Die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei einem Abschiedsbesuch in der Türkei die Lage der dort inhaftierten deutschen Staatsangehörigen kritisiert. Nach einem Treffen mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte die CDU-Politikerin in Istanbul, Deutschland und die Türkei hätten mitunter „sehr unterschiedliche Ansichten“, wann der Vorwurf des Terrorismus gelte.
Die Bundesregierung habe zwar in einigen Fällen inhaftierter Deutscher erfolgreich eingreifen können, doch kämen immer neue Fälle dazu. „Ich bin kritisch über Entwicklungen, die sich im Bereich der Menschenrechte ergeben haben und vielleicht auch im Bereich der individuellen Freiheiten“, äußerte Merkel. Erdoğan verwies in gewohnt zynischer Manier auf die „Unabhängigkeit“ der Justiz.
Nach Angaben des Auswärtigen Amts sitzt in der Türkei derzeit eine mittlere zweistellige Zahl an Personen mit der deutschen Staatsangehörigkeit im Gefängnis, oft wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda oder Mitgliedschaft in einer bewaffneten Organisation. In der Regel ist damit die kurdische Arbeiterpartei PKK gemeint.
Erst am Dienstag war mit Mahmut Güneş ein kurdischstämmiger Deutscher in der Türkei zu fast drei Jahren Haft wegen vermeintlicher Propaganda für die PKK verurteilt worden. Dabei handelte es sich um kritische Retweets von kurdischen Journalist:innen zur Besatzung von Teilen Nordsyriens durch die Türkei und Menschenrechtsverletzungen des türkischen Staates. Mit Stand von August wird zudem weiteren 58 Deutschen die Ausreise aus der Türkei verweigert. Wie viele Personen, die einen ständigen Aufenthaltstitel in Deutschland, aber keinen deutschen Pass haben, von den autoritären Maßnahmen des Erdoğan-Regimes betroffen sind, ist nicht bekannt.
Merkel für Fortführung des Flüchtlingspakts
Angela Merkel sprach sich bei ihrem Treffen mit Erdoğan auch für eine Fortführung des Flüchtlings-Abkommens zwischen der EU und der Türkei aus. Es sei wichtig, dass man das Land weiterhin bei der Bekämpfung der illegalen Migration unterstütze. Erdoğan lobte die deutsche Türkei-Politik unter der Kanzlerschaft Merkels als „vernünftig und lösungsorientiert“. Er hoffe, diese gute Zusammenarbeit mit der künftigen Bundesregierung fortführen zu können. „Ich wünsche der neuen Regierung und ihrem Kanzler jetzt schon viel Erfolg.“