Mit der unmissverständlichen Botschaft ihrer Ko-Vorsitzenden Tülay Hatimoğulları, „für die Freiheit aller Unterdrückten und Ausgebeuteten die Demokratie zurückzuholen“, hat die Partei der Völker für Gleichberechtigung und Demokratie (DEM) am Montag ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die kurdischen Provinzen präsentiert und den Kommunalwahlkampf offiziell gestartet. Die DEM-Partei will bei den Wahlen am 31. März vor allem die Rathäuser „befreien“, die seit der letzten Abstimmung vor fünf Jahren wieder unter staatlicher Zwangsverwaltung stehen. „Die Treuhänder aus den Stadtverwaltungen hinausfegen“, lautet dabei eine der Devisen. Passend dazu schwenkten mehrere Gäste bei der Vorstellung der Kandidierenden in einem Hotel in Amed (tr. Diyarbakır) ihre mitgebrachten Besen.
Die DEM-Partei hat die Nachfolge der von einem Verbotsverfahren bedrohten HDP übernommen und tritt für eine Dezentralisierung des politischen Regierungssystems und die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten ein. In die Kommunalwahl geht die DEM-Partei mit der Forderung, die kurdische Frage zu lösen und die allgemeine Demokratiefrage der Türkei zurück auf die Tagesordnung zu bringen, um die zahlreichen Krisen im Land zu bewältigen. Ein entsprechendes Strategiepapier wurde im Dezember veröffentlicht.
Tülay Hatimoğulları: „Wir werden eine emanzipatorische Kommunalpolitik in den Rathäusern verankern“
Vorgestellt wurden vorerst nur die Kandidierenden für 96 Wahlkreise. Entsprechend dem Prinzip der genderparitätischen Doppelspitze, wonach jeweils ein Mann und eine Frau den Vorsitz auf allen Ebenen und in allen Gremien haben, kandidiert in allen Wahlgebieten ein Duo, das bei gewonnener Abstimmung das Bürgermeisteramt gemeinsam ausübt. Anders als bei vorangegangen Wahlen wurden die Kandidierenden für die Bürgermeisterämter und die Sitze in Stadt- und Gemeinderäten diesmal jedoch nicht von der Partei nominiert, sondern im Konsensprinzip von der Bevölkerung vor Ort festgelegt. Diese Entscheidung ist eine Konsequenz aus den Parlamentswahlen im Mai vergangenen Jahres. Der damalige Stimmenverlust wurde nicht mit der massiven Repression erklärt, stattdessen fand ein monatelanger Prozess der Kritik und Selbstkritik in allen Gremien und mit der Parteibasis statt. Einer der Kritikpunkte war die mangelnde Berücksichtigung der Ortsverbände bei der Auswahl der Kandidierenden.
„Es ist Zeit für den Willen der Frau“
Die DEM-Partei setzt im Kampf um die Bürgermeisterämter und um die Stadtratsmandate auf viele neue Gesichter, die von der Bevölkerung aufgestellt wurden. Unter den Kandidierenden befinden sich aber auch einige Urgesteine der kurdischen Politik und Aktivistinnen aus der Frauenbewegung. Der 81-jährige Grandseigneur Ahmet Türk, der schon 2019 das Amt des Ko-Oberbürgermeisters in seiner Heimatstadt gewonnen, aber bald darauf abgesetzt worden war, kandidiert wieder in Mêrdîn – und mit ihm zusammen die vierzig Jahre jüngere Ärztin, Musikerin und Autorin Devrim Demir.
Der ehemalige HDP-Abgeordnete Abdullah Zeydan, der mehr als fünf Jahre im Gefängnis saß, kandidiert in der Großstadt Wan. Unter den damaligen Oberbürgermeister:innen Bekir Kaya und Hatice Çoban war Wan 2016 eine Projektpartnerschaft mit der Stadt Karlsruhe eingegangen. In Cizîr (Cizre) geht mit Güler Tunç eine Aktivistin der Bewegung freier Frauen (TJA) in den Kampf um das Amt der Ko-Bürgermeisterin. Tunç ist die frühere Kreisverbandsvorsitzende der HDP in der Widerstandshochburg im Süden der Provinz Şirnex, die während der türkischen Militärbelagerung im Winter 2015/2016 großflächig zerstört wurde. Bei dem Feldzug der Staatsmacht gegen die Bevölkerung war Tunçs Ehemann Orhan in einem der berüchtigten „Todeskeller von Cizîr“ zusammen mit etlichen weiteren Menschen ermordet worden.