Grünheide: Militante legen Tesla-Werk lahm
Eine militante Gruppe hat die Stromversorgung des Tesla-Werks in Grünheide unterbrochen und damit die Produktion des Großkonzerns auf unbestimmte Zeit lahmgelegt.
Eine militante Gruppe hat die Stromversorgung des Tesla-Werks in Grünheide unterbrochen und damit die Produktion des Großkonzerns auf unbestimmte Zeit lahmgelegt.
Am Dienstagmorgen gingen in der „Giga-Factory“, dem Flaggschiff von Elon Musks Version der kapitalistischen Moderne, die Lichter aus. Das Tesla-Werk in Brandenburg steht still. Vertreter des Konzerns sprechen von einem „neunstelligen Schaden“ und einer Unterbrechung der Produktion auf unbestimmte Zeit. Derweilen wurde klar, dass es sich dabei nicht um einen technischen Defekt im Werk des umweltzerstörerischen Großkonzerns des rechten Milliardärs handelt, sondern um eine gezielte Aktion.
Offenbar hat eine militante Gruppe einen Brandanschlag auf die Versorgung des Werks verübt und so Tesla vollkommen lahmgelegt. Die Aktion findet zu einer Zeit statt, in der Tesla seine Produktionsanlagen und Lieferwege gegen den Willen der Mehrheit der lokalen Bevölkerung und gegen den Protest von Umweltaktivist:innen auf ein Wasserschutzgebiet ausdehnen will. Bereits jetzt wurden durch die Abwassereinleitung von Tesla in den letzten zwei Jahren die Grenzwerte von Phosphor und Stickstoff im Wasser deutlich überschritten. Deshalb hatte der Wasserverband gefordert, Tesla die „Abwasserleitung“ zuzudrehen.
„Geschenk zum 8. März“
Die militante Gruppe bezeichnete in einer Erklärung die Aktion als ein „Geschenk zum 8. März“ und wies darauf hin, dass Tesla etwa 6.000 Fahrzeuge pro Woche produziert. Die „komplette Zerstörung der Gigafactory“ sei ein „Schritt auf dem Weg der Befreiung vom Patriarchat“. Die Aktivist:innen schreiben in ihrer Erklärung zu den Folgen der Produktion in der Gigafactory: „Die Gigafactory ist durch ihre extremen Ausbeutungsbedingungen bekannt geworden. Die Fabrik verseucht das Grundwasser und verbraucht für ihre Produkte riesige Mengen der ohnehin knappen Trinkwasserressource. Ohne Skrupel wird dem Land Brandenburg-Berlin für Tesla das Wasser abgegraben. Die Kritiker:innen in den Wasserwerken, die Anwohner:innen, die Ökoaktivist:innen, werden mundtot gemacht. Zahlen werden geschönt. Gesetze gebeugt. Menschen betrogen. Dabei lehnt ein großer Teil der Bevölkerung rund um Grünheide die Gigafactory wegen Wasserraub und Gentrifizierung ab.“ Insbesondere auch die Erweiterung des Werks um weitere 100 Hektar steht in der Kritik der Militanten.
„Material aus Zwangsarbeit in China“
Im Zusammenhang mit der Erweiterung des Werks um einen Güterbahnhof werfen die Militanten Tesla vor, damit solle die Anlieferung von Materialien aus „Zwangsarbeit in der chinesischen Provinz Xingjiang“ erleichtert werden. Tatsächlich steht Tesla in diesem Zusammenhang gemeinsam mit VW und anderen Konzernen in der Kritik. So schrieb Human Rights Watch in einem Bericht: „Einige Autohersteller in China haben sich dem Druck der Regierung gebeugt und wenden in ihren chinesischen Joint Ventures weniger strenge Standards für Menschenrechte und verantwortungsvolle Beschaffung an als in ihren weltweiten Betrieben.“ Tesla, General Motors, BYD, Toyota und Volkswagen hätten demnach nichts unternommen, um das Risiko uigurischer Zwangsarbeit in ihren Aluminium-Lieferketten zu verringern. So stammen über 15 Prozent des in China produzierten Aluminiums, das heißt neun Prozent der Weltproduktion, aus Xinjiang.
„Wirtschaftsministerium frisst Tesla aus der Hand“
In der Erklärung wird dem Brandenburger Wirtschaftsministerium vorgeworfen, im Sinne eines Standortnationalismus ökologische, menschenrechtliche und soziale Gründe für die Verweigerung einer Genehmigung zu ignorieren.
„Mythos vom grünen Wachstum ist ideologischer Zaubertrick“
Gleichzeitig stelle Tesla „ein Symbol für ‚grünen Kapitalismus‘ und einem totalitären technologischen Angriff auf Gesellschaft“ dar, heißt es und weiter: „Der Mythos vom grünen Wachstum ist nur ein schmutziger ideologischer Zaubertrick, um innenpolitisch die Reihen gegen Kritik zu schließen. Man suggeriert einen Ausweg aus der Klimakatastrophe.“
Stattdessen stünde „grüner Kapitalismus“ für „Kolonialismus, Landraub und eine Verschärfung der Klimakrise“, erklären die Aktivist:innen und verweisen beispielhaft auf die Produktion der Lithium-Batterien. Während Elektrofahrzeuge und insbesondere schwere SUVs wie die von Tesla beim Fahren nicht direkt Abgas ausstoßen, so ist doch die Produktion und die Energieversorgung des Individualverkehrs mit massiver Zerstörung verbunden. Im Dreiländereck Bolivien, Chile, Argentinien befinden sich etwa 70 Prozent des weltweiten Lithiums. Für eine Autobatterie werden etwa 10 Kilogramm Lithium verwendet. Für den Abbau von Lithium werden ganze Landstriche in diesen Regionen abgetragen und die indigene Bevölkerung in neokolonialer Manier vertrieben. Giftiger Natriumhydroxidstaub, eine ätzende Chemikalie, die zum Abbau von Lithium benötigt wird, verbreitet sich über ganze Landstriche und lässt Tiere sterben und Menschen krank werden. Das Süßwasser wird kontaminiert.
„Ihr glaubt, damit könnt die Menschheit retten, aber ihr werdet uns alle umbringen“
Wenn man in die Abbaugebiete blickt, so wird die verzweifelte Lage der Bevölkerung deutlich. Clemente Flores, der Wortführer von insgesamt 33 Gemeinden in Salinas Grandes in Argentinien, ist Vertreter der Proteste gegen die Lithiumproduktion dort. Er brachte die Folgen des „grünen Kapitalismus“ mit den Worten auf den Punkt: „Der Abbau von Lithium für Europa und der Wechsel zum Elektroauto wird unsere Gemeinden und unsere Landschaft umbringen. Und bisher kannten wir hier keine Autos. Schon gar keine Elektroautos – die kennen wir nur vom Foto. Ihr glaubt, damit könnt ihr die Menschheit retten, aber ihr werdet uns alle umbringen.“ Die Militanten der Vulkangruppe erklären, dass Musk genau das in Kauf nimmt, in der Erklärung heißt es: „Zur Durchsetzung des Lithiumabbaus in Bolivien legt Musk die Karten auf den Tisch: ‚Wir werden putschen, wenn wir wollen‘ und kommentiert damit den indigenen Widerstand gegen den Abbau. Bodenschätze werden zu brutalen Bedingungen der Erde entrissen.“
„Arbeitsbedingungen selbst in Grünheide gelten als katastrophal“
Elon Musk ist als Feind von Arbeiter:innenorganisierung berüchtigt. Diese Politik wird auch im Werk in Grünheide durch die Entlassung von gewerkschaftlich organisierten Betriebsräten durchgesetzt. Die Aktivist:innen kritisieren: „Trotz eines von Tesla installierten gelben Betriebsrats dringen die Zustände in der Fabrik nach außen. Um Unfallstatistiken zu schönen, werden Menschen statt mit einem Notruf und Krankenwagen mit einem Taxi ins Krankenhaus gebracht. Interne Widersacher werden gekündigt und falls sie sich juristisch wehren, werden sie in einen juristischen Vergleich gezwungen.“
„Musk steht auf Seite eines todbringenden Maskulinismus“
Die Aktivist:innen kritisieren in ihrer Recherche auch die Überwachungstechnologie, die durch Tesla implementiert wird, und die Gefahr, die von den schweren Fahrzeugen für andere Verkehrsteilnehmer:innen ausgeht. Insbesondere werfen die Aktivist:innen Musk vor „auf der Seite eines todbringenden Maskulinismus“ zu stehen, und verweisen auf seine Verbrüderungen mit Antisemit:innen, Antifeminist:innen, der AfD und nicht zuletzt mit dem rechtsextremen argentinischen Präsidenten Milei. Die Aktivist:innen beschreiben Musk als einen „neuen Typus eines neoliberalen und patriarchalen, neokolonialen Raubtierkapitalisten“. Den aktuellen Ausdruck der kapitalistischen Moderne beschreiben sie als einen „invasiven Zeitgeist, der die selbst-fabrizierten ökonomischen Krisen der Verwertung benutzt, um die nächste Zerstörung in Angriff zu nehmen“. Allerdings stehe dieser in der Tradition des Faschismus, so wie der Nazianhänger Henry Ford.
„Das Auto muss auf den Müllhaufen der Geschichte“
Die Aktivist:innen fordern, das Auto auf den „Müllhaufen der Geschichte“ zu werfen und stattdessen einen kostenlosen Öffentlichen Personenverkehr auszubauen. Dies werde jedoch aus Profitinteressen nicht getan. Allerdings sei die Situation heute eine andere: „Neu ist, dass die Kipppunkte, die uns die Endlichkeit dieser zerstörerischen Lebensweise vor Augen führen, vielfach überschritten sind. Andere Kipppunkte rücken in atemberaubender Geschwindigkeit näher. Jahr für Jahr, Monat für Monat, Tag für Tag.“
Innenminister bläst zur Terror-Hatz
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) griff angesichts der Aktion tief in die Schublade der Repressionsvokabulars und erklärte: „Das sind Kriminelle, die auch billigend in Kauf nehmen, dass Menschen zu Schaden oder zu Tode kommen durch ihre Anschläge. Das sind Verbrecher – und wir werden sie jagen mit allen Mitteln, die unser Rechtsstaat zur Verfügung stellt.“ Gleichzeitig werde man prüfen, ob man dem Protestcamp gegen den Ausbau des Tesla-Werks „die Duldung“ entziehen werde. Wenn das Wirtschaftsministerium jegliche ökologische und soziale Grundsätze verworfen hat, um dem Musk-Imperium die Niederlassung in Brandenburg zu ermöglichen, dann ist es nur folgerichtig, dass der Innenminister als Werkschutz zur Menschenjagd bläst.