Die kapitalistische Moderne setzt ihre Existenz auf Kosten von Mensch und Natur fort. In der Türkei und Nordkurdistan beutet ein Netzwerk der AKP-Günstlingswirtschaft die Natur aus und richtet massive Zerstörungen an. Sowohl in Ikizdere an der Schwarzmeerküste als auch in Payîzava (tr. Gürpınar) setzt der türkische Staat auf nackte Gewalt bei der Durchsetzung dieser profitorientierten Großprojekte. In Ikizdere soll ein Steinbruch für den Straßenbau und in Payîzava ein Marmorsteinbruch errichtet werden. Der Ko-Sprecher der Umweltschutzplattform Hevsel, Vahap Işıklı, fordert zum gemeinsamen und solidarischen Kampf gegen diese Projekte auf.
„Täglich bis zu 400 Tonnen Wald abgeholzt“
Er erklärt im ANF-Gespräch: „Die Ausplünderung der Region verlangsamt sich nicht. Mit den Staudämmen in den Schluchten Zîlan und Sarım werden die Lebensräume dort zum größten Teil unter Wasser gesetzt werden. Seit einem Jahr wird der Berg Cûdî massiv abgeholzt. Es heißt, dass bereits täglich 400 Tonnen Bäume gefällt werden. Dies zeigt ein düsteres Bild. Dieses Vorgehen in der Region beeinflusst alles Leben negativ, Krankheiten nehmen zu und breiten sich aus.“
Den Kampf vereinen
Işıklı warnt, dass mit der ökonomischen Krise die Ausplünderung der Natur noch weiter zugenommen habe. Er fordert, die Kämpfe zu vereinen. Als Beispiel führt er die Auseinandersetzung in Wan-Payîzava gegen einen Marmorsteinbruch an. Die Bevölkerung des dortigen Ortes Şêxan wehrt sich seit fast zwei Jahrzehnten gegen die Betreiber des Marmorsteinbruchs in ihrem achtzig Kilometer von der Kreisstadt Payîzava entfernten Ort. Die Geschichte des Steinbruchs begann bereits 2003. Aufgrund des Widerstands der Anwohner:innen stellte die Firma DIMER den Marmorabbau 2008 ein. Zwölf Jahre lang herrschte Ruhe in dem Steinbruch, bis dieser im vergangenen Jahr an die Firma SAFBAZ überschrieben wurde. Vergangene Woche war es in Şêxan zu Angriffen des Militärs auf die protestierende Dorfbevölkerung gekommen. Die Soldaten setzten Schusswaffen und Tränengas ein. Vier Personen wurden vorübergehend festgenommen.
Işıklı erklärt: „So wie die Zerstörung des Amazonasurwaldes und das Sterben der Fische im Marmara-Meer muss auch die Zerstörung und Ausplünderung der Natur in Kurdistan thematisiert werden. Wenn niemand die Stimme gegenüber den Geschehnissen in der Region erhebt, wird es noch mehr Plünderungen geben. Das deutlichste Beispiel dafür sind Wälder, die seit Jahren brennen. Stellen Sie sich vor, 400 Tonnen Bäume werden pro Tag am Cûdî gefällt, aber das kommt nicht auf die Tagesordnung. Die Behörden haben keine einzige Erklärung über die Ursachen des Fischsterbens im Zusammenhang mit den Staudämmen abgegeben. Wir müssen gemeinsam gegen die Klimakrise kämpfen, denn sie ist von universeller Bedeutung. Wir stehen zu den Dorfbewohner:innen, die von Wan-Payîzava bis Ikizdere kämpfen. Die Natur betrifft alle und unser Kampf betrifft alle. Deshalb sollten wir in der Lage sein, Seite an Seite zu stehen und zu sagen: ‚Eine neue Welt ist möglich.'“