In Istanbul hat eine Kundgebung für die hungerstreikenden Rechtsanwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal stattgefunden. An der Aktion am Anleger in Kadiköy nahmen Angehörige der Hungerstreikenden, Kolleg*innen und Vertreter*innen politischer Partei und zivilgesellschaftlicher Organisationen teil. Mit Transparenten und Sprechchören wurde die Forderung von Timtik, Ünsal und weiteren hungerstreikenden Gefangenen nach einem gerechten Prozess unterstützt.
Auf der Kundgebung wurde ein Brief von Aytaç Ünsal verlesen, der sich seit 201 Tagen im Todesfasten befindet und gegen seinen Willen im Krankenhaus festgehalten wird. „Um uns von euch zu isolieren, werden wir in Krankenhauszellen gefangen gehalten. Kleine Menschen sind davon ausgegangen, dass wir hier allein sind. Sie irren sich. Ich bin hier und stehe Schulter an Schulter mit euch. Ich kämpfe zusammen mit euch für Gerechtigkeit. Die Krankenhauskorridore, die Mauern und die physische Trennung sind nebensächlich. Wir kämpfen nicht nur für Gerechtigkeit. Unser Kampf richtet sich gleichzeitig gegen die Angst und die Einschüchterung. Wir kämpfen seit Jahren gegen die Hoffnungslosigkeit und Kapitulation, die den Menschen hier eingeimpft wird. Jedes verteilte Flugblatt, jedes aufgehängte Plakat, jedes Gespräch mit anderen Menschen, jeder Tweet und jede Aktion bedeutet Hoffnung und stärkt die Überzeugung. Dieser Widerstand ist unser aller Widerstand.“
Hungerstreik für Gerechtigkeit
Ebru Timtik und Aytaç Ünsal sind seit Monaten im Hungerstreik und werden trotz gerichtsmedizinisch festgestellter Haftunfähigkeit nicht aus dem Strafvollzug entlassen. Auch eine Beschwerde beim türkischen Verfassungsgerichtshof in Ankara blieb zuletzt erfolglos. Die beiden Jurist*innen, die derzeit gegen ihren Willen in verschiedenen Krankenhäusern in Istanbul unter Beobachtung stehen, müssen weiter in Haft bleiben.
Ebru Timtik und Aytaç Ünsal sind Rechtsanwält*innen der linken Vereinigung „Rechtsbüro des Volkes“ („Halkın Hukuk Bürosu“) und waren im Februar gemeinsam mit weiteren inhaftierten Kolleg*innen in den Hungerstreik getreten, den sie am 5. April – dem „Tag des Anwalts” – in ein „Todesfasten” umgewandelt hatten. Die Jurist*innen waren im Komplex der Verfahren gegen vermeintliche Angehörige der DHKP-C aufgrund von widersprüchlichen Aussagen eines Kronzeugen zu langjährigen Haftstrafen nach Terrorparagrafen verurteilt worden. Mit ihrer Aktion fordern sie ein gerechtes Verfahren.