Auf dem Mobilitätswendecamp anlässlich der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in München fand am Samstag eine Podiumsdiskussion zum Thema „Ökologische Perspektiven in internationalistischen Kämpfen – von Mexiko bis Kurdistan“ statt. Rund 90 Personen nahmen an der Veranstaltung mit Vertreter:innen der zapatistischen Bewegung, des Ya-Basta-Netzwerkes und der kurdischen Bewegung über die ökologischen Perspektiven innerhalb der Klimakatastrophe teil. Moderiert wurde die spannende Zusammenkunft vom Münchener Kommunikationswissenschaftler und Aktivisten Kerem Scharmberger.
Heike, die acht Jahre bei den Zapatistas lebte, ging zu Beginn auf die Philosophie der Zapatistas ein: „Die Zapatista sprechen von der Rekoparation: Das bedeutet, das Land zurückzuholen, aber auch das Land wieder zu heilen.” Das Prinzip „Mit dem Land zu leben” und der Widerstand gegen die katastrophalen und entwicklungsfeindlichen Megaprojekte der Regierung im Süden Mexikos, insbesondere in Chiapas, seien zwei praktische Beispiel aus der zapatistischen Bewegung. „Etwa heben sie ihre eigenen alten Maissorten auf, um sie wieder aussäen zu können, statt die Produkte der Saatgutindustrie zu verwenden. Soziale Gerechtigkeit und die Rettung der Mutter Erde gehören ganz stark zusammen.“
Das Patriarchat zerstört
Ulli vom Ya-Basta-Netzwerk kommentierte an der Stelle, dass die Zerstörung der Erde nicht nur mit dem Kapitalismus zusammenhnge, sondern auch „ganz stark mit dem Patriarchat”, das denkt, es könnte alles dominieren. „Es ist ein System, das alle unterdrückt, die nicht in die Verwertungslogik passen. Das System in Kurdistan und in Mexiko ist das gleiche System, gegen das wir auch hier kämpfen. Hier hat das System nur eine liberale Maske auf. Die Bedeutung eines internationalistischen Kampfes und dass die Kämpfe verbunden werden, haben diese Bewegungen tief verinnerlicht. Das ist etwas, das wir hier lernen können“, meinte Franzi Schulz von der Initiative Demokratischer Konföderalismus (IDK).
Agir, der sich ebenfalls innerhalb der IDK einbringt, ergänzte: „Die Widersprüche im Aufbau einer Gesellschaft zeigen auch, wie wichtig es ist, mit allen Menschen zu sprechen und die Menschen zu überzeugen. Die Revolution ist dann vollbracht, wenn wir alle Menschen überzeugen.“
Organisierende und kämpfende Frauen
Weiter führte Heike aus: „Es ist auch bei den Zapatista nicht so, dass alles funktioniert wie gewünscht. Es ist zum Beispiel gewünscht, dass in den Strukturen Männer, Frauen und Andere gleichwertig sind. Aber viele Frauen sind etwa daheim eingebunden. Manchmal sind es die Väter, die sie abhalten, aber machmal sind es auch die Frauen, die sich nicht trauen. Aber viele Frauen haben das in die Hand genommen und kämpfen mit. Und sie haben von Anfang an viel junge Leute mitgenommen und man sieht jetzt, wie viele junge Menschen mitmachen und sich nicht von den Verlockungen des Kapitalismus haben einfangen lassen.“
Laut Agir müsse man lernen, Fehler zu machen. Oft werde zuerst versucht, Vorhaben theoretisch umzusetzen. „Wir kennen die neue Welt nicht, aber wenn wir uns darauf einlassen, dann wird es auch gelingen. Wir müssen mehr an uns glauben. Das, was in Chiapas und Kurdistan möglich ist, ist überall auf der Welt möglich.“
Von ihren Erfahrungen erzählte Ulli: „Nicht Recht haben, sondern zuhören. Dieses Durchpowern von Positionen, wer am lautesten spricht, hat immer recht. Das mache ich nicht mehr mit.” Das habe sie von den Zapatistas gelernt. Internationalismus sei hier besonders wichtig. „Ich kämpfe mit ihnen. Dogmatismus und Hierachien sind historisch gescheitert.“
Korruption ist ein großes Problem
Heike wies an der Stelle auf die Korruption in Mexiko hin, die sie als „extrem kapitalistisches Verhalten” bezeichnete. Die Zapatistas hätten Strukturen, um dem vorzubeugen. Etwa wenn Spenden abgegeben würden. „Das Geld wird dann genau gezählt und der Betrag an die Wand geschrieben. Das kapitalistische Verhalten benutzt die Regierung, um die Dörfer zu spalten. Sie geht zu den Leuten und schenkt ihnen eine Kuh oder gibt ihnen Verträge für das befreite Land.“
Ulli berichtete von einer persönlichen Erfahrung in Chiapas, die den meisten Besucher:innen der Veranstaltung ein Lächeln ins Gesicht zauberte: „Als wir spenden wollten, haben uns alle Dörfer gefragt, ob das Geld möglicherweise von einem Staat kommt. Wir mussten beweisen, dass keine Staatsgelder dabei waren, bevor sie es angenommen haben.”
Reise für das Leben: Zapatistas kommen nach Wien
Kommenden Dienstag treffen knapp 180 Vertreter:innen der zapatistischen Bewegung im Rahmen der „Reise für das Leben” in Wien ein. Die österreichische Hauptstadt wird damit zum Ausgangspunkt einer bereits seit langem angekündigten zapatistischen Weltreise, die einen historischen Wendepunkt im globalen Widerstand gegen spätkapitalistische Ausbeutung, neokoloniale Unterdrückung und die globale Umweltkatastrophe darstellt. Zu der Reise sind die Zapatistas aufgebrochen, um den globalen Bedrohungen der Gegenwart mit einer weltweiten Vernetzung zur Rettung des Planeten und der Menschheit zu begegnen. Begleitet werden sie von Delegierten des Indigenen Nationalkongresses von Mexiko und des Indigenen Regierungsrates (CNI-CIG), sowie Mitgliedern des Umweltbündnisses zur Verteidigung von Wasser und Land in Morelos, Puebla und Tlaxcala. Sie sind in 30 Ländern eingeladen und werden auch alle besuchen. „Sie wollen eine weltweite Organisierung aufbauen und deshalb wollen sie mit uns auf Augenhöhe sprechen. Sie möchen nicht um Verzeihung gebeten werden. Sie möchten als Genossinnen und Genossen mit uns sprechen. Ich hoffe, wir werden dem gerecht. Die Zapatistas werden zwei Dinge mitbringen: Hoffnung und eine Perspektive auf einen gemeinsamen Kampf“, so Ulli vom Ya-Basta-Netzwerk. Vom 29. September bis 2. Oktober gibts es das „Rebellische Treffen“ im Wendland, wo die Zapatistas auch sein werden.
24 Stunden im Krieg
„Uns geht es nicht gut. Die Welt geht unter - das sage nicht ich, sondern die Wissenschaftler:innen des Systems“, meinte Agir. „Wir befinden uns eigentlich 24 Stunden am Tag im Krieg und merken es nicht.” Franzi erklärte, unglücklich darüber zu sein, täglich feststellen zu müssen, dass das Leben hier die „Unfreiheit und den Tod von anderen” bedeute.
„Dass wir nicht die gleichen Bedingungen hier wie in Chiapas oder Kurdistan haben, stimmt. Mache haben deswegen ein schlechtes Gewissen, weil es ihnen zu gut gehe. Aber geht es den Leuten gut? Ich frage da manchmal rum. Es geht hier kaum jemandem wirklich gut. Das hat damit zu tun, wie wir mit dem Konkurrenzdruck umgehen und mit der Entfremdung. Damit müssen wir aufhören, davon gehen wir zugrunde. Es ist nötig, Verantwortung zu übernehmen. Wir werden hier bei Laune gehalten, mit Geld und Essen.” Ein Mann in Chiaps habe sie mal mit der Frage konfrontiert, ob sie ihre Seele verkauft hätte.
Perspektive Rojava
Agir kommentierte: „Wenn wir uns bewusst machen würden, in was für einer schlechten Welt wir leben, dann würden wir ausrasten. In Rojava starben eine ganze Weile dreizehn Menschen pro Monat durch einem Autounfall. Die Region hat erkannt, dass das ein Problem ist und hat es geändert. In Deutschland sterben 4000 Menschen an Autounfällen und das ist ganz normal. Weil wir isoliert sind voneinander, merken wir gar nicht, wie schlimm es uns geht.“