In der Schweiz sind neun Klimaaktivist:innen wegen einer Blockade der Großbank Credit Suisse (CS) zu Geldstrafen verurteilt worden. Acht Beschuldigte sollen wegen Nötigung und Hausfriedensbruch 40 Tagessätze zu je 10 Franken (umgerechnet etwa 365 Euro) zahlen, ein weiterer Aktivist ausschließlich wegen Nötigung 300 Franken. Zusätzlich fallen Gerichtskosten und Verfahrensgebühren im fünfstelligen Bereich an. Das Bündnis „Collective Climate Justice” bezeichnete das Urteil als „rückständig und nicht zeitgemäß – genauso wie das auf fossile Energien beruhende Wirtschaftsmodell”. Das Zürcher Bezirksgericht habe mit seiner Entscheidung die Chance verpasst, das geltende Recht der gesellschaftlichen Realität anzupassen. „Die Credit Suisse darf hingegen weiterhin ungestraft das Pariser Klimaschutzabkommen missachten und Milliarden in klimaschädliche Projekte investieren.” Die betroffenen Aktivist:innen haben angekündigt, vor die nächste Instanz zu ziehen.
Hotspots des Schweizer Finanzplatzes blockiert
Am 8. Juli 2019 blockierten Aktivist:innen von Collective Climate Justice mit einem friedlichen Protest den Hauptsitz der CS am Paradeplatz in Zürich und die UBS-Zentrale in Basel, um auf das klimaschädliche Geschäftsmodell der beiden Banken, zwei Hotspots des Schweizer Finanzplatzes, aufmerksam zu machen. Das Bündnis, dem neben vielen Einzelpersonen der verschiedensten politischen Zusammenhänge auch Aktivist:innen von Collectif Break Free Suisse, Bewegung für den Sozialismus, Multiwatch, Es Zündhölzli für Banken, Revolutionärer Aufbau und Greenpeace angehören, fordert den sofortigen und gerechten Ausstieg der Schweizer Großbanken aus den Investitionen in klimaschädliche fossile Energien und kämpft als Teil der Schweizer Klimagerechtigkeitsbewegung für eine lebenswerte Zukunft für alle.
Fotos: Collective Climate Justice
Rund 100 Festnahmen nach Blockade
Die Polizei löste die Blockadeaktionen in Zürich und Basel auf, insgesamt wurden rund 100 Aktivist:innen festgenommen und für knapp 48 Stunden in Gewahrsam gehalten. In Basel belegte die Staatsanwaltschaft mehrere nicht-schweizerische Aktivist:innen mit Aufenthaltssperren für die Schweiz von bis zu drei Jahren. Zur Begründung hieß es, die internationalen Beziehungen des Landes seien in Gefahr. Allein 64 Personen wurden in Zürich abgeführt, gegen 51 leiteten die Behörden ein Strafverfahren ein. 42 von ihnen akzeptierten den Strafbefehl, die neun restlichen Beschuldigten legten Einspruch ein. Beim Prozess diese Woche, der aus Platzgründen im Volkshaus statt im Gerichtsgebäude stattfand, argumentierten sie, dass sie angesichts der Klimakrise Aktionen des zivilen Ungehorsams als legitimes Mittel ansehen, um auf die Dringlichkeit eines Systemwandels aufmerksam zu machen. Vor der Blockade der CS hätten sie alle anderen Möglichkeiten bereits ausgeschöpft. Es sei eine symbolische Aktion gewesen, bei der nichts beschädigt worden sei.
Staatsanwalt bezeichnet Aktivist:innen als „Naivlinge”
Der Staatsanwalt sah das anders und bezeichnete die sechs Aktivistinnen und drei Aktivisten als „Naivlinge”. Er könne die Empörung über den Klimawandel zwar nachvollziehen, sein Verständnis höre aber dort auf, „wo das Gesetz gebrochen wird”. Zudem würden Aktionen wie die Blockade der Credit Suisse den Klimawandel nicht abwenden. Die Aktivist:innen hatten damals den CS-Eingang mit Pflanzenkübeln und ineinander verkeilten Velos blockiert, einige Beteiligte ketteten sich an. Die Polizei schnitt die Ketten mit einer Trennscheibe auf und trug die Aktivist:innen, die vor dem Eingang lagen, weg. Dafür forderte die Staatsanwaltschaft für sämtliche Beteiligte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 30 Franken sowie eine Geldbuße von 1000 Franken. Der Richter folgte dem Antrag mehrheitlich. „Offenbar war für den Richter schwer zu begreifen, woran die Fachwelt wie auch die jüngsten und immer häufigeren klimatischen Ereignisse uns regelmäßig erinnern: an Realität und Ausmaß der Klimakrise”, kommentierte einer der verurteilten Aktivisten die Gerichtsentscheidung. „Der fortschreitende Klimawandel bedroht die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. Gleichzeitig führen Banken, multinationale Unternehmen und auch die Politik ihr ‚business as usual’ fort.” Die Verteidiger:innen der Aktivist:innen hatten eine Verfahrenseinstellung sowie Freisprüche gefordert.
Bündnis: Klimazerstörung legal und Klimaschutz kriminell?
„Die neun verurteilten Menschen hatten mit ihrem Protest vor dem Hauptsitz der Credit Suisse im Sommer 2019 auf die Zerstörung unseres Planeten durch das unverantwortliche Handeln der führenden Schweizer Großbank aufmerksam gemacht. Trotz grüner Versprechen investierte die Credit Suisse seit dem Abschluss des Paris Klimaschutzabkommens 82,2 Milliarden US-Dollar in fossile Brennstoffe. Sie rangiert damit in einem weltweiten Vergleich der 60 größten Banken auf Platz 19, europaweit sogar auf Platz 4 (Banking on Climate Chaos, 2021). In der Schweiz ist und bleibt der Finanzplatz der größte Klimasünder. Im November 2020 schrieb das Bundesamt für Umwelt über den Schweizer Finanzplatz: Das heutige Investitionsverhalten unterstützt nicht nur erheblich die Kohle- und Erdölförderung, sondern sogar noch deren weiteren Ausbau. Dies läuft den Klimazielen klar zuwider.”, erklärte das Bündnis Collective Climate Justice. Die CS solle jetzt aber nicht glauben, mit einem Gerichtsurteil eine Bewegung aufhalten zu können. Man habe es mit „der letzten Generation” zu tun, die die kommende Klimakatastrophe abhalten könne. „Wir sehen uns vor der nächsten Instanz. Denn Klimaschützen ist kein Verbrechen!”
UBS und CS an Rodung von Hambacher Forst beteiligt
Die UBS und die Credit Suisse haben schon in den Jahren 2015 bis 2017 insgesamt 10,1 Milliarden Euro für 47 globale Unternehmen bereitgestellt, die besonders dreckige fossile Brennstoffe wie Teersand, Öl aus der Arktis oder Kohle nutzbar machen und finanzieren damit doppelt soviel Treibhausgasemissionen wie die ganze Schweiz. Die dadurch verursachten Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen stünden der damit finanzierten Klimakrise in nichts nach, so das Collective Climate Justice. 2020 war die Credit Suisse der global größte, nicht-chinesische Geldgeber für den Kohlebergbau in den vergangenen vier Jahren. Im selben Jahr befand sich das Unternehmen auch unter den europäischen Top 5 der Banken, welche die fossilen Industriebranchen finanzieren. In Deutschland gehören beide Banken unter anderem zu den Investoren des Energiekonzerns RWE, der durch den Braunkohleabbau zu den größten CO2-Produzenten Europas gehört. Damit waren Credit Suisse und UBS auch an der Rodung des Hambacher Waldes beteiligt.