Frankfurt: Kolonialismus und Auswirkungen auf Frauen

Heute hat die zweitägige Frauenkonferenz „Revolution in the Making“ des Netzwerks „Women Weaving the Future“ begonnen. Am Nachmittag fanden verschiedene Workshops statt.

Auf der internationalen Frauenkonferenz „Revolution im Aufbau“ haben nach der ersten Session am Vormittag nach dem Mittagessen Workshops stattgefunden. Einer der Workshops behandelte das Thema „Kolonialismus, kapitalistische Moderne und ihre Auswirkungen auf Frauen“.

Kämpfende Frauen in Afghanistan

Selay Ghaffar von der Solidaritätspartei Afghanistan ist die erste Rednerin. Frauen sind die Mehrheit in der Partei, berichtet sie. Seit 40 Jahren erlebt das Land Krieg und Besatzung, seit 2001 durch die USA und NATO. Selay beschreibt, wie zunächst der religiöse Fundamentalismus eingesetzt wurde, um Frauen zum Schweigen zu bringen, und wie sich das auch in der Erziehung widerspiegelt. Die Kolonialisten implementieren ihre Macht, indem sie die Frauenrechte vorschieben. Das Patriarchat ist nicht nur eine Waffe des Regimes, sondern auch der Kolonialisten, die zudem die Unterdrückung von Frauen medial ausschlachten, um eine zusätzliche Legitimierung ihrer kolonialistischen Politik zu betreiben. Dennoch gibt es in Afghanistan Frauen, die wirklich kämpfen. Die Frauenbewegung, die zwar noch klein, aber vorhanden und organisiert ist, kämpft im Alltag an drei Fronten: gegen die NATO-Besatzung, gegen den Fundamentalismus der Regierung und gegen den Terror der Islamisten. Trotz aller Widerstände und Widrigkeiten gibt es herausragende Beispiele von engagierten Frauenrechtsaktivistinnen. Schon lange vor der Zeit der Taliban (1996 bis 2001) und noch während der sowjetischen Besatzung (1979-1989) kämpften afghanische Frauen für Frauenrechte und Demokratie. Eine der ältesten Frauenorganisationen ist RAWA (Revolutionary Afghan Women’s Association), die 1977 von mehreren Frauen unter der Leitung von Meena Keshwar Kamal gegründet wurde. Meena wurde 1987 ermordet.

Die Frauenbewegung im Sudan

Als nächste Rednerin berichtet Shadia Abdulnaim aus dem Sudan. Ihr Land liege im Herzen Afrikas und sei eigentlich sehr reich, aber seit Jahrhunderten Kolonialismus und Besatzung ausgesetzt. Der Bürgerkrieg habe dazu geführt, dass das Land geteilt wurde. Frauen wurden durch den Kolonialismus gezielt von Bildung ferngehalten, erst zu Beginn des letzten Jahrhunderts haben Frauen begonnen, sich heimlich zu bilden. In den 1950ern sei die Frauenbewegung als Folge davon immer stärker geworden. Frauen seien jedoch von härtesten Unterdrückungsmethoden betroffen, sogar von Steinigung. Zum Beispiel würden Frauen sogar für das Tragen von Hosen verurteilt. Auch heute sei die Situation nicht besser. Das reiche Vorkommen von Ressourcen und Öl führe weiterhin dazu, dass kolonialistische Interessen zur Unterdrückung von Frauen beitragen.

„Kolonialismus von Frauen und Nationen ist dasselbe“, sagt Shadia, „Ich kämpfe gegen FGM in Sudan und gegen das Abtreibungsverbot in Polen. Beim Kolonialismus geht es um Ressourcen, wovon es in Afrika viele gibt. Darum geht es auch dem IS. Der Hijab ist nicht nur ein Kleidungsstück, er hält die Frauen von Bildung fern, von politischer Arbeit. Das patriarchale Regime ist sehr stark. Politische Institutionen werden von ihm aufgebaut. Wir kämpfen für Frauenrechte, aber sie sind verbunden mit dem Klassenkampf. Es sehr schwer, eine Frau zu sein, schwarz und arm und Muslima im Sudan. Der Kampf um Frauenrechte ist universell. Auch hier bekommen Frauen für dieselbe Arbeit weniger Geld. Am Ende des Tages, wenn du nach Hause kommst, bist du eine Frau. All unsere Unterdrückung ist miteinander verbunden.“

Genozid und Assimilation in Dersim

Şenge Kahraman berichtet aus ihrer Heimat Dersim. Schon vor der Zeit ihrer Geburt wurde diese Region vom türkischen Kolonialismus angegriffen, von ihrem Dorf seien nur vier oder fünf Häuser übriggeblieben. Viele Mädchen wurden entführt und zwangsverheiratet, später waren sie soweit assimiliert, dass sie ihre Herkunft vergaßen. Kinder in Höhlen wurden erstickt, damit ihre Schreie nicht die Besatzer und Mörder aufmerksam machten. Şenge berichtete auch von dem legendären Kampf von Alişer und Zarife in Dersim. Die Mörder riefen Zarife zu: „Wenn du dich ergibst, wirst du ein schönes Leben haben“, aber sie stürzte sich wie viele andere Frauen die Klippen hinab in den Fluss Munzur.

Botschaft aus Efrîn

Die nächste Rednerin ist Asiya Reşîd aus Efrîn. Ihr Sohn Fewzi ist im Krieg gefallen. Asiya sagt, die Mächte der Welt fürchteten sich sehr davor, dass Frauen zusammenkommen. „Frauen werden durch die Besatzer in Efrîn zwangsverheiratet. Meine Botschaft ist, dass Frauen sich gegenseitig lieben, zusammenkommen und die Theorie in die Praxis umsetzen sollen.“

Die Frauen aus Şengal

Daye Şerin aus Şengal berichtet über die Leiden der Frauen nach dem Angriff des sogenannten Islamischen Staat (IS) im Jahr 2014: „Tausende wurden verschleppt und als Sklavinnen verkauft, tausende Männer ermordet, Kinder wurden verschleppt.“ Am Ende singt sie ein Trauerlied, ein Lorîn, in dem sie auch die Ermordung von Zekî Şengalî durch den türkischen Staat beklagt, aber auch die Leiden aller Frauen im Mittleren Osten thematisiert.

Assyrerinnen in Syrien

Nazeera Gawria ist Mitbegründerin der Syriac Womens Union und seit 2014 Ko-Vorsitzende des Legislativrats im Kanton Cizîrê. Sie berichtet, ihr Volk lebe seit 5000 Jahren in Syrien. Die Christ*innen im Mittleren Osten sind auf viele Staaten verteilt. Bereits im Osmanischen Reich waren sie Genoziden ausgesetzt. Frauen zahlen den höchsten Preis, sie werden zwangsweise islamisiert. Sie sagt, die Islamisten schneiden die Bäuche der Frauen auf, um herauszufinden, ob die Babys Jungen oder Mädchen sind. Dieselben Schmerzen wie im Osmanischen Reich erlebten die Frauen nun unter der IS-Herrschaft. In Raqqa wurden assyrische Frauen von den Fundamentalisten verschleppt. Sie wurden wie die Ezidinnen als Sklavinnen verkauft. „Der IS behandelt Tiere besser als Frauen“, sagt sie.

Transnationale Solidarität

Die Londoner Schriftstellerin und Produzentin Siana Bangura sagt: „Ich bin hier, um etwas über die kurdische Frauenbewegung zu lernen. Es gibt keine Lösung, außer von unten zu arbeiten. Transfrauen haben die höchste Mordrate weltweit. Ich setze auf transnationale Solidarität, jede Frau sollte in ihrer eigenen Sprache sprechen. Hier haben wir Frauen verschiedener Generationen, wir können von den älteren lernen.“