In der Türkei finden am 31. März Kommunalwahlen statt. Die Partei der Völker für Gleichberechtigung und Demokratie (DEM) hat die Nachfolge der von einem Verbotsverfahren bedrohten HDP übernommen und tritt für eine Dezentralisierung des politischen Regierungssystems und die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten ein. In die Kommunalwahl geht die DEM-Partei mit der Forderung, die kurdische Frage zu lösen und die allgemeine Demokratiefrage der Türkei zurück auf die Tagesordnung zu bringen, um die zahlreichen Krisen im Land zu bewältigen. Ein entsprechendes Strategiepapier wurde im Dezember veröffentlicht.
Kandidatenauswahl im Konsensprinzip
Anders als bei vorangegangenen Wahlen will die DEM-Partei die Kandidat:innen für die Bürgermeisterämter und die Sitze in Stadt- und Gemeinderäten diesmal im Konsensprinzip von der Bevölkerung vor Ort festlegen lassen. Diese Entscheidung ist eine Konsequenz aus den Parlamentswahlen im Mai vergangenen Jahres. Der damalige Stimmenverlust wurde nicht mit der massiven Repression erklärt, stattdessen fand ein monatelanger Prozess der Kritik und Selbstkritik in allen Gremien und mit der Parteibasis statt. Einer der Kritikpunkte war die mangelnde Berücksichtigung der Ortsverbände bei der Auswahl der Kandidierenden.
„Fest der Demokratie“: Vorwahlen in Amed
In Amed (tr. Diyarbakır) soll die Kandidatenauswahl bei einer Volksversammlung am Sonntag erfolgen. Das kündigte der Provinzverband der DEM-Partei heute im Koşuyolu-Park an. Die Ko-Vorsitzende des Verbands, Pınar Sakık Tekin, lud zu der Versammlung ein und sagte: „Hunderte Bewerberinnen und Bewerber auf eine Kandidatur bereiten sich auf die Vorwahlen als Fest der Demokratie vor. Sie wollen nicht nur kandidieren, sondern auch Haltung gegen die faschistische Mentalität zeigen. Bei den Kommunalwahlen werden wir der Zwangsverwaltung eine Absage erteilen und die finstere Zeit beenden, die für unser Volk ein Albtraum ist.“
Manipulation durch Registrierung ortsfremder Wahlberechtigter
Tekin wies darauf hin, dass die Regierungsparteien die Kommunalwahlen durch die Registrierung von Wahlberechtigten in den kurdischen Provinzen beeinflussen wollen. In den letzten Wochen sind derartige Fälle an vielen Orten bekannt geworden. Die DEM-Partei hatte bereits im Dezember öffentlich gemacht, dass in Îdir über tausend Personen mit derselben Adresse angemeldet wurden. Die Polizeidirektion in Îdir ist die Meldeadresse von 743 wahlberechtigten Männern. In Wan sind achtzig AKP-nahe Familien aus anderen Provinzen in Wohnungen für Erdbebenopfer gezogen und müssen keine Miete zahlen. In einer Gemeinde in Colemêrg sind zahlreiche Militärangehörige aus Städten wie Tokat und Rize angemeldet worden.
„Unser Volk wird sich der Zwangsverwaltung nicht ergeben“
Die DEM-Politikerin Pınar Sakık Tekin sprach in diesem Zusammenhang von einer „Usurpation des Wählerwillens“ und erklärte, dass die von der türkischen Regierung 2016 eingeführte Praxis, gewählte Bürgermeister:innen verhaften zu lassen und an ihrer Stelle staatliche Treuhänder einzusetzen, einer hundertjährigen Tradition folge und für die Bevölkerung unerträglich sei: „Unser Volk wird sich mit der Zwangsverwaltung nicht abfinden und nicht vor dieser Mentalität kapitulieren.“