„Die Reichen und die Konzerne sollen für die Klimakrise zahlen!“

In Frankfurt findet heute der letzte Tag der Global Climate Week statt. Aktivist*innen der Kampagne Make Rojava Green Again haben ihre Eindrücke der Aktionswoche für uns zusammengefasst.

„Wir müssen die Kämpfe verbinden“. Das ist ein Satz, den wohl die meisten Menschen, die für eine solidarische und freie Gesellschaft kämpfen, unterschreiben würden. Doch oft bleibt er eine leere Hülle, denn oft genug arbeiten demokratische und linke Bewegungen, Initiativen und Gruppen aneinander vorbei statt miteinander. Linke Aktivist*innen in Frankfurt am Main haben im Rahmen der von Fridays For Future ausgerufenen Global Climate Week gezeigt, dass es anders geht. Am Ufer des Mains haben sie seit Montag ein Camp organisiert, an dem bis heute täglich Workshops und Aktionen stattfinden. Am Mittwoch nahmen auch Aktivisten der Ökologiekampagne Make Rojava Green Again am Camp teil. Sie schildern hier ihre Eindrücke:

„Als wir am Camp ankommen sind bereits zwei Dutzend Leute da, die sich unterhalten, Kaffee trinken und sich um die Workshopzelte kümmern. ‚Wir Jugendlichen organisieren das hier alles selbst‘, erklärt eine Aktivistin von Fridays For Future. Das inhaltliche Programm beginnt schon mittags, mit Workshops zu Neokolonialismus, Greenwashing, dem sozialen, feministischen und ökologischen Widerstand der Zapatistas in Chiapas (Mexiko) und Rojava. In der Diskussion zu Rojava und Chiapas wird auch bei dieser Veranstaltung wieder deutlich, wie viel beide Revolutionen vereint, obwohl sie verschiedene geschichtliche Hintergründe und ideologische Bezugspunkte haben.

Sowohl in Rojava als auch in Chiapas werden radikaldemokratische Strukturen und Kooperativen aufgebaut. Und auch der Kampf gegen das Patriarchat vereint die beiden Bewegungen: Ähnlich wie in Rojava stehen auch in Chiapas Frauen mit an vorderster Front. So waren auch die ersten Gesetze, die von den Zapatistas beschlossen wurden, nachdem sie die Regierung und Paramilitärs aus ihren Gebieten verdrängt hatten, antipatriarchale Regelungen. Beispielsweise zur Beteiligung von Frauen in der Bildung und in den Räten oder zum Verbot von Alkohol und anderen Drogen, weil diese patriarchale Gewalt und die Faulheit von Männern verstärken.

Die Zeit ist an diesem Mittwoch mal wieder zu knapp, um alles auszudiskutieren, denn es geht los zur Demo. Den Leuten vom Camp schließen sich bei der Startkundgebung vor dem brasilianischen Konsulat weitere Menschen an. Darunter befinden sich auch Aktivist*innen mit brasilianischen Wurzeln. ‚Unsere Wälder brennen und insbesondere die indigenen Menschen im Amazonas sind betroffen‘, erklärt einer der Aktivisten aufgebracht. Verschärft wird die Naturzerstörung und die rassistische Vertreibungspolitik gegen die Indigenas durch den Frauenhasser und Faschisten Jair Bolsonaro, der das Land seit Beginn dieses Jahres regiert. Es sind vor allem die Konzerne und Großgrundbesitzer, die dem Faschismus in Brasilien den Rücken stärken. Sie sind es, die die Natur weiter dem Profit unterordnen wollen, und den Regenwald immer stärker abholzen und brandroden. Und deshalb beginnt die Demo an diesem Mittwoch vor dem brasilianischen Konsulat. ‚Brecht die Macht der Banken und Konzerne!‘, hallt es durch die Straßen als die Demo sich in Bewegung setzt.

Dann geht es weiter zur örtlichen CDU-Zentrale. Ein Redner von Make Rojava Green Again greift die Partei scharf an, Passant*innen drehen sich immer wieder verwundert um. Vor dem Eingang der Parteizentrale haben sich Polizisten breitgemacht. ‚Die CDU ist eine Partei der Aufrüstung, eine Partei der Kriege und der Waffenexporte‘, tönt es vom Lautsprecherwagen. Insbesondere die Genehmigung von Waffenlieferungen an das Erdogan-Regime und andere Regime wird bei der Demonstration kritisiert. Aber auch die Rolle, welche die deutsche Regierung und Wirtschaft bei der Unterstützung der Kriege in Kurdistan spielt, wird thematisiert. Und dabei kommen nicht nur die CDU, sondern auch die SPD, die Grünen und die FDP schlecht weg. Antimilitarismus und internationale Solidarität spielt eine wichtige Rolle im Kampf um Klima und Natur, das wird bei den Aktionen von Fridays For Future Frankfurt zur Klimawoche deutlich.

Krieg ist immer auch Krieg gegen die Natur, dabei spielen direkte ökologische Schäden durch Kampfhandlungen eine Rolle, wie sie beim Einsatz von Brandkampstoffen, chemischen Kampfstoffen oder Uranmunition entstehen. Doch es geht auch um direkte ökologische Kriegsführung, wie sie von Machthabern wie Erdogan betrieben werden, wenn dieser zum Beispiel riesige Staudämme baut, um den Leuten in Rojava, Başûr (Südkurdistan), Syrien und dem Irak das Wasser abzuschnüren. Oder wenn die türkische Armee Wälder, Olivenhaine und Felder anzündet. Das alles wird auch bei Fridays For Future in Frankfurt thematisiert.Und natürlich wird auch immer wieder auf die Rolle, die Militärapparate weltweit für den Klimawandel spielen, eingegangen. So stößt beispielsweise allein die US-Armee mehr Kohlenstoffdioxid aus als ganze Nationalstaaten wie Portugal oder Schweden.

Die Demo und das Camp in Frankfurt zeigen, wie Themen und Aktivist*innen aus verschiedenen sozialen und ökologischen Bewegungen vereint werden können. Mit kreativen Slogans zeigen die Aktivist*innen Solidarität mit der Revolution in Kurdistan und Nordostsyrien: ‚Fridays For Future international – Solidarität mit Rojava!‘

Ein wichtiges Anliegen der Demonstrierenden sind auch die Fluchtursachen, die durch Krieg, Naturzerstörung und Klimawandel entstehen. ‚Die reichen Länder, die am meisten Verantwortung für Klimakrise und Krieg tragen, schotten sich ab‘, erklärt ein Redner von Seebrücke bei der Abschlusskundgebung. Es werden Schilder aufgestellt, auf denen den rund 700 Menschen gedacht wird, die bei ihrer Flucht Richtung Europa allein in diesem Jahr bereits ertrunken sind.

Nach der Demo sammeln sich alle wieder auf dem Camp am nördlichen Mainufer. Und dann geht auch schon wieder das Programm weiter: In einem der Zelte diskutieren drei Aktivist*innen über die Klimabewegung. Vor allem geht es dabei um die Frage, in welche Richtung sich die Bewegung entwickeln soll. Selbstkritisch wird festgestellt, dass die Klimabewegung in Europa nicht den Durchschnitt der Bevölkerung repräsentiert, überdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche, die sich bei Fridays For Future oder bei den Aktionen von Ende Gelände und anderen Organisationen dabei sind, kommen aus eher wohlhabenden Familien. Migrant*innen und Geflüchtete sind unterrepräsentiert.

Das festzustellen ist wichtig, auch wenn dieses Problem vielen in der Klimabewegung bereits seit langem bewusst ist. Jetzt ist es entscheidend, Lösungen für das Problem zu finden, darüber ist man sich auch auf dem Podium in Frankfurt einig. Und auch über konkrete Ansätze wird diskutiert. Zum Beispiel wie die soziale und die ökologische Frage stärker zusammengebracht werden können. ‚Warum haben denn viele Leute Vorbehalte, wenn es um Klimaschutz geht?‘, fragt ein Aktivist in den Raum und liefert die Antwort gleich selbst: ‚Weil sie Angst haben, dass sie es sind, die für die Klimakrise zur Kasse gebeten werden. Und diese Angst ist gerechtfertigt. Die Regierungen werden versuchen, die Kosten der Krise auf unsere Klasse abzuwälzen. Deswegen liegt es an uns, dass wir klarstellen: Nicht wir werden zahlen, sondern die, die am meisten für sie verantwortlich sind: Die Reichen und Konzerne. Sie sollen für die Krise zahlen!‘

Immer wieder tauchen bei der Podiumsdiskussion auch Skizzen einer neuen, ökologischen und solidarischen Welt auf. Ihre Ansätze reichen von Rojava bis Chiapas, von Frankfurt am Main bis Brasilien. Von dort berichtet eine Aktivistin über die Landlosenbewegung, eine Bewegung, die sich das Land, das der Landbevölkerung von Großgrundbesitzern und Agrarkonzernen geraubte wurde, zurücknimmt und enteignet. Und auch in dieser Bewegung geht es, wie in Chiapas und Rojava, um wirkliche Demokratie und darum, das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das ist es wohl auch, was wir von diesen Bewegungen lernen können. ‚Es sei schon richtig die Regierungen mit Forderungen zu konfrontieren und durch zivilen Ungehorsam Druck aufzubauen. Aber mindestens genauso wichtig ist es, dass wir uns organisieren und eigene Strukturen aufbauen‘, stellt eine junge Klimaaktivistin bei zum Abschuss der Diskussion treffend fest.“