Imrali vor. Durch „Ignoranz und Schweigen“ würden sie sich zu Gehilfen des Unrechtssystems auf der Insel machen.
Çelebi reichte das Mikrofon weiter an Valentina Valmacco. Die Genferin sagte: „Nach fast 25 Jahren Haft muss der Repräsentant des kurdischen Volkes, Herr Abdullah Öcalan, freigelassen werden. Zwei Jahre sind inzwischen wieder vergangen, seit es das letzte Mal eine Nachricht von ihm gab. Als Aktivistinnen des feministischen Frauenstreiks sind wir besorgt über diese Situation und schließen uns den Forderungen des kurdischen Volkes an. Wir glauben, dass die Freiheit von Abdullah Öcalan den Weg für die Freiheit des kurdischen Volkes und der Völker des Nahen Ostens ebnen wird. Wir bringen zum Ausdruck, dass wir in internationaler Solidarität an der Seite des Widerstands der kurdischen Frauen stehen.“
Einladung zum Sakine-Cansız-Frauenfestival
Nach der Rede Valmaccos verlas eine Aktivistin die Botschaft des Verbands kurdischer Frauen in der Schweiz (YJK-S) an den feministischen Streik. Zum Ende der Zusammenkunft wurde zur Teilnahme am Sakine-Cansız-Frauenfestival eingeladen. Das alljährlich im Gedenken an die vom türkischen Geheimdienst am 9. Januar 2013 in Paris ermordeten kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez in Zürich veranstaltete Festival findet 2023 am 25. Juni statt und wird vom feministischen Streik mitorganisiert.