Baummassaker für Militärstützpunkte in Şirnex

In der Cûdî-Region in der nordkurdischen Provinz Şirnex müssen ganze Wälder für den Bau weiterer Stützpunkte der türkischen Armee weichen. Als Handlanger des Militärs dienen die sogenannten Dorfschützer.

Im Umland der Cûdî-Berge in der nordkurdischen Provinz Şirnex (türk. Şırnak) findet derzeit ein Baummassaker gigantischen Ausmaßes statt. Etwa hundert Tonnen Bäume werden täglich in dem Gebiet zwischen der gleichnamigen Provinzhauptstadt und der Gemeinde Sêgirk (Şenob) im Landkreis Qilaban (Uludere) illegal gerodet und weggeschafft. In dem betroffenen Gebiet wurden in den letzten Monaten insgesamt sechs sogenannte Kalekol – eine zur Festung ausgebauten Gendarmeriestation – errichtet. Direkt in der Nähe liegen die bewohnten Ortschaften Bilkasima, Mîra Çirîskê, Qursekêça, Cifanê, Girê Bel und Gundikê Remo. Die Bewohner*innen berichten von riesigen Waldgebieten, die in den vergangenen Monaten verschwunden sind.

Die Wortschöpfung „kalekol“ (abgeleitet vom Wort „karakol“= Wache, bekannt als Polizei- oder Gendarmeriestation, versinnbildlicht die Aufrüstung, die gerade im Verlauf des Friedensprozesses auf Seiten der türkischen Sicherheitskräfte zunahm. „Kale“ bedeutet Burg oder Festung, so dass „kalekol“ mit Sicherheitsfestung übersetzt werden könnte.

Die Rodung wird im Auftrag der türkischen Armee von Dorfschützern aus Sêgirk ausgeführt, da sich Anwohner*innen geweigert hatten, der Aufforderung des Militärs nachzukommen, die Bäume selbst zu fällen. Pro Anhänger-Ladung sei ihnen 200 TL, umgerechnet etwa 27 Euro angeboten worden. „Eher sterben wir, als unsere Bäume zu fällen“, sagte ein Bewohner aus der Region.

Die gefällten Bäume werden auf einer Fläche im Dorf Nêvava aufgeschichtet. Ob sie später als Brennholz von den Dorfschützern oder der Armee genutzt werden, ist weiterhin unklar. Erst Mitte April entsetzte ein Baummassaker in Pasûr (Kulp) in der Provinz Amed (Diyarbakir) etliche Menschen. Dort waren rund tausend Eichen auf einer bewaldeten Fläche, die an ein militärisches Sperrgebiet grenzte, illegal gerodet worden.

Was sind Dorfschützer?

Dorfschützer sind paramilitärische Einheiten, die in Kurdistan gegen die Guerilla und regierungskritische Kurd*innen eingesetzt werden. Sie bestehen zu einem beträchtlichen Teil aus Stammesführern, Großgrundbesitzern, Familien und Einzelpersonen, die oft seit Jahrzehnten mit dem Staat zusammenarbeiten und versuchen, in Kurdistan für die Interessen des Staates einzutreten. Ein Teil der Dorfschützer tritt diesem System freiwillig bei, andere werden mit Mord, Verhaftung und Vertreibung bedroht und müssen unter Druck Dorfschützer werden. Millionen von Kurd*innen, die eine Kollaboration abgelehnt haben, mussten entweder flüchten oder sich dem Druck des Militärs und der Dorfschützer beugen. Tausende kurdische Dörfer, die das Dorfschützersystem ablehnten, wurden vom Staat niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht.

Verwarnungen von den HPG

Die kurdische Guerilla HPG warnt Baumfäller immer wieder davor, sich von der türkischen Armee für Besatzungszwecke benutzen zu lassen und der Natur Kurdistans zu schaden. Zuletzt hatte die Gebietskommandantur von Heftanin eine entsprechende Warnung ausgesprochen.