Besuchsverbot für Abdullah Öcalan und Mitgefangene

Von Abdullah Öcalan und seinen drei Mitgefangenen auf Imrali gibt es seit März 2021 kein Lebenszeichen. Das Kontaktverbot zu ihrem Rechtsbeistand und ihren Angehörigen wird von der türkischen Justiz mit einer Disziplinarmaßnahme begründet.

Nach Angaben des Anwaltsteams von Abdullah Öcalan und seiner Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş ist gegen ihre Mandanten auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmara-Meer ein dreimonatiges Besuchsverbot erlassen worden. Das Verbot wird mit einer erneuten Disziplinarstrafe begründet, von der die Verteidiger:innen vom Rechtsbüro Asrin erst durch einen Besuchsantrag beim zuständigen Vollzugsgericht in Bursa erfahren haben.

Kein Lebenszeichen seit März 2021

Das Isolationssystem auf Imrali gilt der kurdischen Gesellschaft als Prototyp für das juristische und politische System der Türkei. Auf der Insel im Marmarameer befindet sich ein eigens für den PKK-Begründer Abdullah Öcalan eingerichtetes Hochsicherheitsregime. Die dort jenseits der Grenzen des geltenden Rechts angewandten „Öcalan-Gesetze“ und die Absonderung von der Außenwelt haben schon längst unmittelbare Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft – ob draußen oder hinter Gefängnismauern. Seit 2019 gilt auf Imrali wieder ein striktes Anwaltsverbot, der letzte Besuch des Verteidigungsteams von Öcalan hatte am 7. August 2019 stattgefunden. Seine drei Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş haben seit ihrer Verlegung nach Imrali vor sieben Jahren noch nie mit ihrem Rechtsbeistand sprechen können. Als juristische Ummantelung für das Unrecht auf der Insel dienen der türkischen Justiz willkürlich verhängte „Disziplinarstrafen“ gegen die Imrali-Gefangenen.

Das Verbot von Anwaltsbesuchen im Imrali-Gefängnis verstößt offen gegen die 2015 aktualisierten Standard-Mindestregeln der Vereinten Nationen (UN) für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), gegen die Empfehlungen des Antifolterkomitees des Europarats (CPT) und gegen das türkische Vollzugsgesetz (Gesetz Nr. 5275). Staaten sind verpflichtet, die Ausübung der Rechte von Gefangenen und Verurteilten ohne Rücksicht auf ihre Identität oder die Qualität ihrer Strafe zu gewährleisten. Doch die türkische Justiz ist nicht gewillt, die menschenverachtenden Haftbedingungen auf Imrali zu korrigieren und hält an einer Behandlung nach Feindstrafrecht fest. Wurden Besuche des Rechtsbeistands in der Vergangenheit unter dem Vorwand widriger Wetterbedingungen oder eines Defekts der für die Überfahrt nach Imrali vorgesehenen Fähre verhindert, werden die Besuchsanträge seit Jahren aufgrund vermeintlicher Disziplinarmaßnahmen zurückgewiesen.

Abdullah Öcalan ist 1999 von internationalen Kräften in Kenia entführt und an die Türkei ausgeliefert worden. Seitdem wird er im Hochsicherheitsgefängnis Imrali in Isolationshaft festgehalten. Bei einem Gespräch mit seinem Rechtsbeistand hatte er am 27. Juli 2011 mit Blick auf die von Seiten der türkischen Regierung verweigerte Lösung der kurdischen Frage erklärt, das Ende seiner Handlungsfähigkeit sei erreicht. Die türkischen Behörden reagierten darauf, indem Öcalans Anwaltsteam keine Besuche mehr gestattet wurden. Erst im Mai 2019 – nach knapp achtjähriger Verweigerung – wurden persönliche Kontakte der Anwält:innen zu ihrem Mandanten wieder ermöglicht; erkämpft von eine von der kurdischen Politikerin Leyla Güven angeführten Hungerstreik politischer Gefangener. Seit dem letzten Anwaltsbesuch bei Öcalan am 7. August 2019 haben die türkischen Behörden auf fast gar keinen der kontinuierlich gestellten Besuchsanträge reagiert. Der letzte Familienbesuch auf der Insel wurde im März 2020 abgesegnet. Ein Jahr später kam – bedingt durch eine internationale Protestwelle gegen die Isolation – ein Telefongespräch zwischen Abdullah Öcalan und seinem Bruder zustande, das nach wenigen Minuten aus unbekannten Gründen unterbrochen wurde. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen von den Imrali-Gefangenen.