Der Frauenrat Dest-Dan veranstaltete in Berlin eine Kundgebung unter dem Motto „Freiheit für alle weiblichen politischen Gefangenen.“ Die Aktivistinnen wiesen auf die dramatische Situation in türkischen Gefängnissen hin. Sie thematisierten insbesondere den Tod von Garibe Gezer, einer politischen Gefangenen, die systematisch gefoltert wurde und anschließend tot aufgefunden wurde. Die Behörden erklärten Gezers Tod zum Suizid. Auf der Kundgebung wurde auch auf die Situation der kranken politischen Gefangenen hingewiesen, die trotz Anträgen auf Haftentlassung oder Aussetzung der Strafe inhaftiert bleiben. Erst am Mittwoch waren die beiden politischen Gefangenen Abdülrezzak Şuyur und Halil Güneş nach 28 Jahren Haft an Krebs verstorben.
Die Frauen forderten insbesondere die Freilassung der inhaftierten HDP-Politikerin Aysel Tuğluk, die nach den traumatischen Erfahrungen bei der Beerdigung ihrer Mutter unter Gedächtnisverlust leidet und sich nicht mehr selbstständig versorgen kann. Im Juli hatte die medizinische Fakultät in Kocaeli eine chronische Erkrankung und Haftunfähigkeit festgestellt. Drei Monate später stellte die Gerichtsmedizin ein gegenteiliges Gutachten aus.
„De facto Todesstrafe in der Türkei“
Die kurdische Politikerin Sibel Yiğitalp erklärte: „In der Türkei wird de facto die Todesstrafe gegen Demokrat:innen und Kurd:innen umgesetzt. Garibe Gezer hatte wiederholt versucht, sich Gehör zu verschaffen und der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass sie in der Gummizelle vom Wachpersonal sexualisierte Gewalt und Folter erfahren hat. Dennoch schauen sie uns in die Augen, ermorden Garibe und sagen, sie hätte ‚Selbstmord‘ begangen. Aysel Tuğluk wurde wegen ihres Kampfes inhaftiert. Jeder weiß, was ihr auf der Beerdigung ihrer Mutter angetan wurde. Unsere Freundin hat nun ernsthafte gesundheitliche Probleme, weil sie nicht vergessen kann, was ihrer Mutter angetan wurde. Wo auch immer wir sind, wir werden unserer Freundin Aysel und all unseren Genoss:innen Gehör verschaffen, wir werden kämpfen. Unser Kampf für die Freilassung der kranken Gefangenen wird weitergehen.“
„Nicht die Massaker in den Gefängnissen vergessen“
Die Plattform „Stimme der Gefangenen“ erinnerte an die Massaker an den politischen Gefangenen in den F-Typ-Gefängnissen am 19. Dezember 2000: „Es war der Nationale Sicherheitsrat, der das Massaker vom 19. Dezember beschloss. Ausgeführt wurde dies vom damaligen Premierminister Bülent Ecevit, Justizminister Hikmet Sami Turk und dem Innenminister Saadettin Tantan. Wie bei anderen Massakern, die vom faschistischen Staat begangen wurden, wurde das Massaker verschleiert und diejenigen, die es angeordnet und durchgeführt haben, wurden bis heute nicht strafrechtlich verfolgt. Heute, vor dem 21. Jahrestag des Massakers vom 19. Dezember, gehen die unmenschlichen Praktiken in den Gefängnissen weiter. Während schwerkranke Gefangene selbst nach dem Gesetz des faschistischen Regimes freigelassen werden müssten, wird gegen die revolutionären Gefangenen Feindstrafrecht statuiert. Die Gerichtsmedizin wird benutzt, um die Gefangenen dem Tod zu überlassen. Mehr als 100 schwerkranke Gefangene, Aysel Tuğluk eingeschlossen, werden trotz Haftunfähigkeitsattesten nicht freigelassen.“
„Der Staat ist verantwortlich für Garibes Tod“
Zum Tod von Garibe Gezer hieß es: „Zuletzt wurde Garibe Gezer gefoltert und in den Bunker geworfen. In der Gummizelle wurde sie vom Wachpersonal vergewaltigt. Ihre Leiche wurde ihrer Familie ausgehändigt. Der Staat ist für ihren Tod verantwortlich.“
„Ignoranz tötet“
In der Erklärung von Dest-Dan hieß es: „Seit dem Ende der Friedensgespräche zwischen der AKP-Regierung und Abdullah Öcalan im Jahr 2015 wurde eine Politik der Gewalt und Zerstörung gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei durchgesetzt. Seitdem wurde eine Politik der Verhaftungen, Folter, des Verschwindenlassens, der Morde und der Aufhebung des Rechts auf Meinungsfreiheit umgesetzt. Dies alles ist Teil der Assimilationspolitik.“ Garbe Gezer sei in Folge dieser Politik gestorben und Aysel Tuğluk einer ähnlichen Praxis ausgesetzt. Diese Politik sei nur möglich durch die allgemeine Ignoranz gegenüber der Situation der politischen Gefangenen.