Eindrücke aus dem Ahmet-Kaya-Kulturzentrum in Paris

Seit dem Anschlag vor einer Woche in Paris wird in dem angegriffenen kurdischen Kulturzentrum eine Gerechtigkeitswache abgehalten. Jeden Tag kommen zahlreiche Menschen, um Blumen niederzulegen und Anteil zu nehmen.

Seit dem Anschlag in Paris, bei dem am 23. Dezember Emine Kara (Evîn Goyî), Mehmet Şirin Aydın (Mîr Perwer) und Abdurrahman Kızıl getötet und drei weitere Menschen verletzt wurden, findet im Ahmet-Kaya-Kulturzentrum eine Gerechtigkeitswache im Gedenken an die Toten statt. Am Tatort vor dem kurdischen Verein werden Blumen niedergelegt, in den Räumlichkeiten steht ein Gedenktisch mit Fotos der drei Todesopfer. In einem Kondolenzbuch finden sich Einträge in vielen unterschiedlichen Sprachen.

Das Kulturzentrum wird jeden Tag von vielen Menschen besucht. Die kurdische Gemeinde kocht täglich Essen für die Angehörigen der Gefallenen und die Gäste. Auch vor dem gegenüberliegenden kurdischen Restaurant Avesta, in dem der Musiker Mîr Perwer gestorben ist, liegen Blumen. Mitglieder des Demokratischen Kurdischen Rates in Frankreich (CDK-F) kümmern sich um die Gäste und informieren die Anwesenden über die aktuellen Entwicklungen.

Unter den Gästen sind Menschen jeden Alters und jeder Herkunft. Eine Frau aus Tunesien zündet eine Kerze vor dem Kulturzentrum an und erzählt, dass sie seit zwanzig Jahren in Paris lebt und im Textilsektor immer mit Kurd:innen zusammen gearbeitet hat. „Ich mag die Kurden und empfinde diesen schrecklichen Anschlag wie einen Angriff auf mich selbst“, sagt sie, zündet eine Kerze an und geht weiter. Ein weitere Frau, die ihre Anteilnahme zeigt, ist Suzy Rojtman, die Sprecherin der Französischen Frauenkoordination. Viele Besucherinnen kommen mit Schildern mit der Aufschrift „Je suis Evîn“ (Ich bin Evîn) ins Kulturzentrum.

Zübeyir Aydar: „Wir sind ein Volk im Krieg“

Zübeyir Aydar ist wie die ermordete Evîn Goyî Mitglied des KCK-Exekutivrats. Bei seinem Besuch im Ahmet-Kaya-Kulturzentrum sprach er den Angehörigen der Gefallenen sein Mitgefühl aus und sagte: „Wir sind ein Volk im Krieg und kämpfen gegen einen brutalen Feind. Wir sind stolz auf unsere Gefallenen und werden ihren Kampf fortsetzen. Es wird behauptet, dass es ein rassistischer Einzeltäter war. Das stimmt nicht. Es handelt sich nicht um einen Zufall, sondern um einen gezielten Angriff. Das eigentliche Ziel war Hevala Evîn. Der Täter soll angeblich gesagt haben, dass er wütend auf die Kurden ist, weil sie die IS-Terroristen nicht getötet, sondern gefangen genommen haben. Evîn hat gegen den IS gekämpft, wurde dabei verwundet und ist zur Behandlung nach Paris gekommen. Und ausgerechnet sie wurde gezielt erschossen. Ich spreche unserem gesamten Volk mein Beileid aus, der Kampf der Gefallenen geht weiter.“

Franck Papazian: „Wir kennen die Macht des türkischen Geheimdienstes"

Ein weiterer Besucher war Franck Papazian, Sprecher des armenischen Verbands CCAF. Er kondolierte den Angehörigen der Toten und stellte sein Buch „Die Erdogan-Gefahr“ in die Bibliothek des Kulturzentrums. „Wir haben die feindliche Politik des türkischen Staates in Berg-Karabach (Arzach) gesehen. Der Anschlag auf die kurdische Gemeinschaft in Paris ist meiner Meinung nach ein Terroranschlag“, sagte Papazian. „Der Angriff kann aus rassistischen Motiven begangen worden sein, aber das bedeutet nicht, dass es kein terroristischer Anschlag war. Wir kennen die Macht des türkischen Geheimdienstes. Der Täter kann im Gefängnis für den Anschlag rekrutiert worden sein.“