Bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Irak hat die Partei des schiitischen Klerikers Moktada al-Sadr gewonnen. Nach ersten Auszählungen vom Montag errang seine Partei mehr als 70 Mandate im Abgeordnetenhaus. In einer Fernsehansprache warnte Al-Sadr andere Staaten, sich in die Regierungsbildung einzumischen. Zugleich kündigte der Geistliche an, für Frieden und Stabilität eintreten zu wollen und gegen Korruption vorzugehen.
Die Takaddum-Koalition des sunnitischen Parlamentspräsidenten Mohammed al-Halbusi kann 38 Abgeordnete entsenden, gefolgt vom ehemaligen schiitischen Regierungschef Nuri al-Maliki mit 37 Mandaten. Als Verliererin gilt die pro-iranische Fatah-Koalition, die im Vergleich zur vergangenen Wahl 2018 deutliche Einbußen hinnehmen musste.
Wahlbeteiligung auf Rekordtief
Unter einem Großaufgebot an Sicherheitskräften stimmte der Irak am Sonntag über das Parlament ab. Insgesamt waren rund 25 Millionen Menschen aufgerufen, die 329 Abgeordneten im irakischen Parlament zu bestimmen. Es bewarben sich mehr als 160 Parteien und über 3.200 Kandidierende, außerdem gab es ein neues Wahlrecht: erstmals gab es keine (Partei-)Listenwahl sondern das System der nichtübertragbaren Einzelstimmgebung zur Direktwahl von Kandidatinnen und Kandidaten in 83 Wahlkreisen (früher 18). Aus Frust über die politische Elite des Landes beteiligten sich jedoch gerade einmal 41 Prozent der Berechtigten an der Wahl – ein Rekordtief. Grund dürfte die Unzufriedenheit der Menschen über die politische Elite des Landes sein. Ein Großteil der Bevölkerung erwartet innerhalb des bestehenden politischen Systems keine Änderung der Machtverhältnisse. Bereits bei der Wahl 2018 hatten nur 44,5 Prozent ihre Stimme abgegeben.
Politische und wirtschaftliche Krise
Der ölreiche Irak steckt in einer politischen und wirtschaftlichen Krise. Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi hatte die Abstimmung nach Massenprotesten um mehrere Monate vorgezogen. Die im Oktober 2019 ausgebrochenen Demonstrationen, an denen sich vor allem junge Menschen beteiligten, richteten sich gegen Misswirtschaft, Korruption, schlechte Infrastruktur sowie die hohe Arbeitslosigkeit und wurden blutig niedergeschlagen. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden mehr als 600 Menschen getötet und 30.000 weitere verletzt. Über 100 Menschen sind bis heute „verschwunden“.
61 Abgeordnete aus Südkurdistan
Die Parteien in der Kurdistan-Region Irak gewannen den vorläufigen Wahlergebnissen zufolge 61 Mandate. 32 Sitze errang die Demokratische Partei Kurdistans (PDK), 15 Plätze gingen an das Wahlbündnis „Kurdistan-Koalition“ aus der Patriotischen Union Kurdistans (YNK) und der Gorran-Bewegung. Die Nifşê Nû (Bewegung Neue Generation) schickt neun Abgeordnete ins Parlament der Zentralregierung, an die Islamische Einheitspartei wurden vier Mandate vergeben. Die Gerechtigkeitsgruppe Kurdistan, ehemals „Islamische Gemeinschaft in Kurdistan” (Komelî Îslamî), gewann ein Mandat. Von den knapp dreieinhalb Millionen Wahlberechtigten gingen nur gut 900.000 zur Urne.
97 Frauen im neuen Parlament
Trotz der niedrigen Wahlbeteiligung gibt es einen Lichtblick, nämlich: der Frauenanteil. Mit knapp 29,5 Prozent ist der Anteil der Frauen im irakischen Parlament höher als die gesetzlich festgelegte Quote, laut der ein Viertel der Abgeordneten weiblich sein müssen. Insgesamt 97 Frauen holten sich ein Mandat, das sind vierzehn Parlamentarierinnen mehr als bei der vorausgegangenen Legislaturperiode. Laut dem vorläufigen Ergebnis gehören 23 der weiblichen Abgeordneten den kurdischen Parteien an.
Von den neun fixen Mandaten für ethnisch-religiöse Minderheiten gingen fünf an christliche Kandidierende und jeweils eines an Angehörige der ezidischen sowie mandäischen Gemeinschaft, der Schabak und der Faili. Das endgültige Ergebnis der Parlamentswahl im Irak will die Wahlkommission bis Anfang November vorlegen.
Diese Meldung wurde am 14.10.2021 um 04:38 Uhr aktualisiert..