GfbV warnt: Mullah-Regime agiert gegen Kurd:innen und Opposition

Die andauernde Eskalation zwischen Israel und dem Iran gibt der GfbV Anlass zu großer Sorge. Sie befürchtet eine wachsende Gefahr neuer Angriffe des Mullah-Regimes auf Kurd:innen im Westen des Landes sowie auf die iranische Opposition.

Erhöhte Militärpräsenz in kurdischen Gebieten

Angesichts der andauernden Eskalation zwischen Israel und dem Iran äußert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in einer aktuellen Pressemitteilung große Sorge über die wachsende Gefahr neuer Angriffe des Mullah-Regimes auf die Kurd:innen im Westen des Landes sowie auf die iranische Opposition.

Erhöhte Militärpräsenz in kurdischen Gebieten

Der GfbV-Nahostreferent Dr. Kamal Sido berichtete hierzu heute in Göttingen: „In den mehrheitlich kurdischen Gebieten hat das Regime seine Truppen verstärkt, insbesondere an der Grenze zu Irakisch-Kurdistan. Zwischen den kurdischen Ortschaften, aber auch innerhalb der Dörfer, wurden vielerorts Checkpoints der Revolutionsgarden und der Armee eingerichtet. Diese werden vom iranischen Regime genutzt, um gegen Kurden und Oppositionelle vorzugehen.“

Das Regime befürchtet, so die GfbV, dass die Kurd:innen ihren seit Jahren geführten Kampf für Demokratie und Selbstbestimmung nun intensivieren könnten.

Bereits über 150 Anklagen

Der kurdischen Menschenrechtsgruppe „Hengaw“ wurden laut GfbV landesweit bereits mindestens 150 Anklagen gemeldet. Die Anklagebegründungen reichten in diesem Zusammenhang von „Spionage für Israel“ und „Störung der öffentlichen Meinung“ über „Medienunterstützung für Israel“ und „Schüren von Unruhen“ bis hin zu „Sicherheitskooperation mit dem Feind“, „Besitz von Sprengstoff oder Drohnen“ und „Beleidigung der Märtyrer“. Betroffen sind demnach Menschen in den Provinzen und Städten Ardabil, Baneh, Fashafouyeh, Golestan, Hormozgan, Îlam, Isfahan, Kerman, Lali, Lorestan, Mazandaran, Savojbolagh, Semnan, Şehrê Kurd (Schahr-e Kord) und in der Hauptstadt Teheran.

GfbV mahnt NATO-Staaten zur Vorsicht

Hinsichtlich der aus den westlichen NATO-Ländern laut werdenden Forderungen nach einer Militärintervention, um das Regime zu stürzen, mahnt die GfbV zur Vorsicht. „Die iranische Bevölkerung wünscht sich zwar die Abschaffung der Diktatur, hat aber gleichzeitig Angst vor Chaos, einem langjährigen Bürgerkrieg und dem Austausch des Mullah-Regimes durch eine andere Diktatur.

Um einen demokratischen Wandel zu unterstützen, sollten westliche Staaten demokratischen Oppositionsgruppen und Minderheiten wie den Kurden im Iran zur Seite stehen. Militärische Interventionen ohne ein klares Konzept für die Demokratisierung und die Schaffung föderaler Strukturen haben weder in Afghanistan noch in Syrien zu mehr Freiheiten für alle Menschen geführt“, mahnt Menschenrechtler Sido. Wichtig sei seiner Meinung nach, dass es ein klares, realistisches Konzept der Opposition für die Zeit nach dem Mullah-Regime gebe, um Ängsten und Unsicherheit in der Bevölkerung entgegenzuwirken.

Türkei verfolgt eigene Ziele

Die NATO-Regierungen sollten laut dem Nahostexperten insbesondere auf ihren Partner Türkei einwirken, der wie im Falle Syriens, der Ukraine und des israelisch-arabischen Konflikts auch im Iran versuche, eigene Interessen durchzusetzen. „Viele Kurden vermuten, dass die Türkei im Iran dasselbe Ziel verfolgt wie in Syrien: Kurden daran zu hindern, Autonomie zu erlangen. Die Türkei verurteilt zwar öffentlich die israelischen Angriffe auf den Iran, schmiedet aber gleichzeitig Pläne, um sich militärisch einzumischen“, so die Einschätzung des Nahostexperten.

„Die Türkei muss daran gehindert werden, im Iran mithilfe radikaler Kräfte einen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung zu führen. Ein solches Eingreifen würden das Leben des Regimes im Iran nur verlängern und Hass sowie Feindseligkeiten unter den Menschen und Völkern des Iran schüren“, mahnt Dr. Sido.

Die ostkurdische Minderheit

In Iran leben rund 90 Millionen Menschen, mindestens elf Millionen von ihnen sind kurdisch. Rojhilat (Ostkurdistan) geht geografisch über die offizielle Provinz Kurdistan im Westen des Irans hinaus. Die kurdische Bevölkerung macht in mehreren westlichen Provinzen des Landes die Mehrheit aus.

Dem schiitischen Mullah-Regime gegenüber, welches seit dem Sturz des Schahs regiert, herrscht seitens der Kurd:innen großes Misstrauen. Ihr Versprechen der kurdischen sowie anderen Volksgruppen Demokratie und Autonomie zu gewähren, haben die Mullahs nicht eingehalten.

Die kurdische Gemeinschaft gilt als die am besten organisierte Bevölkerungsgruppe in Iran. Demokratie sowie Autonomie garantierende, föderale Strukturen sind ihre Hauptforderungen. Neben politischen Parteien und eigenen Institutionen verfügen sie auch über bewaffnete Verbände.

Titelbild: Auch vor dem ersten Todestag von Jina Mahsa Amini hatte Irans Sicherheitsapparat 2023 zusätzliche Kräfte in zahlreiche Städte von Rojhilat entsandt.