Vermeintliche Einsatzkräfte entscheiden über Wahlausgang
Für die Kommunalwahl am Sonntag in der Türkei sind Zehntausende Soldaten und Polizisten zur Stimmabgabe in kurdische Provinzen transportiert worden. Mit dem Stimmentransfer hat sich die Regierungspartei AKP den Sieg in mindestens zehn Wahlkreisen gesichert, darunter die Provinzhauptstädte Şirnex, Qers und Bedlîs (tr. Şırnak, Kars und Bitlis). Anwaltskammern aus der Türkei stellen vor diesem Hintergrund die Legitimität der Wahlergebnisse in Frage.
In einer gemeinsamen Erklärung der Anwaltskammern aus 19 Provinzen wird darauf hingewiesen, dass im Vorfeld der Wahlen in unverhältnismäßigem Ausmaß Militärs und Polizisten als Wähler registriert wurden und Einsprüche gegen den systematischen Stimmentransfer von den örtlichen Wahlausschüssen zurückgewiesen wurden. Am Wahltag sei dann die massenhafte Stimmabgabe ortsfremder Polizisten und Soldaten beobachtet worden:
„Die Bezirkswahlausschüsse wiesen Einwände gegen die transportierten Wähler zurück. In den Begründungen der Ablehnungsbescheide hieß es unter Berufung auf Schreiben der Jandarma- oder Polizeidirektionen, dass die Soldaten oder Polizisten im Rahmen des am Wahltag vorzunehmenden Einsatzes in dem angegebenen Zentrum als Wähler registriert waren. Die Aufnahmen von Soldaten und Polizisten, die am Wahltag in den frühen Morgenstunden ihre Stimme abgaben und danach die Orte massenhaft verließen, ohne sich an Sicherheitsmaßnahmen zu beteiligen, ließen in der Öffentlichkeit jedoch ernsthafte Zweifel daran aufkommen, dass sich diese Personen im Rahmen des Sicherheitsbedarfs in den Wahlgebieten aufhielten.“
Das aktive und passive Wahlrecht und das Recht auf politische Betätigung sei „ein unverzichtbares Element der Demokratie“, betonen die Anwaltskammern. Dazu gehöre die „freie und unbeeinflusste Wiedergabe des Volkswillens an der Wahlurne. Am 31. März 2024 wurden die Grundsätze freier und fairer Wahlen verletzt, indem Tausende von Soldaten oder Polizisten als Wähler registriert worden sind“. Insbesondere an Orten, in denen diese Stimmen ausschlaggebend für die Wahl der Bürgermeister:innen waren, habe der Stimmentransfer „die Legitimität der Wahlergebnisse in Frage gestellt“ und werde „als schwarzer Fleck in die Geschichte der Demokratie eingehen“.
Unterzeichnende Anwaltskammern
Unterzeichnet wurde die Erklärung von den Anwaltskammern in Colemêrg (Hakkari), Adana, Şirnex, Tekirdağ, Semsûr (Adıyaman), Isparta, Agirî (Ağr), Dersim (Tunceli), Qers, Wan (Van), Êlih (Batman), Mêrdîn (Mardin), Çewlîg (Bingöl), Mûş, Zonguldak, Sêrt (Siirt), Burdur, Riha (Urfa) und Amed (Diyarbakır).