Ezirgan: Erdrutsch an Goldmine – Arbeiter verschüttet

In der nordkurdischen Provinz Ezirgan wurden Arbeiter bei einem Erdrutsch in einer Goldmine verschüttet. Die DEM-Partei macht die Fahrlässigkeit der AKP/MHP-Regierung und die Skrupellosigkeit der Bergbauunternehmen für das Unglück verantwortlich.

An der Çöpler-Goldmine im Kreis Licik (tr. İliç) in der nordkurdischen Provinz Ezirgan (tr. Erzincan) kam es am Dienstag zu einem schweren Erdrutsch. Ein riesiger Schutthang zyanidverseuchter Erde rutschte ab und verschüttete etliche Arbeiter. Nach Angaben des Innenministeriums besteht bisher kein Kontakt zu den Verschütteten. Demnach werden von den 667 Beschäftigten in der Mine neun vermisst. Ob diese Zahl zutrifft und die 667 offiziell angestellten Personen alle sind, die sich zu dieser Zeit am Ort der Katastrophe aufhielten, bleibt unklar. Die Aussagen des Gouverneurs, der Erdrutsch sei aufgrund der Aufschüttung von Abraum entstanden, deutet auf Fahrlässigkeit als Ursache des Unglücks hin. Nach Angaben des Justizministeriums hätten vier Staatsanwälte entsprechende Ermittlungen aufgenommen.

Gouverneur verschleiert Giftigkeit des Abraums

Während der türkische Gouverneur der kurdischen Provinz behauptete, es handele sich um Erde, unter denen die Arbeiter verschüttet seien, warnen Umweltinitiativen vor dem hochgiftigen Abraum. Die Umweltplattform von İliç erklärte angesichts der Katastrophe: „Wir haben gesagt, dass die Katastrophen in İliç nicht enden werden, heute gibt es eine Eilmeldung, dass es einen großen Rutsch auf dem Abraum-Berg gegeben habe, es heißt, dass sich Arbeiter darunter befänden! Der Gouverneur von Erzincan sagt immer noch, es handele sich um einen Erdrutsch, nein, das ist der zyanidverseuchte Abraum, Millionen von Tonnen giftiger Erde!“

Der Abbraum ist hochgiftig, so dass die Rettungskräfte nach Angaben von Bergbauingenieuren Schutzkleidung tragen müssten, um nicht vergiftet zu werden. Aufnahmen zeigen, dass dies nicht geschieht. Offenbar hat sich feiner Zyanidstaub beim Erdrutsch gelöst und eine toxische Wolke gebildet, welche sich über der Umgebung ausbreitet. Zyanid wird immer noch vielerorts als ein Mittel eingesetzt, um das Gold aus dem Boden durch Amalgamierung zu lösen. So entstehen massive Umweltprobleme.

DEM-Partei macht AKP-Regierung mitverantwortlich

Die DEM-Partei legt den Finger in die Wunde: „Die Regierung und die ihr hörigen Kapitalisten sind für jeden Verlust von Menschenleben in İliç verantwortlich“, erklärte die Parteikommission für Ökologie und Landwirtschaft. „Es handelt sich um ein Massaker mit einer Reihe von Verantwortlichen! Das kanadische Unternehmen Anagold als Betreiber der Mine, die Çalık Holding als einer der Gesellschafter der Mine sowie die AKP-Regierung und ihre Bürokraten, die die Augen vor dieser eklatanten Katastrophe verschlossen haben, sind nacheinander und gleichermaßen für diese Katastrophe verantwortlich. Infolge des Erdrutsches wurde krebserregendes Zyanid in die Luft, das Wasser und den Boden freigesetzt. Die Wirkung des Zyanids, das die Wasserressourcen, den gesamten Boden und die Atmosphäre in der Region vergiftet, wird noch sehr lange anhalten. Die AKP-Regierung, die stets dem Kapital und den Konzernen zu Diensten war, hat nicht einmal berücksichtigt, dass sich in der Region, in der die Mine Çöpler Complex in Betrieb ist, die aktive Bingöl-Yedisu-Verwerfungslinie befindet. Für dieses Bergbauprojekt wurde 2008 eine positive Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt. Darüber hinaus wurde die Kapazität zweimal mit neuen UVP-Berichten in den Jahren 2014 und 2021 erhöht. Im Jahr 2019 wurde die Mine von der Zyanidproduktion auf die Produktion mit 39 Arten von Chemikalien plus Schwefelsäure plus Zyanid umgestellt. Im August 2023 erhielt Anagold die Genehmigung, den Tagebau innerhalb des Minengeländes um weitere 5,83 Hektar zu erweitern, wobei die Entscheidung ‚UVP nicht erforderlich‘ lautete.”

DEM-Partei: „Mine schließen – Verantwortliche bestrafen“

Die DEM-Partei fordert die Schließung der Mine: „Die Bergbaulizenz für diese Mine, die nach wie vor eine Gefahr für die Natur und die Menschen in der Region darstellt, muss unverzüglich aufgehoben und das Bergwerk geschlossen werden. Es müssen dringend Schritte unternommen werden, um die Schwermetalle und giftigen Chemikalien, die in die Luft, das Wasser und den Boden gelangt sind, so schnell wie möglich zu entfernen. Dazu müssen wirksame Maßnahmen ergriffen werden. Es müssen unverzüglich Maßnahmen zum Schutz der Anwohner:innen, der Ortschaften in der Nähe und der Umwelt, die von der Zyanidwolke, die sich durch das Abrutschen des Bodens entstanden ist, betroffen sind, ergriffen werden. Dieser Vorfall ist ein Massaker! Als DEM-Partei werden wir das Thema so lange verfolgen, bis alle Verantwortlichen für dieses Massaker zur Rechenschaft gezogen werden."

Bereits zuvor Giftkatastrophe durch Goldkonzern

Der US-Kanadische Goldkonzern Anagold, der die Mine gemeinsam mit der Çalık Holding betreibt, geriet bereits 2022 in die Schlagzeilen, als bis zu 20 Tonnen Zyanid und große Mengen Schwefelsäure in den Euphrat strömten. Die Firma dementierte und behauptete, es habe sich nur um acht Kilogramm gehandelt. Obwohl es sich um eine gewaltige ökogische Katastrophe handelte, wurde dem Konzern nicht die Lizenz entzogen. Stattdessen wurde er zu einer geringen Geldstrafe von 16,4 Millionen Lira (weit weniger als eine Million Euro) verurteilt.

Ein Goldkonzern mit Beteiligung der AKP

Stattdessen machte die Firma Rekordersparnisse durch den Staat. Im Rahmen einer Steueramnestie vom 12. März 2023 wurden dem Konzern Steuern, Zinsen und Strafen in Höhe von 7,2 Millionen USD erlassen. Stattdessen musste die Firma nur eine Barzahlung in Höhe von 1,4 Mio. USD anstelle von 8,6 Mio. USD leisten. Eine lächerliche Summe im Anbetracht von 1,5 Milliarden USD Einkommen zwischen 2020 und 2023 aus der Mine; davon 334,6 Millionen USD Reingewinn. Diese Unterstützung einer extrem gefährlichen Mine ist nicht allein mit der neoliberalen Politik zu erklären. Betrachtet man den Mitbetreiber der Mine, die Çalık Holding, genauer, werden die Hintergründe klarer.

Die Çalık Holding ist für etwa 20 Prozent der Mine verantwortlich und einer der am schnellsten wachsenden Konzerne unter der AKP-Regierung. Dank Privatisierungen, TOKİ-Ausschreibungen, Abkommen und günstiger Kreditkonditionen ist die Holding in vielen Sektoren von Energie bis Telekommunikation, Finanzen bis Textilien, Bauwesen bis Medien, schnell gewachsen. Laut ihren Jahresberichten hat die Holding ihr Eigenkapital von 2012 bis 2020 etwa verneunfacht, von 1 Milliarde 600 Millionen Lira auf 13 Milliarden 900 Millionen Lira. Ahmet Çalık, der Eigentümer der Holding, wird in der Forbes-Liste von 2021 mit einem Vermögen von 1,5 Milliarden Dollar geführt. In der Forbes-Liste der „100 reichsten Türken“ von 2020 rangiert Çalık auf Platz 15. Gleichzeitig hat die Çalık Holding Millionenbeträge in Offshore-Firmen an der Steuer vorbeigeschleust. Die Holding ist für ihre Nähe zur AKP bekannt.

Enge Verbindungen der Familie Erdogan mit Çalık Holding

Im Jahr 2010 erhielt das Unternehmen DAPRAŞ der Çalık-Gruppe eine Förderbescheinigung für eine Investition in Höhe von 14,8 Milliarden Lira für ein Raffinerieprojekt in Ceyhan. Erdoğans Schwiegersohn Berat Albayrak wurde 2007 zum Generaldirektor der Çalık Holding ernannt.

Die Holding hat zahlreiche Ausschreibungen in den Bereichen Telekommunikation, Bauwesen, Energie und Bergbau gewonnen und war auch der Gewinner der Ausschreibung vom Dezember 2007 des beschlagnahmten Medienkonzerns Sabah-ATV. Alle Teilnehmer zogen sich von der Ausschreibung zurück, und das einzige Angebot kam von der Holding, deren Generaldirektor Berat Albayrak damals war. Während des Einstiegs in den Mediensektor erhielt die Gruppe ein Darlehen von 750 Millionen Dollar von öffentlichen Banken. Der Verkauf von Sabah-ATV an die Çalık-Gruppe stellte eine Zäsur in der Medienbranche dar. Danach begann der Prozess, bei dem der Großteil der Mainstream-Medien an regierungsnahe Unternehmen übertragen wurde. Am 20. Dezember 2013 übertrug die Çalık Holding ihre Tochtergesellschaft Turkuvaz Medya an die Kalyon Group und beendete ihre Aktivitäten im Mediensektor.

Eine Hochzeit von Staat und Kapital

Die Verbindung zur AKP wurde bei der Hochzeit des Sohnes von Ahmet Çalık, dem Vorsitzenden der Çalık Holding, besonders deutlich. Mehmet Tevfik Göksu, Bürgermeister von Esenler, nahm die Trauung vor. Der ehemalige Ministerpräsident der Türkei, Binali Yıldırım (AKP) war Trauzeuge. Der ehemalige Geheimdienstchef und aktuelle Außenminister Hakan Fidan, der Kriegsminister Hulusi Akar und viele weitere hochrangige AKP-Regierungsvertreter nahmen an der Hochzeit teil. Die Braut war die seit vier Amtsperioden für die AKP im Parlament befindliche Abgeordnete Öznur Çalık.