In Qilaban (tr. Uludere) haben mehrere hundert aufgebrachte Menschen gegen den „Stimmenraub“ in der kurdischen Kreisstadt bei der Kommunalwahl zugunsten des regierenden Machtblocks aus der islamistischen Erdoğan-Partei AKP und der ultranationalistischen MHP protestiert. Sie prangerten an, dass für die Abstimmung „systematisch“ manipuliert worden sei und sich ohne die Verschiebung von ortsfremden Stimmberechtigten ein anderes Ergebnis um die Wahl für das Bürgermeisteramt in Qilaban ergeben hätte. Vorläufigen Ergebnissen zufolge erhielt der AKP-Kandidat 47,6 Prozent der Stimmen, die DEM-Partei liegt bei 45,7 Prozent. Der Stimmenunterschied ist mit 106 äußerst knapp, von den etwas mehr als 5.600 als gültig erfassten Stimmen sollen allerdings rund 1.400 von Staatsbediensteten wie Soldaten und Polizisten stammen, die erst kurz vor der Abstimmung als Wahlberechtigte registriert wurden. Diese Zahl hatte die DEM recherchiert. Laut den Berechnungen der Partei sollen insgesamt mehr als 50.000 sogenannte mobile Wähler von der Regierung auf die kurdischen Provinzen verteilt worden sein, um die Ergebnisse der Wahl zu beeinflussen.
„Ihr seid Knechte“, war auf einem Plakat unter anderem zu lesen, das bei der Demonstration von Jugendlichen mitgeführt wurde. Damit gemeint waren ortsfremde Wähler. Der Protest startete am Sitz des Kreisverbands der DEM und zog unter Parolen wie „Qilaban verteidigt seinen Willen“ und „Die Diebe sind uns Rechenschaft schuldig“ bis vor das Büro der Wahlkommission. Unter den Beteiligten war auch die Parlamentsabgeordnete Newroz Uysal Aslan aus der Provinzhauptstadt Şirnex (Şırnak). Sie sagte, dass die Verschiebungen von Stimmberechtigten das Wahlergebnis auch in ihrem Wahlkreis sowie im Bezirk Elkê (Beytüşşebap) im Sinne der AKP gesteuert hätten. Ihre Partei habe die Ergebnisse bereits angefochten, die Entscheidung der Wahlkommission stehe aber noch aus.
Jung und alt auf den Straßen von Qilaban (c) MA
Rund 61 Millionen Menschen in 81 Provinzen waren am Sonntag dazu aufgerufen, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Stadtparlamente, Gemeinderäte, Ortsvorstehende und andere kommunale Vertretungen zu wählen. Die Abstimmung galt als bedeutendes Stimmungsbarometer und als Weichensteller für die politische Zukunft des Landes. Die republikanische Oppositionspartei CHP wurde stärkste Kraft und gewann vorläufigen Ergebnissen zufolge landesweit 35 der 81 Bürgermeisterämter. Die herrschende AKP ist damit erstmals seit ihrer Gründung 2002 nur zweitstärkste Kraft in einer Kommunalwahl. Sie gewann 24 Bürgermeisterposten und lag mit 35,5 Prozent der Stimmen über zwei Prozentpunkte hinter der CHP. Die DEM gewann in zehn Provinzen das Bürgermeisteramt und war darüber hinaus in 65 Landkreisen, Bezirken und Gemeinden stärkste Kraft, landete aber im prozentualen Landesdurchschnitt mit 5,7 Prozent der Stimmen auf dem vierten Platz. Die Wahlbeteiligung fiel geringer als bei vergangenen lokalen Abstimmungen aus und lag nach Angaben der türkischen Wahlbehörde zwischen 78,1 und 80,7 Prozent.