Erneut ist in Istanbul eine Mahnwache für die hungerstreikenden Rechtsanwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal von der Polizei gewaltsam aufgelöst worden. Bei dem Übergriff wurden mehrere Beteiligte der Aktion in Gewahrsam genommen. Unter ihnen befindet sich neben Yıldırım Deniz, einem Onkel von Timtik, auch der 70-jährige Aktivist der Gefangenenhilfsorganisation TAYAD, Feridun Osmanoğlu.
Zu der Kundgebung im Istanbuler Stadtteil Bakırköy hatte der Zusammenschluss „Koordination Freiheit für die Verteidigung“ aufgerufen. Der Protest fand wieder auf dem Platz vor dem staatlichen Krankenhaus „Dr. Sadi Konuk“ statt, in dem die inzwischen auf weniger als 35 Kilogramm abgemagerte Ebru Timtik seit mehr als drei Wochen gegen ihren Willen festgehalten wird. Unter den Teilnehmenden waren neben dem früheren HDP-Abgeordneten Mehmet Ali Aslan und Eren Erdem von der Musikgruppe Grup Yorum zahlreiche Kolleginnen und Kollegen von Timtik und Ünsal sowie Aktivist*innen der Zivilgesellschaft. Sie verlangen die sofortige Freilassung der beiden Jurist*innen, deren Gesundheit schon lange die kritische Schwelle überschritten hat und die sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befinden.
Ebru Timtik und Aytaç Ünsal wurden im März 2019 im Komplex der Verfahren gegen vermeintliche Angehörige der DHKP-C auf Grundlage widersprüchlicher Aussagen eines Kronzeugen zu langjährigen Haftstrafen nach Terrorparagraf verurteilt. Als Rechtsanwält*innen gehören sie der in Istanbul ansässigen linken Vereinigung „Rechtsbüro des Volkes“ („Halkın Hukuk Bürosu“) an. Im Februar sind sie gemeinsam mit weiteren inhaftierten Kolleg*innen in den Hungerstreik getreten, den sie am 5. April – dem „Tag des Anwalts” – in ein „Todesfasten” umgewandelt haben. Zwar stellte die Istanbuler Gerichtsmedizin sowohl bei Timtik als auch bei Ünsal vor einiger Zeit eine Haftunfähigkeit fest, trotzdem werden die beiden nicht aus dem Strafvollzug entlassen. Auch eine Beschwerde beim türkischen Verfassungsgerichtshof in Ankara blieb zuletzt erfolglos.