Wenige Tage vor einer möglichen Räumung von Lützerath hat das Aktionsbündnis „Lützerath Unräumbar“ über seine geplanten Protestaktionen gegen die Zerstörung des Dorfes an der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler informiert. „Wir hoffen, dass wir Lützerath sechs Wochen lang halten können“, sagte Dina Hamid, Sprecherin der Initiative Lützerath Lebt, am Sonntag. Derzeit befänden sich 700 Menschen in dem Erkelenzer Ortsteil, geplant seien unter anderem Sitzblockaden sowie die Besetzung von Baumhäusern und Hütten. „Wir werden um jeden Baum, um jedes Haus, um jeden Meter in diesem Dorf kämpfen. Denn wer Lützerath angreift, greift unsere Zukunft an“, erklärte Luka Scott von Ende Gelände.
RWE will Lützerath abreißen lassen, um an den darunter liegenden Kohleflöz heranzukommen. Dies sei nötig, um die Energieversorgung sicherzustellen, sagt der Konzern. 280 Millionen Tonnen Braunkohle will RWE auf diese Weise allein in Garzweiler noch abbauen. Die schwarz-grüne NRW-Landesregierung und das grün geführte Wirtschaftsministerium hatten dies im vergangenen Oktober endgültig beschlossen. Dabei belegen wissenschaftliche Studien, dass der Dorfabriss für die Sicherung der Energieversorgung nicht nötig ist. Stattdessen würden der Abbau und das Verbrennen der besonders klimaschädlichen Braunkohle das Einhalten der 1,5-Grad-Grenze unmöglich machen und zum Hindernis für die notwendige Energiewende werden.
Für den 17. Januar hat „Lützerath Unräumbar“ zu einem gemeinsamen Aktionstag aufgerufen. Schon in den kommenden Tagen wollen einzelne Gruppen des Bündnisses Widerstand gegen die aktuell laufenden Vorbereitungen für die Räumung und gegen den Abriss des Dorfes leisten. Für Mittwoch war bereits nach der Ausrufung von „Tag X“ für Lützerath ein dezentraler Aktionstag angekündigt worden.
„Deutschland hat gerade wieder seine viel zu laschen Klimaziele verfehlt, weil zu viel Kohle verbrannt wird. Doch statt endlich sofort aus der Kohle auszusteigen, soll Lützerath abgebaggert werden. Damit wird eine neue Klimabombe gezündet - mit katastrophalen Folgen“, betont Luka Scott. Das Bündnis wirft der Bundesregierung vor, unter Lobbyeinfluss der fossilen Industrie zu stehen. „Und während der Braunkohlebagger direkt auf Lützerath zuhält, ist das erste Schiff mit flüssigem Fracking-Gas in Wilhelmshaven angekommen. Dabei ist Flüssiggas genauso ein Klimakiller wie die Kohle. In Lützerath werden wir diese Klimaverbrechen stoppen.“
In dem Bewegungsbündnis „Lützerath Unräumbar“ haben sich angesichts der drohenden Räumung Lützeraths ganz unterschiedliche Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung zusammengeschlossen, darunter Alle Dörfer bleiben, ausgeco2hlt, Ende Gelände, Extinction Rebellion, Fridays for Future, Die Kirche(n) im Dorf lassen, Interventionistische Linke, Kohle erSetzen, Letzte Generation, Scientist Rebellion, RWE & Co. Enteignen, End Fossil: Occupy! und Ums Ganze. Dass sie über einen längeren Zeitraum und am gleichen Ort ihre Kräfte bündeln und aktiv sind, ist eine neue Qualität in der Bewegung für Klimagerechtigkeit. Gemeinsam mit den Aktivist:innen, die Lützerath seit zwei Jahren besetzt halten, wollen sie das Dorf verteidigen und sich der Ausweitung des Tagesbaus widersetzen, um eine Verschärfung der Klimakrise zu verhindern.
Seit Montag sind rund um Lützerath mehrere Hundertschaften der Polizei zur Vorbereitung der Räumung, die um den 11. Januar herum passieren soll, im Einsatz. Erste Strukturen der Besetzung wurden abgerissen und RWE hat angefangen Wälle, Straßen und Stützpunkte zu bauen. Denkbar ist aber auch, dass die Polizei schon vorher eingreift, da sie stetig ihre Präsenz verstärkt. Nach Informationen des „Spiegel“ bereitet sich die Polizei aktuell auf einen Großeinsatz in Lützerath vor. Die Bundespolizei und fast alle Bundesländer schicken demnach Einsatzkräfte nach NRW – neben Wasserwerfern, Pferden und Hunden, berichtete das Magazin am Sonntag mit Verweis auf interne Berichte des nordrhein-westfälischen Innenministeriums und des Polizeipräsidiums Aachen. Trotz der deutschlandweiten Unterstützung hieße es in einem der Berichte, dass „die angebotenen Kräfte“ den Bedarf bislang „nicht vollständig“ abdeckten.
„Hier wird uns wieder klar, warum wir noch nicht aus der Kohle ausgestiegen sind. Unser Staat schützt hier mit viel Geld und Einsatz die Gewinne von RWE“, sagt Dina Hamid von Lützerath Lebt mit Blick auf den Polizeieinsatz in Lützerath und die sich stetig verstärkende Präsenz der Staatsgewalt. „Wir aber schützen das Leben. Wir verteidigen Lützerath, weil wir Lützerath lieben und weil wir endlich demokratisch darüber entscheiden wollen, welchen Strom wir produzieren und wofür.“