Selay Ghaffar: Inspiriert von der kurdischen Bewegung

„Uns inspiriert die kurdische Bewegung, besonders wenn es um den Kampf gegen den IS geht. Wir müssen von ihr lernen und den gleichen Kampf gegen die Taliban führen“, erklärt Selay Ghaffar, die Sprecherin der Solidaritätspartei Afghanistans.

Selay Ghaffar, Sprecherin der Solidaritätspartei Afghanistans, hat sich im ANF-Interview über die Hintergründe und Ergebnisse des sogenannten „Friedensprozesses" zwischen den USA und den Taliban geäußert. Nach dem am 29. Februar in Katar unterzeichneten Abkommen werden die USA und die NATO innerhalb von 14 Monaten Truppen aus dem Land abziehen, sofern die Taliban die Anforderungen des Abkommens erfüllen. 5.000 Mitglieder der Taliban sind aus der Haft entlassen worden, unterdessen setzt die Organisation ihre Angriffe und Verbrechen gegen das afghanische Volk fort.

Können Sie uns den Hintergrund der Gespräche zwischen den USA und den Taliban und des „Friedensabkommens" erklären, das im Februar in Doha zwischen ihnen unterzeichnet wurde?

Im Jahr 2001 besetzten die USA und die NATO-Verbündeten Afghanistan im Namen der Terrorismusbekämpfung. Es hieß, die Taliban zu bekämpfen und Menschenrechte, Frauenrechte, Demokratie usw. zu bringen. Das waren die Slogans, die sie bei der Besetzung Afghanistans machten. Aber nach 2001 bis heute sind die Taliban immer stärker geworden. Tag für Tag begehen sie brutale Verbrechen gegen das afghanische Volk, insbesondere durch Selbstmordanschläge, Morde, Massaker. Das Blutvergießen geht weiter. Damit meine ich, dass der Krieg gegen den Terrorismus nur eine Lüge war. Der Krieg gegen den Terrorismus war nur ein Vorwand, um nach Afghanistan zu kommen und Afghanistan als Plattform für die neuen Strategien zur Besetzung der Welt zu nutzen. Es ging es vor allem um die Niederlage von Rivalen wie Russland, China und Iran, die alle an Afghanistan grenzen.

Der Friedensprozess betrügt die Völker beider Länder, weil der amerikanisch-afghanische Krieg der längste und teuerste Krieg in der Geschichte der USA war. Es gibt keine Sicherheit, es gibt immer noch Blutvergießen, es gibt immer noch Krieg, es gibt immer noch Morde, Tausende Menschen sind in Afghanistan getötet worden. Seit 2001 wurden mehr als 400.000 Afghan*innen getötet, viele weitere wurden verwundet und viele sind aus ihrem Land geflohen.

Jetzt können wir sehen, dass die USA danach irgendwie erkannt haben, dass sie die Taliban nicht als ihre so genannten Feinde einsetzen können, die sie sich selbst gemacht haben. Die Taliban sind nicht ihr Feind, sie sind ihre Agenten. Sie wollen viel mehr Brutalität, um den Terrorismus aus Afghanistan zu exportieren. In Afghanistan ist bereits die weiße Flagge mit der schwarzen Flagge ausgetauscht worden. Der IS hat bereits den Platz der Taliban eingenommen. Wir können sagen, dass IS der neue Spitzname der Taliban ist. Sie sind die Ablösung der Taliban. Irgendwie wollen die USA die Taliban und das dortige Marionettenregime, das aus Abdullah, Mudschahidin-Gruppen und den neuen Technokraten, den so genannten demokratischen Technokraten, besteht, die die USA einer Gehirnwäsche unterzogen und hierher gebracht haben, hervorbringen. Sie wollen ihnen in der neuen Regierung Raum geben und gegen den Terrorismus kämpfen und Afghanistan nutzen, um ihre Strategie in der Region und in der Welt durchzusetzen. Die regionalen und internationalen Mächte nutzen Afghanistan als Plattform für ihre Stellvertreterkriege. Für uns ist dieser Friedensprozess nur wie Staub in den Augen der afghanischen Bevölkerung. Das afghanische Volk sehnt sich nach Frieden. Die Menschen wollen Frieden, Sicherheit, sie wollen leben, sie wollen keine Angst haben, wenn ihre Töchter und Söhne zur Schule gehen. Sie wollen ein normales Leben führen. Die USA wissen, dass die Afghanen verzweifelt Frieden wollen.

Glauben Sie, dass dieses Abkommen Frieden oder zumindest eine weniger gewalttätige Situation bringen wird?

Es wird keinen Frieden geben, da der IS die Taliban ersetzt hat. Der Krieg gegen das unterdrückte afghanische Volk wird weitergehen. Es ist also nur irgendwie eine Änderung in der Politik der USA. Es ist eine Art neokoloniale Politik in Afghanistan, die sie umsetzen wollen. Der Friedensprozess ist ein Scheinprozess. Viele dieser Friedensprozesse, Friedensverhandlungen mit diesen Kriminellen haben nicht funktioniert. Während der Halqa Percham war David Somon der UN-Gesandte in Afghanistan, um Frieden zwischen den damaligen Najibullah und auch den Mudschahidin zu schaffen, aber es hat nicht funktioniert. Und selbst jetzt, vom Karsai-Regime bis heute, begannen die Friedensgespräche immer wieder. Es war alles eine Art, sich Zeit zu nehmen, um ihre eigene Strategie umzusetzen. Wir haben also viele Beispiele. Viele Male, wenn sie einen Friedensprozess beginnen, gibt es einen Grund dafür, und das erste Mal, als sie den Friedensprozess begannen, wollten sie eigentlich, dass die Regierung Karsai an der Macht bleibt. Gerade jetzt haben die USA einen Friedensprozess begonnen, und sie haben ein Abkommen mit den Taliban geschlossen. Sie trafen auch die Abmachung, die Gefangenen freizulassen und ihnen die Macht zu übertragen. Wir können sehen, dass es wirklich mit den US-Wahlen zusammenhängt. Trump will die Stimme des Volkes erhalten, indem er einfach sagt: „Ich habe den langen Krieg in Afghanistan beendet und die Taliban besiegt." Und die afghanische Regierung schrie die roten Linien heraus, es gibt eine rote Linie von uns, dass wir keinen Frieden ohne diese Bedingungen haben wollen, sie haben all diese roten Linien überschritten, weil sie Macht haben wollten. Ghani wollte an der Macht bleiben. Deshalb ignorieren sie all ihre roten Linien.

Ein weiteres Thema dieses Friedensprozesses; es ist nicht nur ein Abkommen zwischen den USA und den Taliban. Natürlich sagen sie, dass die afghanische Regierung und die Taliban Friedensgespräche aufnehmen werden. Der Frieden wird nicht kommen, weil wir die blutigen Hände insbesondere des Irans und Pakistans, der Regionalmächte, nicht ignorieren können. Die Taliban sind Marionetten Pakistans. Pakistan hat bereits die Taliban und in der Vergangenheit die Mudschahidin-Gruppen unterstützt. Es ist eine gute Plattform, um einen Stellvertreterkrieg mit Indien zu führen. Pakistan wird niemals Frieden in Afghanistan wollen. Sie wollen auf jeden Fall den Krieg fortsetzen.

Der dritte Grund ist: Solange es in Afghanistan Militärbasen der USA gibt, ist das eine große Bedrohung für die Region und für die Welt. Solange wir diese Militärbasen in Afghanistan haben, wird es keinen Frieden geben. Es wird keine Sicherheit in Afghanistan geben. Sogar das so genannte Abkommen mit den Taliban wird es nicht geben. Die USA haben es am 29. Februar unterzeichnet, am selben Tag haben mehrere Selbstmordanschläge stattgefunden. Auch danach haben sie viele Male Waffenstillstand geschlossen, vor allem während der Eid-Feiertage, aber die Selbstmordanschläge wurden sogar während dieser Tage fortgesetzt. Das bedeutet, dass die Taliban niemals Frieden wollen. Khalilzad, der als Gesandter der USA ein Abkommen mit den Taliban geschlossen hat, und die afghanischen Medien sagten, dass Frieden mit den Taliban nicht bedeutet, dass es Sicherheit in Afghanistan geben wird. Das haben sie bereits gesagt. Und auch viele andere US-Beamte haben dies erklärt. Khalilzad sagte klar, dass dieses Abkommen zwischen den USA und den Taliban sei. Es bedeutet, dass die Taliban niemals US-Soldaten in Afghanistan töten werden, sie werden weder Amerikanern noch NATO-Kräften Schaden zufügen. Aber sie setzen ihren so genannten Dschihad gegen das afghanische Volk fort. Die Taliban haben mit den USA nicht erst jetzt einen Waffenstillstand geschlossen, sondern sogar seit 2001. Wie viele US-Hauptquartiere, Basen und Lager wurden von 2001 bis heute angegriffen? Die afghanischen Menschen waren die ersten Opfer dieses Krieges. Und nicht die USA. Deshalb hat es immer einen Waffenstillstand mit den USA gegeben. Der Dschihad richtete sich nicht gegen die USA, sondern gegen das afghanische Volk.

Selay Ghaffar (r.) im Oktober 2018 auf der Konferenz Revolution in the Making in Frankfurt (Hessen)

Tausende Taliban-Mitglieder wurden aus dem Gefängnis entlassen. Was wird das Ergebnis ihrer Freilassung sein?

Eines ist ganz klar: Ein Frieden mit den brutalen Taliban und die Freilassung ihrer Gefangenen werden Krieg und Zerstörung nur noch verstärken. Das hat nichts mit Frieden und Sicherheit in Afghanistan zu tun. Wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass viele der Taliban-Führer im Rahmen dieses neuen Prozesses aus Guantanamo freigelassen wurden. Was ist geschehen? Sie alle sitzen in Doha als Hauptdenker der Taliban, um Selbstmordanschläge in Afghanistan zu planen, um die Zerstörung Afghanistans zu planen, um Massaker am afghanischen Volk und auch die Tötung von Polizisten zu planen. Und diese Polizisten sind gewöhnliche Menschen, die sich diesem Marionettenregime nicht deshalb anschließen, weil sie daran glauben, sondern um ihre Familien zu ernähren.

Während des Karsai-Regimes sind viele Taliban freigelassen worden. Ghani hat diese Taliban-Gefangenen noch letztes Jahr und dann noch einmal in diesem Jahr freigelassen. Was ist geschehen? Ist der Frieden gekommen? Nein, der Krieg nahm zu. Vorher gab es einige Provinzen und Bezirke unter der Kontrolle der Regierung. Jetzt wird die Mehrheit der Städte in Afghanistan von den Taliban kontrolliert. In einigen Orten ist es tagsüber die Regierung, und nachts sind es die Taliban. Die freigelassenen Mitglieder nehmen Waffen und töten weiterhin, weil sich ihre Mentalität nicht ändert. Im Gefängnis sind sie viel gefährlicher geworden, wenn sie freigelassen werden, richten sie ihre Wut auf die Regierung und das Volk. Sie töten die Menschen. Ohne die afghanische Regierung zu informieren, haben die USA den Taliban bereits die Freilassung von 5.000 Gefangenen versprochen. Dies wurde von den USA beschlossen. Die afghanische Regierung sagte, sie werde 5.000 Taliban-Mitglieder nicht freilassen, es gebe keinen afghanisch-talibanischen Dialog oder Verhandlungen. Aber was ist geschehen? Khalilzad kam einfach an, zog Ghani und Abdullah an den Ohren und sagte: „Wer sind Sie, dass Sie diese Entscheidung treffen? Ich habe bereits in Doha die Entscheidung getroffen, dass wir sie freilassen werden, es gibt keine rote Linie, es gibt keine Vorbedingung für Ihre Verhandlungen. Sie müssen sie freilassen.“ 4600 Taliban-Mitglieder sind freigelassen worden. Und für die anderen 400 soll die Entscheidung legitimiert werden, indem der Rat zu einer Sitzung einberufen wird.

Niemand hört auf das afghanische Volk. Die Familien der Opfer werden den Taliban nie verzeihen, und sie wollen nie, dass diese Mörder freigelassen werden. Sie wollen keinen Deal ohne Gerechtigkeit machen. Denn Frieden ohne Gerechtigkeit bedeutet gar nichts. Frieden ohne Strafverfolgung dieser Verbrecher bedeutet nichts.

Wie schätzen Sie die Rolle von Zalmay Khalilzad, dem US-Sonderbeauftragten für die Versöhnung in Afghanistan, ein?

Als Khalilzad noch sehr jung war, zog er in die USA. Für die USA ist er eine sehr vertrauenswürdige Marionette. Am Anfang kam er als US-Botschafter. Jetzt ist er der Gesandte für den Frieden. Seine Rolle besteht darin, der neokolonialen Politik der USA in Afghanistan gerecht zu werden. Für ihn spielte das Leben des afghanischen Volkes keine Rolle, als er um die Freilassung der Taliban-Mitglieder bat, als er mit diesen Morden zu tun hatte, als er mit diesen Mördern Frieden schloss. Für ihn bedeutet Gerechtigkeit nichts. Sicherheit, Frieden und Wohlstand im Leben des afghanischen Volkes bedeuten ihm nichts. Er hat die einzige Aufgabe, die darin besteht, die US-Strategie in Afghanistan umzusetzen. Er weiß sehr wohl, wie man dieses Spiel unter dem Namen des Friedens spielt. Weil er ein sehr alter Agent der USA ist, kann er diese Rolle in Afghanistan sehr gut spielen.

Die USA haben angekündigt, ihre Soldaten innerhalb von 14 Monaten abzuziehen, wenn die Taliban die Bedingungen des Abkommens erfüllen. Wie interpretieren Sie die Erklärungen der USA zum militärischen Rückzug aus Afghanistan und dem Mittleren Osten?

Die USA werden Afghanistan niemals verlassen, solange sie dort ihre Militärbasen haben, die neun Stützpunkte, die die Welt bedrohen. Solange sie Rivalen wie Russland, China und den Iran haben, werden sie Afghanistan nicht verlassen, weil die US-Regierung ihre Präsenz in Afghanistan im Moment gegen die Russen einsetzt: „Wenn ihr euch bewegt, haben wir genau die Art von High-Tech-Waffen, die wir gegen euch einsetzen können.“ Die USA können diese Drohung gegen den Iran einsetzen. Sie können den IS einsetzen. Wir glauben nicht, dass sie gehen werden. Sie haben auch den Irak nicht verlassen.

Für das afghanische Volk ist der Abzug der ausländischen Streitkräfte, insbesondere der kriminellen US-Truppen, wie ein Traum. Alle wollen das. Aber es wird nur ein Traum bleiben, weil sie nicht weggehen werden. In ihrer Vereinbarung mit den Taliban sagen die USA, dass ihre Soldaten das Land innerhalb von 14 Monaten verlassen werden. Aber wir sind sicher, dass Trump nach dem Wahlsieg eine Ausrede finden wird, um zu sagen, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt ist, Afghanistan zu verlassen. Bereits 2014 sollte ein Abzug aus Afghanistan stattfinden. Was ist geschehen? Die USA sagten, der Krieg gegen den Terrorismus gehe weiter. Und jetzt werden sie eine Ausrede finden.

Ja, die Taliban sind in die Regierung eingetreten. Es gibt viele andere Teile der Taliban, die sich bereits an Russland, Iran und China verkauft haben. Es gibt Berichte, die besagen, dass sich die Taliban in viele Gruppen aufgeteilt haben, die ebenfalls für diese Länder arbeiten. Und die USA könnten sagen: „Wir müssen weiter gegen jene Taliban kämpfen, die sich dem Friedensprozess nicht angeschlossen haben." Vielleicht werden sie den IS als eine Bedrohung benutzen. Es gibt viele Gerüchte über Geheimdokumente zwischen den USA und den Taliban. Niemand kennt den Inhalt.

Wie sind Frauen betroffen? Wie ist ihre Haltung gegenüber diesem sogenannten Friedensprozess?

Diese Frage hat viele Aspekte. Wir müssen die Frauen Afghanistans kategorisieren. Die Taliban haben viele Gräueltaten und Verbrechen an Frauen begangen. Sie haben Frauen geköpft, gesteinigt, getötet, sie ihrer Ausbildung, ihrer Arbeit usw. beraubt. Der gewaltigste Krieg wurde gegen Frauen geführt, und dieser Krieg dauert bis heute an. Die afghanischen Frauen werden all diese Verbrechen nie vergessen. Wir werden niemals vergessen, wer gesteinigt wurde, nur weil sie jemanden liebte. Wir werden niemals die Hinrichtung von Zerminia vergessen. Wir werden die Enthauptung von Tebessum nicht vergessen. Wir werden viele andere Verbrechen nicht vergessen, die an afghanischen Frauen begangen worden sind.

Die einfachen afghanischen Frauen und die bewussten afghanischen Frauen werden die Taliban nicht vergessen und ihnen nicht vergeben. Nur eine Handvoll Frauen, die von den Dollars der USA leben, sich als Sprachrohr der USA betätigen, die Rolle der USA in Afghanistan spielen oder die Politik der USA in Afghanistan umsetzen wollen - vor allem die Frauenrechte stehen auf ihrer Tagesordnung - sind diejenigen, die den USA zuhören, die ganze Zeit vom Friedensprozess reden und sagen, die Taliban hätten sich geändert. Es gibt Frauen, die den Taliban die Füße küssen und ihnen all die Verbrechen vergeben wollen, die sie an Frauen begangen haben. Verbinden wir es mit der Regierung Gulbeddin, die wir immer Rakete nannten, weil er 1200 Raketen hatte und Tausende von Afghanen tötete. Gulbeddin war damals die erste oder einzige Fraktion, die Säure auf das Gesicht von Frauen warf, die zur Schule gingen. Viele Frauen haben sich mit Gulbeddin getroffen und einfach all seine Verbrechen vergessen. Jetzt geht die gleiche Praxis gegen Frauen weiter. Wie ich bereits sagte, sprechen Frauen wie Fawzi Kofi, Shahgul Rezayi und viele andere immer wieder von diesem so genannten Friedensprozess, weil sie in ihrer Position bleiben wollen. Wir kritisieren diese Gespräche, bei denen sie als Frauen aus der Zivilgesellschaft auftreten, bunte Burkas tragen und von der Vergebung der Taliban sprechen. Wie ihre Dschihad-Brüder können sie kommen und sitzen. Die Frauen, die neben den Taliban sitzen und die Verbrechen vergessen, die an den Frauen Afghanistans begangen wurden, sind meiner Meinung nach nichts anderes als Marionettenfrauen. Die Opferfamilien werden jedoch niemals vergeben und vergessen. Diese Frauen wollen es einfach nur genießen, in Hotels in Doha zu sitzen, Geld aus den USA zu haben und in ihrer Position zu bleiben, ohne dieses Geld zu verlieren. Damit signalisieren sie den Taliban, dass sie diejenigen sind, denen vertraut werden kann. Sie sagen, dass sich die Taliban verändert haben und inzwischen sogar Frauen an ihrer Seite akzeptieren. Wenn man sich Interviews der Taliban anhört, weiß man, dass sie sich nicht verändert haben. Sie sagen immer noch, dass sie die Scharia auf die afghanischen Frauen anwenden werden. Das bedeutet, dass sie Frauen aus allen Lebensbereichen verbannen werden. Für mich, für uns wird das Leben der afghanischen Frauen schlechter werden. Die Situation wird sich noch viel mehr verschlechtern.

Gibt es Proteste gegen dieses Abkommen zwischen den USA und den Taliban? Wie sind die Bedingungen für demokratische fortschrittliche Kräfte, zu protestieren und sich zu organisieren? Haben sie eine alternative Agenda?

Die Hambastagi-Partei war die einzige Stimme, die gegen die Freilassung von 5.000 Taliban-Gefangenen demonstrierte und auf die Straße ging. Es ist eine sehr schwierige Zeit für das afghanische Volk, besonders für die demokratischen fortschrittlichen Kräfte in Afghanistan. Vor allem für die Kräfte, die für die Freiheit und Unabhängigkeit des Landes kämpfen. Die gegen die Besatzung und all diese Fundamentalisten sind, ob Taliban, al-Qaida, IS oder die Mudschahidin. Und natürlich an der Spitze die USA. Die fortschrittlichen Kräfte stehen immer unter der Bedrohung von Angriffen. Viele Male haben sich die Solidaritätspartei und einige andere Gruppen gegen diese Art von Friedensverhandlungen gestellt. Wir bezeichnen es als Nationalverrat und verurteilen das Handeln der USA und der afghanischen Regierung. Niemand hört uns zu. Wir werden angegriffen, unsere Mitglieder werden ins Gefängnis gesteckt und gefoltert, um uns aufzuhalten. In dieser Situation können wir sagen, dass wir die wirkliche Opposition sind gegen die Besetzung Afghanistans durch die USA, gegen dieses Marionettenregime, das gerade erst in Kraft tritt. Wir sagen immer, dass das Schwarze Haus die Politik des Weißen Hauses umsetzt. Und es gibt eine sogenannte Opposition, die von der Regierung selbst geschaffen wurde, nur um zu sagen, dass es eine Opposition gibt. Diese Leute bezeichnen sich selbst als Opposition, aber am Ende sehen wir, dass sie einfach mit diesen Mördern auf dem Tisch sitzen.

Wir als die wirkliche Opposition werden nicht nur von einer Seite angegriffen. Auf der einen Seite stehen die USA und ihre Verbündeten. Dann gibt es die Dschihad-Kriminellen, den IS, die Taliban und viele andere terroristische Gruppen innerhalb des Landes. Nur um ein Beispiel zu geben: Als der Rat zusammentrat, gab es eine Anordnung der Regierung an die Medien, Kommentatoren zu Wort kommen zu lassen, die für die Freilassung der Taliban sind und erklären, warum dieser Prozess wichtig ist und warum die Menschen glauben sollten, dass mit diesem Prozess Frieden kommen wird. Wir wurden boykottiert. Niemand wollte uns zuhören, aber immerhin gab es eine Gruppe, die Demonstrationen veranstaltete, ihre Stimme erhob und die sozialen Medien, die Straße und alle verfügbaren Mittel nutzte. Sie ist zusammen mit den Opferfamilien zum UNO-Büro gegangen, um deutlich zu machen, sie würden den Taliban nicht verzeihen, sie wollten ihre Freilassung nicht, sie wollten nicht, dass dieser Prozess ohne Gerechtigkeit abläuft.

Die demokratischen Kräfte widersetzen sich also diesem Prozess, aber es sind die USA, die ihn umsetzen und die Entscheidungen treffen. Der afghanischen Regierung hört niemand zu. Wie ich bereits sagte, haben die USA die Freilassung von 5.000 Gefangenen beschlossen, ohne die afghanische Regierung zu informieren oder zu konsultieren. Die afghanische Regierung war sich dieses Paktes jedoch bewusst. Khalilzad kam plötzlich und kündigte die Freilassung an, und die afghanische Regierung gehorchte. Die Stimmen von 99 Prozent der Bevölkerung Afghanistans werden während dieses Prozesses nicht gehört.

Ja, wir haben Alternativen, aber die Situation hier ist sehr kompliziert. Jeder hat seine Hände in Afghanistan. Wir können Frieden und Stabilität nur durch die Macht des Volkes erreichen. Das afghanische Volk muss sich organisieren, zusammenschließen und gegen diese Kräfte kämpfen, wenn es Frieden und Sicherheit in seinem Leben haben will. Das ist der einzige Weg zu einer demokratischen und volksnahen Regierung, die von Menschenrechten sprechen und Menschlichkeit und Wohlstand in das Leben des afghanischen Volkes und insbesondere der Frauen bringen kann.

Den Taliban-Mördern ohne Gerichtsverfahren Amnestie zu gewähren, ist Landesverrat. Wir sagen, dass die Freilassung dieser Gefangenen oder Friedensgespräche mit den Taliban ein Verbrechen gegen das afghanische Volk und die Menschlichkeit in Afghanistan sind, weil das afghanische Volk Frieden will. Alle sprechen über die Friedensgespräche mit den Taliban, aber seit Beginn dieses Prozesses hat es in Afghanistan mehr als 3.000 Fälle von Selbstmordanschlägen und anderen Angriffen gegeben. Von welcher Art von Frieden wird also gesprochen? Die Taliban sitzen am Verhandlungstisch und setzen zur gleichen Zeit ihre Anschläge fort. In den vergangenen sechs Monaten sind täglich 16 Zivilist*innen getötet wurden. Das sind Leben. Auch das Leben von Afghanen sollte eine Rolle spielen. Für die USA hat unser Leben keinen Wert.

Afghanistan wird als das tödlichste Land der Welt bezeichnet. Von der UNO wurde es als das drittunglücklichste Land bezeichnet. Es wird als das hoffnungsloseste Land der Welt bezeichnet, weil wir in diesem Friedensprozess keine Hoffnung, keine Veränderung, nichts zugunsten des afghanischen Volkes sehen können. Aber wir als Hambastagi haben Hoffnung, und viele andere fortschrittliche Organisationen ebenfalls. Wir arbeiten zusammen, Seite an Seite und verbünden uns als Opposition gegen diese Dinge. Wir haben Hoffnung für die Zukunft. Deshalb kämpfen wir gegen die Besatzung, gegen die Fundamentalisten.

Dafür haben wir sehr gute Beispiele. In einigen Städten Afghanistans haben Frauen zur Waffe gegriffen und gegen die Taliban gekämpft, weil sie sich an ihnen rächen wollten für die Verbrechen, die in ihren Gemeinden begangen wurden. Erst kürzlich nahm eine Frau in einer Provinz Afghanistans eine Waffe und tötete diese Mörder. Auch im Norden des Landes gibt es Gruppen, die sich gegen die Verbrechen positionieren. Alle diese Gruppen entstehen in der Bevölkerung und der Kampf für Gerechtigkeit gibt uns Hoffnung. Aber wir brauchen eine sehr starke Führung, eine sehr starke fortschrittliche Partei, die all diese Kräfte, Gruppen und Menschen gegen die Besatzer und ihren lokalen Arm, das sind die Taliban und das Marionettenregime, führt und organisiert.

Wir haben schon immer gesagt, dass wir von der kurdischen Bewegung und vom kurdischen Volk inspiriert sind, besonders wenn es um den Kampf gegen den IS geht. Wir müssen von ihnen lernen und den gleichen Kampf gegen die Taliban hier in Afghanistan führen. Denn wir haben im Moment eine ähnliche Situation, der IS ist bereits in Afghanistan. Wir müssen also von ihnen lernen und diese Art des Kampfes gegen unsere Feinde fortsetzen.

Wie können wir Unterstützung und Solidarität zeigen?

Wir bitten unsere internationalen Geschwister-Organisationen immer darum, unsere Stimme zu sein. Ihr müsst gegen unseren einen Feind kämpfen, den Imperialismus, den kapitalistischen Staat, der die ganze Welt regieren will, die ganzen Unterdrückten. In Syrien, im Irak, in Afghanistan. Wir haben einen einzigen Feind, den Imperialismus. Bekämpfen wir ihn gemeinsam. Wir werden aus euren Erfahrungen lernen. Lasst uns unsere Erfahrungen miteinander teilen. Wir sollten aus den Erfahrungen der anderen lernen, um für Gerechtigkeit, für die Menschenrechte, für die Rechte der Frauen zu kämpfen. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen. Wenn wir von der afghanischen Regierung angegriffen werden, wollen wir, dass Demonstrationen und Aktionen vor der afghanischen Botschaft durchgeführt werden, um sie zu verurteilen und Druck auf sie auszuüben. Die Situation in Afghanistan hängt jedoch nicht nur von der eigenen Regierung ab. Sie hat auch mit internationalen Supermächten zu tun, wie den USA und europäischen Ländern, die ihr Geld in Afghanistan ausgeben. Ihr könnt als kurdische Bewegung Druck auf die internationalen US-NATO-Kräfte ausüben und fordern, dass der Krieg in Afghanistan gestoppt und kriminelle Gruppen wie die Taliban und der IS nicht länger unterstützt werden. Auch wenn Frauen unter Druck geraten, wollen wir, dass ihr uns zur Seite steht. Wir möchten, dass ihr unsere Stimme seid und Druck auf die Regierungen ausüben, um zum Ausdruck zu bringen, dass ihr euch auch in Afghanistan für die Rechte von Frauen einsetzt.