Kommunalwahl: IHD prangert massive Verstöße an

Der Menschenrechtsverein IHD stellt in einem Zwischenbericht zur Kommunalwahl in der Türkei breite Betrugsversuche fest. Beobachtungsgruppen wurden systematisch durch Sicherheitskräfte behindert und Tausende Ortsfremde als Wähler eingesetzt.

Kommunalwahl in der Türkei

Während die Stimmenauszählung der Kommunalwahl in der Türkei weitergeht, hat der Menschenrechtsverein IHD einen ersten Zwischenbericht über Verstöße bei der Abstimmung veröffentlicht. Die Organisation hat laut eigenen Angaben in 22 Provinzen des Landes Beobachtungsdelegationen für die Kommunalwahl eingesetzt. In Sêrt (tr. Siirt), Agirî (Ağrı), Colemêrg (Hakkari) und Wan (Van) im kurdischen Südosten sowie in Mersin an der türkischen Südküste sei den Delegationen der Zutritt in eine Vielzahl von Wahllokalen durch Sicherheitskräfte verweigert worden. In Wan sei dieses Vorgehen mit einer entsprechenden Anordnung des Gouverneursamtes begründet worden. In Xana Axpar (Çınar) bei Amed soll der AKP-Bürgermeisterkandidat eine Vereinbarung mit vier Dörfern über insgesamt 1200 Stimmen gegen eine Zahlung von zwei Millionen türkischer Lira getroffen haben. Diese Vereinbarung sei mit den Dorfvorstehern vertraglich festgehalten worden.

Einsatz von Soldaten und Polizisten als mobiles Stimmabgabekommando

Weiter berichtete der IHD vom massenhaften Einsatz von Polizisten und Soldaten als mobile Wähler in den kurdischen Provinzen. Die Staatsbediensteten seien in Kleinbussen, Mannschaftsbussen und gepanzerten Fahrzeugen „in Massen“ zu den Wahllokalen transferiert worden. Entsprechende Beobachtungen machte der IHD in diversen Wahlkreisen, darunter in Mêrdîn (Mardin) und Amed (Diyarbakır), aber auch in Şirnex (Şırnak), Qers (Kars), Reşqelas (Iğdır), Colemêrg und Dersim. „Einige dieser Beamten marschierten sogar in ihren Uniformen und mit ihren Waffen in die Wahllokale und gaben gesammelt ihre Stimmen ab. In einigen Wahllokalen waren ausschließlich Angehörige von Sicherheitskräften und keine einzige Zivilperson als Stimmberechtigte registriert“, heißt es in dem Bericht.

Beamte stimmen an mehr als einer Urne ab

In einigen Bezirken und Dörfern in der Provinz Riha (Urfa) stellte der IHD fest, dass Stimmen gesammelt wurden und offen gewählt wurde. Einige dieser Wähler hätten die von ihnen verwendeten Stimmzettel auf ihren Konten in den sozialen Medien geteilt und dafür Geld erhalten. In Serê Kaniyê (Ceylanpınar) wurde ebenfalls von Stimmenkäufen berichtet, dafür soll eigens eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet worden sein. Im Kreis Xelfetî (Halfeti) sei ein Wahllokal noch vor Öffnung von bewaffneten Personen umstellt worden. Später hätten sie für den Wahlkreis eingeteilte Beobachter des Stimmlokals verwiesen und eine offene Wahl erzwungen. In einem anderen Wahlraum hätten der amtierende Bürgermeister von Halfeti (AKP) sowie dessen amtierender Nachfolger sowie etwa hundert weitere Anhänger der Regierungspartei versucht, an mehr als einer Urne abzustimmen. Die DEM-Partei habe dies verhindert und dokumentiert. Ähnliche Beobachtungen seien auch in Mûş gemacht worden.

Tödliche Gewalt

Bei der Kommunalwahl im Dorf Çirmiq (tr. Ağaçlıdere) bei Amed wurde ein 43 Jahre alter Wahlbeauftragter der DEM-Partei im Zuge eines Angriffs von AKP-Anhängern erschossen. Elf weitere Personen erlitten Verletzungen. Das im Verwaltungsbezirk Sûr gelegene Dorf wurde von Militärs abgeriegelt, der Zutritt ist untersagt. Presseleute wurden mit Schusswaffen bedroht.

Auch in anderen Provinzen kam es zu tödlichen Gewaltausbrüchen. In einem Dorf in Sêrt ist ein Streit zwischen zwei Gruppen um die Wahl des Ortsvorstehers eskaliert. Ein Mann wurde getötet, mindestens vier weitere Personen sind verletzt worden. In einer Gemeinde in Bursa im Westen des Landes wurde ein Mann mit einer Schrotflinte erschossen, weil er sich für die Wahl eines Kandidaten ausgesprochen hätte, den der Schütze ablehnte. Zwei weitere Menschen, darunter ein dreijähriges Kind, wurden durch die Schrotmunition verletzt.

IHD fordert Maßnahmen von Wahlausschuss

Der IHD appellierte an den Hohen Wahlausschuss und die Wahlausschüsse der Provinzen und Bezirke: „Die Behinderung aller 300 Personen, die wir als Wahlbeobachter eingesetzt haben, muss sofort beendet werden. Leiten Sie wirksame Ermittlungen gegen Einzelpersonen und Gruppen ein, die die Sicherheit der Wahlen gefährdet haben, und untersuchen Sie die von unserem Verein festgestellten Unregelmäßigkeiten. Garantieren Sie die Sicherheit von Presseleuten, die sich dafür einsetzen, dass die Menschen korrekte und aktuelle Nachrichten erhalten. Ergreifen Sie die erforderlichen Maßnahmen gegen die Behinderung der Wahlen und in Bezug auf die Angriffe Kandidierende, Parteimitglieder und Medienschaffende.“