Die Kurdin Jina Mahsa Amini ist posthum mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit ausgezeichnet worden. „Jina Mahsa Amini hat ihr Leben für die Freiheit im Iran gegeben“, sagte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola bei der Verleihung der auch als EU-Menschenrechtspreis bekannten Auszeichnung. „Ihre Stimme wurde um die Welt getragen.“ Dies sei der Beginn der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“ gewesen, sagte sie.
Die aus Seqiz stammende Jina Mahsa Amini war im September 2022 zu Besuch in Teheran, als sie von der iranischen Sittenpolizei wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kleiderordnung des islamistischen Mullah-Regimes festgenommen wurde. Kurze Zeit darauf starb die 22-Jährige in Polizeigewahrsam – nach Angaben ihrer Familie wurde sie gewaltsam in einen Polizeiwagen gezerrt und auf ein Revier gebracht, wo sie kurze Zeit später infolge von weiteren Misshandlungen kollabierte und ins Koma fiel. Am 16. September 2022 erklärten Ärzte einer Teheraner Klinik Amini für tot.
An Jina Mahsa Aminis Tod entzündete sich die landesweite „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution, bei der Frauen an vorderster Front standen. Die Bewegung stellte die bislang größte Bedrohung der Islamischen Republik Iran seit ihrem Bestehen dar. Vor allem die junge Generation ging über Monate hinweg gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Straße. Der Staatsapparat ließ die Demonstrationen gewaltsam niederschlagen, hunderte Menschen starben dabei. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wurden mehr als 22.000 Menschen festgenommen.
„Euer Mut wird siegen, weil Euer Ziel richtig ist“
Die Bewegung „Jin, Jiyan, Azadî“ beziehungsweise „Frau, Leben, Freiheit“ wurde ebenfalls mit dem Sacharow-Menschenrechtspreis ausgezeichnet. Den Preis nahmen die iranischen Frauenrechtsaktivistinnen Afsoon Najafi und Mersedeh Shahinkar sowie der kurdische Anwalt der Familie Amini, Saleh Nikbakht, entgegen. Afsoon Najafi ist die Schwester von Hadis Najafi, die bei einer Demonstration nach dem Tod von Jina Mahsa Amini von Regimekräften erschossen wurde, und lebt im Exil. Shahinkar überlebte eine versuchte Tötung während eines Protests, verlor jedoch ein Auge. Die beiden Aktivistinnen erinnerten vor dem Europaparlament in Straßburg an die mehr als 550 getöteten Demonstrierenden, die Tausenden Inhaftierten und die anhaltende Repression in ihrer Heimat. Parlamentspräsidentin Metsola sagte an sie und die Frauen in Iran gerichtet: „Euer Mut wird siegen, weil Euer Ziel richtig ist.“
Jina Mahsa Amini
Anwalt von Jina Mahsa Amini: Sie ist „Symbol der Freiheit“
Besonders bewegend war die Rede Saleh Nikbakht. Als „Symbol der Freiheit“ hat der Anwalt von Jina Mahsa Amini der jungen Frau bei der Verleihung des Sacharow-Preises für Menschenrechte gedacht. Amini sei nach ihrem Tod für Millionen unterdrückter Frauen zu einem Symbol der Freiheit geworden, las Nikbakht aus einem Brief von Aminis Mutter Mojgan Eftekhari. Eigentlich sollte die Familie den Preis entgegennehmen, das Mullah-Regime verweigerte jedoch die Reise nach Frankreich.
„Gerne hätte ich hier im Namen aller Frauen meines Landes gesprochen“, erklärte demnach die Mutter Aminis. „Diese Möglichkeit wurde uns unter Verletzung aller rechtlichen und menschlichen Normen genommen“, hieß es in dem Brief weiter. Die iranischen Behörden hatten Aminis Eltern und ihren Bruder am Samstag trotz eines gültigen Visums an der Ausreise aus Iran gehindert und ihre Pässe beschlagnahmt.
„Diese Behandlung ist ein weiteres Beispiel dafür, was die Menschen in Iran tagtäglich erleben“, erklärte die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola. Jina Mahsa Amini sei für die Rechte der Frauen und die Freiheit in ihrem Land gestorben, sagte Metsola weiter. „Der diesjährige Sacharow-Preis ist eine Hommage an all die mutigen Frauen in Iran.“
Von drei größten EU-Fraktionen nominiert
Das Europaparlament hatte Jina Mahsa Amini im Oktober posthum mit dem Sacharow-Preis ausgezeichnet, nominiert worden war sie von den drei größten Fraktionen – Konservative, Sozialdemokraten und Liberale. Neben Amini und der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung waren auch die Menschenrechtlerin Vilma Núñez de Escorcia und Bischof Rolando José Álvarez Lagos aus Nicaragua nominiert sowie drei Frauen, die für einen freien, sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch in Polen, El Salvador und den USA kämpfen. Der nach dem sowjetischen Physiker und politischen Dissidenten Andrej Sacharow (1921-1989) benannte Preis wird seit 1988 jährlich an Persönlichkeiten oder Organisationen verliehen, die sich für die Menschenrechte und die Meinungsfreiheit einsetzen. Er ist mit 50.000 Euro dotiert.