Die türkische Armee hat im Kreis Gever in der nordkurdischen Provinz Colemêrg (tr. Hakkari) ein Zutrittsverbot zu mehreren Almen erteilt. Betroffen von der Maßnahme sind die Bergweiden Meydan Belek, Zoma Heleyîse und Çil Kaniya bei der Gemeinde Xirvate (Büyükçiftlik). Diese gelten ab sofort als sogenannte Sondersicherheitszone und dürfen fortan von der Bevölkerung nicht mehr betreten werden. Eine entsprechende Anordnung des zuständigen Gouverneursamts liegt bisher allerdings nicht vor.
Viehzucht ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Bevölkerung in Gever und anderen Teilen der Provinz. Das Zutrittsverbot in die Almen stellt daher einen besonders schweren Schlag für die regionale Weidewirtschaft dar. Statt die Tiere noch bis zum Herbst ins Gebirge zu treiben, muss die Bevölkerung ihre Herden – vornehmlich Schafe – in den Dörfern halten und ernähren. Dies ist allerdings mit größten Schwierigkeiten verbunden, da es an Gras und sauberem Wasser fehlt. Die Bevölkerung in Gever befürchtet daher ein Massenverenden von Schafen.
Durch das Zutrittsverbot ist es außerdem faktisch unmöglich, die Heuernte durchzuführen. Das bedeutet, dass Heuvorräte nicht angelegt werden können. Sollten die Tiere die große Hitze im Sommer überstehen, droht ihnen spätestens im Winter der Hungertod. Mehrere Hirten aus Gever sind am Mittwoch in das örtliche Basisgelände des türkischen Militärs zitiert worden. Dort sei ihnen der Beschluss über das Zutrittsverbot zu den Almen übermittelt. Eine Begründung wurde offenbar nicht genannt.
Auffällig ist, dass es sich bei Meydan Belek, Zoma Heleyîse und Çil Kaniya um die drei höchsten Bergweiden in der Region handelt. Hinter der Maßnahme dürften daher militärtechnische Motive stecken. Gever (türkischer Name: Yüksekova) liegt im äußersten Südosten des türkischen Staatsgebiets und ist als kurdische Widerstandshochburg bekannt. Im Süden grenzt der Kreis an die Kurdistan-Region Irak und damit an die Medya-Verteidigungsgebiete. Dort führt die türkische Armee seit April eine Invasion durch. Gever hat damit eine strategische Position inne.
In dem Kreis laufen zudem mehrere Militäroperationen gegen die kurdische Guerilla, von denen vor allem die Zivilbevölkerung betroffen sind. Erst Ende Juli war das Dorf Zêvkan im Zuge einer Operation von der türkischen Armee überfallen wollen, sechs Personen aus einer Familie wurden verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, sich als „PKK-Milizionäre“ betätigt zu haben, unter den Betroffenen ist auch ein 72-jähriger Bauer. Im Vorfeld waren sie vom örtlichen Gouverneur öffentlich als PKK-Mitglieder bezeichnet worden. Ihr Verteidiger moniert, dass die Verhaftungen keine rechtliche Grundlage hätten.