Besetzer im Vollhöfner Wald beenden Aktion

Die Besetzer im Vollhöfner Wald haben ihre Aktion beendet. „Um langfristig nachhaltig und solidarisch zusammen zu leben, müssen wir das parlamentarische und kapitalistische System überwinden und eine Gesellschaft aufbauen wie in Rojava”, erklären sie.

Am Sonntagnachmittag haben die verbliebenen sechs Besetzer*innen des Vollhöfner Waldes ihre Aktion beendet. Nachdem ein Ultimatum an die Besetzer*innen, für den 23. Oktober um 12.00 Uhr das Baumhaus abzubauen und den Wald zu verlassen, verstrichen war, begann die Hamburger Polizei Tags darauf mit der Räumung des Vollhöfner Waldes. Am ersten Tag der Räumung wurden über 20 Aktivist*innen aus dem Wald geholt. Zurück blieben sechs Besetzer*innen. Daran sollte sich auch an den folgenden Tagen nichts ändern.  

Bereits vor Beginn des Polizeieinsatzes war massive Kritik am Ultimatum und an einer möglichen Räumung laut geworden. Allen voran von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne), der gar während des Räumeinsatzes der Polizei noch einmal nachlegte und twitterte: „Ich bleibe bei meiner Einschätzung. Es gibt zur Zeit keine naturschutzfachliche oder zwingend rechtliche Notwendigkeit für eine Räumung“. Zudem bezeichnete Kerstan den Einsatz schlicht weg als „überflüssig“.

Christiane Schneider, Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft und stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, postete: „Was für ein großes Polizeiaufgebot, was für ein gewaltiger Einsatz gegen eine kleine Anzahl von Klimaaktivist*innen, die gegen die Abholzung von 30.000 Bäumen protestieren! Was soll das?“

BUND: Ausweisung als Naturschutzgebiet auf den Weg bringen

Mit dieser Frage stand sie nicht alleine da und sprach vielen Klimabewegten in Hamburg aus dem Herzen. Warum zeigt sich der Hamburger Senat nicht flexibel, politische Lösungen anzubieten statt immer wieder auf polizeiliche Mittel zurückzugreifen? Eine politische Lösung, die der BUND Hamburg ihnen auf dem silbernen Tablett serviert hatte, wurde von Manfred Braasch, dem Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg, abgegeben: „Angesichts der für heute angekündigten polizeilichen Räumung des Protestcamps im Vollhöfner Wald fordert der BUND Hamburg, auf Zwangsmittel zu verzichten und stattdessen eine politische Lösung für den Wald voranzubringen. Eine Eskalation vor Ort nützt niemandem. Solange die Besetzung friedlich verläuft und die Protestierenden sorgsam mit der Natur umgehen, schadet sie dem Wald nicht. Was dem Wald schadet, ist die Haltung des rot-grünen Senats und die Option, das wertvolle Gebiet zwar nicht sofort, aber doch in ein paar Jahren für die Hafenwirtschaft zu zerstören.“ Des Weiteren schlägt der BUND vor: „Die rund 50 Hektar große Fläche, die derzeit der HPA (Hafenmanagement in Hamburg) gehört, aus dem Hafenerweiterungsgebiet herauszunehmen und in das Verwaltungsvermögen der Umweltbehörde oder des Bezirks Harburg zu übertragen. Es wäre nur konsequent, das wertvollste geschlossene Waldgebiet im Süderelberaum aus dem Hafenerweiterungsgebiet zu entlassen und die Ausweisung als Naturschutzgebiet auf den Weg zu bringen.“ Das ist eine Forderung, die auch die Klimainitiative Vollhöfner Wald teilt. Sie fordert die „Herauslösung (des Vollhöfner Waldes) aus dem Hafenerweiterungsgebiet und die Integration in den Biotopverbund um die Alte Süderelbe.“ 

Was ist von den alten Grünen geblieben?

Warum sich der Senat mit der Umsetzung dieser Forderung so schwer tut, ist unverständlich. Beruft sich doch Umweltsenator Jens Kerstan darauf, mit Wirtschaftssenator Michael Westhagemann ein Moratorium vereinbart zu haben: „In Zeiten des Klimawandels“, erklärte er, „passt es nicht, Wälder für Logistikflächen zu roden. Ich habe mich am Freitag mit Wirtschaftssenator Westhagemann auf ein Moratorium geeinigt. Er hat mir zugesichert, dass bis Februar keine Fällungen im Vollhöfner Wald stattfinden werden.“ Und in einem weiteren Tweet heißt es: „Im Senat sind wir einig, dass im #Vollhöfner #Wald bis mind. 2023 alles bleibt wie es ist. Die Sorge um #Bäume und # Wälder in Zeiten der #Klimakrise teile ich.“

Noch vor ein paar Jahren waren es die Grünen, die sich nicht mit Lippenbekenntnissen zu Frieden gaben, sich zum Schutz der Natur in eben diese begaben und sogar an Bäume ketteten. Was ist davon heute geblieben? Nun unterstützen sie die Räumung. Und dass dies mal eben ein Kavaliersdelikt ist, kann keiner behaupten.

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Seit Donnerstag stand der Völli unter Belagerung der Polizei, während die Klimaaktivist*innen in teils 20 Meter Höhe in den Bäumen hingen. In einer Erklärung der Besetzer*innen beschrieben sie die Situation wie folgt: Aus Sicht der Aktivist**innen, die vorgestern die Räumung miterlebt haben, kam es zu mehreren von der Polizei verursachten Gefahrensituationen. Die Polizei ist nicht nur mit ihrer eigenen, sondern auch mit unserer Sicherheit extrem fahrlässig umgegangen. Traversen, in denen sich ungesicherte Personen befanden, wurden von Kletterpolizist**innen betreten. Hierbei nahm die Polizei billigend in Kauf, dass Aktivist**innen durch die Bewegung und die zusätzliche Belastung der Seile abstürzen. (Bei der) Entfernung des Tripods erfolgte eine Sicherung über die Gabelung der Stämme, auf welchen zu dem Zeitpunkt ein*e Besetzer*in und ein*e Polizist*in standen. Um die Person aus dem Tripod zu holen, wurden die drei Stämme Stück für Stück gekürzt. Die Warnrufe der Aktivist**innen wurden erneut übergangen.” Sie kommen zu dem Fazit: „Zu behaupten, die Polizei wäre bei diesem Einsatz verhältnismäßig vorgegangen, ist ein Witz.“

Mehr als 7.000 Unterschriften für Walderhalt

Im weiteren beschäftigte sich die Polizei mit der Demontage des Baumhauses, das kunstvoll in etwa vier Meter Höhe in den Stammgabelungen dreier Pappeln ruhte. Woraus sich dann auch ihr Aktionsname ableitete. Unter dem Twitteraccount Pappelapp1 konnte Mensch täglich die Lage im Wald verfolgen. War der Vollhöfner Wald noch vor zwei Monaten ein Geheimtipp und nur lokal bekannt, hat sich das inzwischen grundlegend geändert. Eine Online-Petition des NABU für den Erhalt des Vollhöfner Waldes (https://mitmachen.nabu.de/voellibleibt ) hat bereits mehr als 7000 Unterschriften zusammen und ist so erfolgreich, dass das Ziel von 7500 auf 10.000 Unterschriften erhöht wurde. Wurde der Wald aus Protest in den letzten Monaten auf sonntäglich stattfindenden Waldspaziergängen besucht, kamen seit der Besetzung auch an den übrigen Tagen immer wieder Besucher*innen. Während der Räumung war gar eine Mahnwache eingerichtet. Am letzten Tag der Aktion waren zum Waldspaziergang immerhin etwa 400 Menschen am Waldrand des Völli zusammengekommen. Bei einer Netzwerkveranstaltung der Versammlung der Stadtteile haben sich 40 Initiativen mit der Besetzung des Vollhöfner Waldes solidarisch erklärt und den Räumungseinsatz als „unsinnig und unverhältnismäßig“ eingestuft. Stattdessen forderten sie, dass verschiedene gesellschaftliche Initiativen und Gruppen, die mit ihren Aktionen auf die bedrohliche Entwicklung des Klimawandels aufmerksam machen „unser aller Anerkennung finden und die Politiker*innen zum Umdenken bewegen“ sollten. „Es sind endlich wirksame und konsequente Maßnahmen für den Klima- und Artenschutz notwendig“ fordern sie. „Wir solidarisieren uns mit dem gewaltfreien Widerstand der Besetzer*innen im Vollhöfner Wald. Wir verurteilen die Räumungsversuche der Polizei und des Senats. Die Besetzer*innen im Vollhöfner Wald stellen sich der ökologischen und sozial-zerstörerischen Senatspolitik in vorbildlicher Weise entgegen, sie verdienen unsere volle Unterstützung.“

Gesellschaft aufbauen wie in Rojava, Spanien '36 oder den Zapatistas

Seit Sonntagabend ist die Besetzung des Völli beendet. Nicht die Räumung durch die Polizei hat sie beendet, die Besetzer selbst haben sie beendet. In eine Presseerklärung eines Teils der Besetzer*innen nehmen sie wie folgt Stellung: „Vielen Dank an unsere Mitstreiter*innen, die Mahnwache, die Menschen die sich in den Wald geschlichen haben oder sich eine Verfolgungsjagd in einem Kajak geliefert haben. Der Vollhöfner ist noch lange nicht save. Der Kampf geht weiter auf allen Ebenen; Bürgerinitiative, Parlamentarier*innen und militante Aktivist*innen. Aber selbst wenn der Völli gerettet ist, haben wir nur das Symptom bekämpft. Um langfristig nachhaltig und solidarisch zusammen zu leben, müssen wir das parlamentarische und kapitalistische System überwinden und eine Gesellschaft aufbauen wie in Rojava, Spanien '36 oder die Zapatistas. Mit Leidenschaft und Vehemenz, es lebe die soziale Revolution!“