Haftunfähigkeit hungerstreikender Anwälte bestätigt

Die seit Monaten in türkischer Haft hungerstreikenden Anwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal sind haftunfähig. Vor dem Justizpalast in Istanbul haben Kolleginnen und Kollegen erneut ihre sofortige Freilassung gefordert.

Die seit Monaten in türkischer Haft hungerstreikenden Anwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal sind haftunfähig. Das hat die Gerichtsmedizin am heutigen Vormittag bestätigt. Vor dem Justizpalast im Istanbuler Stadtteil Çağlayan haben Kolleginnen und Kollegen von der „Koordination Freiheit für die Verteidigung“ erneut ihre sofortige Freilassung gefordert. Die Haftentlassung muss noch vom zuständigen Strafgericht angeordnet werden.

Bei der Kundgebung vor dem Justizgebäude hielt Rechtsanwalt Kemal Aytaç eine Rede, in der er auf den rechtlosen Zustand in der Türkei einging. Die Machthabenden in der Türkei hätten zu jeder Zeit massive Repression gegen die politische Opposition ausgeübt, sagte Aytaç. In der letzten Zeit habe die Unterdrückung jedoch eine neue Dimension angenommen. Wer sich der herrschenden Linie widersetze, werde von der Justiz durch öffentlich ausgeprochene Befehle der Regierungsmacht bestraft. Diese Rechtlosigkeit hätten auch die Anwältinnen und Anwälte vom Verein moderner Juristen und dem Rechtsbüro des Volkes erleben müssen. Von den betroffenen 18 Anwälten seien Ebru Timtik und Aytaç Ünsal in ein Todesfasten getreten und befänden sich inzwischen in einem äußerst kritischen Zustand. Alle vorherigen Bemühungen um Gerechtigkeit seien ergebnislos verlaufen, aus diesem Grund hätten sie zu einem drastischen Mittel greifen müssen. Den Hungerstreik bezeichnete Aytaç als „Aufstand gegen Unrecht, Niederträchtigkeit und Entwürdigung“.

Hungerstreik für ein gerechtes Gerichtsverfahren

Ebru Timtik, eine Anwältin der linken Vereinigung „Rechtsbüro des Volkes“ (türk. Halkın Hukuk Bürosu“), befindet sich seit mittlerweile 210 Tagen im sogenannten Todesfasten, ihr Kollege Aytaç Ünsal verweigert seit 179 Tagen jegliche Nahrungsaufnahme. Mit der Aktion fordern sie ein gerechtes Verfahren. Beide wurden aufgrund von widersprüchlichen Aussagen eines Kronzeugen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Aussagen des Überläufers Berk Ercan haben zur Verhaftung von knapp 200 Menschen geführt. Unter ihnen waren auch mehrere Mitglieder der Musikgruppe Grup Yorum und Mustafa Koçak, der zu lebenslanger Haft verurteilt worden war und am 24. April nach 297 Tagen Hungerstreik verstarb. Sie alle wurden im Komplex der Verfahren gegen vermeintliche Angehörige der DHKP-C nach Terrorparagrafen verurteilt.

Das Revisionsverfahren für die Neuprüfung des Urteils gegen Timtik und Ünsal vor dem Kassationshof in Ankara ist noch anhängig.